Datum der Verkündung: 08.12.2022
Gericht: Landgericht Heidelberg
Spruchkörper: 5. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 5 O 160/21
Vorinstanz: keine
Der Kläger aus Heidelberg nahm von Februar 2014 bis August 2019 an Online Glücksspielen der Online Casino Anbieterin ElectraWorks Ltd. auf ihrer Webseite “Bwin” teil. Dabei verlor der Spieler Einsätze in Höhe von insgesamt 21.431,39 €. Die ElectraWorks Ltd. hat ihren Sitz in Gibraltar. Das Angebot von “Bwin” erfolgte im Internet in deutscher Sprache trotz fehlender deutscher Glücksspiel-Lizenz.
Das Landgericht Heidelberg sprach sich für einen Rückzahlungsanspruch zugunsten des Spielers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 21.431,39 € gegen die Beklagte aus. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Spielverträge zwischen der ElectraWorks Ltd. und dem Kläger sind deshalb gemäß § 134 BGB nichtig. Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund.
Anders als von der Beklagten vorgetragen, ist das Landgericht Heidelberg international zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Kläger ist Verbraucher i.S.v. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Die Beklagte richtet ihre gewerbliche Tätigkeit auf den Mitgliedstaat Deutschland aus.
Die AGB der Beklagten enthielten zwar eine Vereinbarung, nach der die Gerichte von Gibraltar für aus den Spielverträgen entstehende Streitigkeiten zuständig seien. Darauf kann sich die Beklagte jedoch nicht berufen. Denn eine solche Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 25 Abs. 4 EuGVVO unzulässig. Sie läuft Art. 19 EuGVVO zuwider, nach dem von den gesetzlichen Vorschriften zum Gerichtsstand in Verbrauchersachen nur in wenigen Ausnahmefällen abgewichen werden darf.
Deutsches Recht ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO anwendbar. Bei Verträgen mit Verbrauchern ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Daran ändern auch die AGB der Beklagten nichts, nach deren Ziffer 24 die Spielverträge dem Recht von Gibraltar unterliegen. Diese AGB-Klausel der Beklagten ist wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Indem sie keinen Hinweis auf die weiterhin anwendbaren Vorschriften der §§ 306 ff. BGB enthält, verstößt die AGB-Klausel gegen das Transparenzgebot und benachteiligt den Spieler somit in unangemessener Weise, weil dem Spieler durch den fehlenden Hinweis Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Rechte vorenthalten werden. Dass die §§ 306 ff. BGB weiterhin anwendbar sind, ergibt sich wiederum aus Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-VO. Danach ist eine Rechtswahl nur dann zulässig, wenn dadurch dem Verbraucher nicht der Schutz zwingender nationaler Vorschriften seines Heimatlandes entzogen wird. Die §§ 306 ff. sind solche zwingende nationale Vorschriften.
Folge der Unwirksamkeit der Ziffer 24 der AGB der Beklagten ist die Anwendbarkeit des gesamten deutschen Rechts.
Das Landgericht Heidelberg nimmt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Kondiktionsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB an. Für die Nichtigkeit der Spielverträge ist kein beiderseitiger Gesetzesverstoß der Vertragsparteien notwendig. Ein einseitiger Gesetzesverstoß genügt, um die Nichtigkeit zu begründen, wenn ein Bestehenbleiben der Verträge dem Zweck des Verbotsgesetz widersprechen würde. Schutzzweck des § 4 Abs. 4 GlüStV ist der Spielerschutz. Diesem Zweck würde es widersprechen, die Spielverluste den Betreibern verbotener Online-Glücksspiel-Plattformen zuzubilligen.
Die Beklagte trug vor, nicht gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene Verbot verstoßen zu haben, weil die zuständige Behörde ihr Online-Glücksspiel-Angebot geduldet habe. Von dieser Darstellung ließ sich die Zivilkammer nicht überzeugen. Eine aktive Duldung durch die Behörde erfordert eine eindeutige und widerspruchsfreie Äußerung der zuständigen Behörde. Eine solche liegt nicht vor. Das bloße “Nichteinschreiten” der Behörde begründet keinen Vertrauensschutz zugunsten der Beklagten, so dass sie durch ihr Online-Glücksspiel-Angebot gegen § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen hat.
Das Landgericht führte überdies aus, dass dem Anspruch eine Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB nicht entgegensteht. Der Kläger hat mangels Vorliegens subjektiver Voraussetzungen nicht selbst gegen ein Verbotsgesetz verstoßen. Adressaten des § 4 Abs. 4 GlüStV sind nicht die Spieler, sondern die Betreiber von Online-Glücksspiel-Angeboten. Der Spieler hat auch nicht durch seine Teilnahme am illegalen Glücksspiel gegen § 285 StGB verstoßen. Dafür hätte er positive Kenntnis von dem Gesetzesverstoß haben müssen. Bloßes Kennenmüssen des Verbots oder grob fahrlässiges Handeln gegen ein gesetzliches Verbot genügen nicht. Dem bewusst Handelnden steht gleich, wer sich dieser Kenntnis leichtfertig verschlossen hat. Eine vermeintliche Kenntnis des Klägers oder ein leichtfertiges Verschließen vor der Kenntnis hätte die Beklagte hinreichend darlegen und beweisen müssen.
Die Heidelberger Landrichter lehnten diesbezüglich jedes von der Beklagten vorgebrachtes Argument ab, weshalb der Kläger Kenntnis vom eigenen Gesetzesverstoß hatte oder sich dieser zumindest leichtfertig verschlossen habe. Weder der Hinweis auf die Gesetzwidrigkeit der Teilnahme an Online-Glücksspiel in Baden-Württemberg in Ziffer 2 der AGB der Beklagten, noch die Diskussion in den Medien über das Verbot, begründen eine positive Kenntnis des Verbots oder ein sich leichtfertiges Verschließen ihr gegenüber. Von einem Verbraucher kann nicht erwartet werden, dass er die Rechtslage im Hinblick auf das Online-Glücksspiel kennt. Die Frage der Legalität von Online-Glücksspielen war in den Jahren von 2014 bis 2019 in der öffentlichen Diskussion auch nicht derart präsent und insbesondere nicht derart eindeutig geklärt. Zudem kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Verbrauche die AGB liest, bevor er sie akzeptiert. Insgesamt kann der Verbraucher davon ausgehen, dass Angebote, welche er über eine “normale” Suchmaschine im Internet findet, legal sind.
Die Beklagte berief sich darüber hinaus auf die Einrede der Verjährung. Auch dieser Verteidigungsstrategie erklärte das Landgericht eine Absage. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. Es obliegt der Beklagten zu beweisen, dass dieser Zeitpunkt mehr als drei Jahre zurückliegt. Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
Es kann dahinstehen, ob ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. besteht.
Die Parteien streiten über einen Rückgewähranspruch in Zusammenhang mit einem von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspiel. Die Beklagte ist ein Online-Glücksspiel-Anbieter aus Gibraltar. Sie verfügte in den Jahren von 2014 bis 2019 über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Gibraltar. Über eine entsprechende Glücksspiellizenz für das Bundesland Baden-Württemberg oder Deutschland verfügte die Beklagte in diesem Zeitraum nicht. Die Beklagte veranstaltete im Zeitraum von 2014 bis 2019 auf der von ihr betriebenen Internetseite „Bwin“ öffentliche Glücksspiele im Internet. Die Internetseite ist von Deutschland aus in deutscher Sprache erreichbar. Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Baden-Württemberg hat, spielte im Zeitraum vom 28.02.2014 bis zum 20.08.2019 auf der Internetseite der Beklagten BlackJack, Roulette sowie Sportwetten und verlor unter Berücksichtigung der erzielten Gewinne Spielbeträge von insgesamt 21.431,39 €.
Der Kläger akzeptierte vor seiner Spielteilnahme die von der Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Setzen eines entsprechenden Häkchens.
Unter „2. RECHTMÄSSIGKEIT DER NUTZUNG DER SERVICES“ ist dort geregelt:
„Sie dürfen die Services nur dann nutzen, wenn Sie 18 Jahre oder älter sind (oder das jeweilige höhere Alter erreicht haben, das nach der Gesetzgebung in Ihrem Land die Voll- jährigkeit bedeutet) und wenn Ihnen diese Nutzung laut geltendem Recht in Ihrem Land erlaubt ist. Sie bestätigen hiermit, dass Sie unsere Dienste nicht von den Vereinigten Staaten, Polen oder den deutschen Bundesländern Sachsen, Baden Württemberg oder Hessen oder einem anderen Gebiet aus nutzen, in dem es zum Zeitpunkt der Bezahlung eines Einsatzes oder der Teilnahme an einem Spiel nicht rechtmäßig ist, Online-Glücksspiele zu spielen. Ferner bestätigen Sie, dass Sie keine Gewinnspiele von Portugal aus spielen. (...) Sie wissen und akzeptieren, dass wir nicht in der Lage sind, Ihnen eine rechtliche Beratung oder Zusicherungen zu gewähren, und dass es in Ihrer alleinigen Verantwortung liegt, jederzeit die für Sie geltenden rechtlichen Bestimmungen einzuhalten und sicherzustellen, dass Sie laut Gesetz uneingeschränkt dazu berechtigt sind, die Services zu nutzen. Ohne den oben aufgeführten Sachverhalt einzuschränken, kann der Zugriff auf unsere Services von bestimmten Regionen aus begrenzt werden. Jede Nutzung der Services unterliegt allein Ihrer Entscheidung und geschieht nach Ihrem Ermessen und zu Ihrem Risiko. Durch die Nutzung der Services bestätigen Sie, dass Sie die Services in keiner Weise als anstößig, unzulässig, unfair oder unanständig bewerten.“
Unter „24. ANWENDBARES RECHT“ heißt es:
„Die vorliegenden Vertragsbedingungen unterliegen dem Recht von Gibraltar. Sie erkennen unwiderruflich die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte von Gibraltar im Fall von Rechtsstreitigkeiten infolge der oder im Zusammenhang mit den vorliegenden Vertragsbedingungen oder deren Durchsetzbarkeit an. (...)“
Der Kläger behauptet, spielsüchtig zu sein und zum Zeitpunkt der Spielteilnahme nicht gewusst zu haben, dass die von ihm getätigten Spiele in Deutschland nicht erlaubt waren. Er ist der Ansicht, der mit der Beklagten geschlossene Glücksspielvertrag sei gemäß § 134 BGB nichtig und er könne die erlittenen Spielverluste sowohl bereicherungsrechtlich als auch deliktsrechtlich von der Beklagten zurückverlangen.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.431,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie rügt die internationale Zuständigkeit und ist der Auffassung, es sei auch kein deutsches Sachrecht anwendbar. Aber auch nach deutschem Recht stünden dem Kläger keine Ansprüche zu. Bereicherungsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben. Die Spielverträge seien nicht wegen (beiderseitigen) Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz unwirksam; andernfalls stehe einer Rückforderung entgegen, dass auch der Kläger verbotswidrig gehandelt habe. Deliktische Ansprüche bestünden ebenfalls nicht; es fehle schon am Schutzgesetzcharakter etwa verletzter Normen. Hilfsweise erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört; insoweit wird auf das Protokoll vom 03.11.2022 verwiesen.
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
1.
Das Landgericht Heidelberg ist international zuständig gemäß Art. 18 Abs. 1 EuGVVO (Brüssel - la - Verordnung). Demnach kann der Verbraucher gegen seinen Vertragspartner an dem Gericht des Ortes klagen, an dem er seinen Wohnsitz hat. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO ist vorliegend anwendbar. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 c) EuGVVO bestimmt sich die Zuständigkeit nach Art. 18 f. EuGVVO, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag sind, den eine Person zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Verbraucher) und der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Der vom Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist ein Anspruch aus einem Vertrag im Sinne des Art. 17 EuGVVO. Das Tatbestandsmerkmal „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ ist weit auszulegen und erfasst auch Klagen auf Rückgewähr von Beträgen, die auf der Grundlage eines solchen Vertrags ohne Rechtsgrund gezahlt wurden (EuGH BeckRS 2016, 80666 Rn. 58), wie sie hier vom Kläger geltend gemacht werden. Darüber hinaus können auf Art. 17 ff. EuGVVO im Interesse der Prozessökonomie und eines umfassenden Verbraucherschutzes auch konkurrierende deliktische Ansprüche gestützt werden, wenn die deliktische Schadenshaftung eine so enge Beziehung zu dem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (EuGH BeckRS 2020, 4829 Rn. 58 ff.; Geimer/Schütze EuZivilVerfR/Geimer, 4. Aufl., EUGVVO Art. 17 Rn. 73). Ein solcher enger Zusammenhang liegt hier vor. Er ergibt sich daraus, dass der Kläger als Verbraucher den an seinen Vertragspartner vertragsgemäß gezahlten Einsatz mit der Bergründung zurückverlangt, dass jener den Vertrag unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nicht hätte abschließen dürfen (vgl. BGH NJW 2011, 532 Rn. 24 f. zu Art. 13 Abs. 1 LugÜ, §§ 823 Abs. 2 BGB, 32 Abs. 1 KWG). Das Verbot des § 4 Abs. 4 GIlüStV richtet sich gerade gegen Veranstalter und Vermittler von Glückspielen in ihrer Eigenschaft als Vertragsschließende. Der Kläger ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Glücksspielvertrag auch Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, da er den Vertrag nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken abgeschlossen hat. Dies gilt ungeachtet der Anzahl seiner Spiele (LG Bochum BeckRS 2022, 9616 Rn. 11). Er hatte seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Deutschland. Die Beklagte als Vertragspartner hat ihre gewerbliche Tätigkeit unter anderem auch auf Deutschland ausgerichtet, indem sie ihre Dienste auf einer in Deutschland in deutscher Sprache abrufbaren, interaktiven Website angeboten hat (vgl. MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl., Brüssel la-VO Art. 17 Rn. 11; LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 18). Die Tatsache, dass die Beklagte ihren Sitz in Gibraltar und damit seit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zum 31.12.2020 nicht mehr in einem Mitgliedsstaat, sondern nunmehr in einem Drittstaat hat, steht der Anwendbarkeit des Art. 18 EuGVVO nicht entgegen. Der Verbrauchergerichtsstand des Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO erlaubt es dem Verbraucher, beim Gericht seines Wohnsitzes „ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners“ klagen, also auch dann, wenn der Vertragspartner in einem Drittstaat ansässig ist (MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl., Brüssel-la-VO Art. 18, Rn. 6; Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl., EuGVVO Art. 18 Rn. 5).
2.
Auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte von Gibraltar kann sich die Beklagte nicht berufen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 25 Abs. 4 EuGVVO nicht zulässig, wenn sie den Bestimmungen des Art. 19 EuGVVO zuwiderläuft (vgl. dazu BeckOGK/Quantz, Stand 01.11.2022, BGB § 307 Gerichtsstandsklausel Rn. 36.2). Das ist hier der Fall. Nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO kann von den Zuständigkeitsvorschriften bei Verbrauchersachen (also unter anderem von dem hier einschlägigen Art. 18 Abs. 1 S. 2 EuGVVO) nur abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird (Nr. 1), die Gerichtspflichtigkeit des Vertragspartners des Verbrauchers erweitert wird (Nr.2) oder beide Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben und durch die Vereinbarung die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates begründet werden soll (Nr. 3). Keine dieser Varianten liegt hier vor.
3.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg ergibt sich ebenfalls aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO, der neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit regelt (LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 19; Dauses/Ludwigs/Kreuzer/Wagner/Reder, EU-WirtschaftsR-HdB/, Stand August 2022, Q.Il. Internationale Zuständigkeit Rn. 108).
II.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 21.431,39 € verlangen.
1.
Der vorliegende Sachverhalt beurteilt sich nach deutschem Sachrecht. Das ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom-I-VO, da der Kläger in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und als Verbraucher an den Online-Glücksspielen der Beklagten teilnahm, welche ihre gewerbliche Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt auch auf Deutschland ausgerichtet hatte. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Anwendbarkeit des Rechts von Gibraltar. Die getroffene Rechtswahl ist wegen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Die §§ 306 ff. BGB finden vorliegend Anwendung. Eine Rechtswahl nach Art. 3 der Rom-I-VO ist gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO nur zulässig, wenn sie nicht dazu führt, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach seinem Heimatrecht, also hier nach deutschem Recht, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Dies hat zur Folge, dass die nach deutschem Recht zwingenden Verbraucherschutznormen der §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, in jedem Fall anwendbar bleiben (BGH BeckRS 2013, 3084 Rn. 33; LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 24). Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen, was gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere der Fall ist, wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt hier darin, dass die von der Beklagten verwendete Klausel (Anlage B 43, Nr. 24. ANWENDBARES RECHT) die Vertragsbeziehung vollständig dem Recht von Gibraltar unterwirft, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen seines Heimatrechts genießt. Dies vermittelt dem Verbraucher den falschen Eindruck, auf den Vertrag sei nur das vereinbarte Recht anwendbar, führt ihn so in die Irre und ist geeignet, ihn von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten (vgl. EUGH IWRZ 2016, 215 Rn. 71; BGH BeckRS 2013, 3084 Rn. 36; LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 25; LG Aachen BeckRS 2021, 36592 Rn. 17; Rock, ZfWG 2022, 118 ff.).
2.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 liegen vor. Der Kläger hat seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Glücksspielvertrag gegen § 4 Abs. 4 GIlüStV in der Fassung vom 15.12.2011 (im Folgenden: GIlüStV 2012) verstoßen hat und aus diesem Grund gemäß §§ 134 BGB i.V.m. 4 Abs. 4 GIüStV 2012 nichtig war.
a.
Das Verbot der Vermittlung und Veranstaltung von Online-Glücksspiel des § 4 Abs. 4 GIüStV 2012 war zu der Zeit, zu der die streitgegenständlichen Spielverträge abgeschlossen wurden, geltendes Recht. Das Verbot verstößt weder gegen Unionsrecht noch gegen Verfassungsrecht (EuGH NJW 2009, 3221; BVerfG NVwZ 2008, 1338; BVerwG NVwZ 2018, 895 Rn. 33 ff.; LG Hamburg BeckRS 2022, 993 Rn. 29).
b.
Bei § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Glücksspielvertrags (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2022, 12872 Rn. 44; LG Hamburg BeckRS 2022, 993 Rn. 28; LG Bochum BeckRS 2022, 9616 Rn. 14; LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 42; vgl. auch BGH NJW 1962, 1671 zu § 1 Abs. 1 Ziff. 2 SpielbVO). § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 fordert nach seinem Sinn und Zweck keine andere Sanktion als die Nichtigkeit des Vertrags. Das Verbot der Vermittlung und Veranstaltung von Online-Glücksspiel dient dazu, das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern (§ 1 GlüStV 2012). Im Bereich des Online-Glücksspiels hat der Gesetzgeber aufgrund der Anonymität im Internet und der fehlenden sozialen Kontrolle eine besondere Gefahr gesehen und sich daher für ein grundsätzliches Verbot von Glücksspiel im Internet entschieden (Gesetzesentwurf der Landesregierung BW für ein Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag V. 30.10.2007, LT-Drs. 14/1930 S. 35). Diesem Schutzzweck wird am besten gedient, wenn verbotswidrig abgeschlossene Spielverträge als nichtig bewertet und dem Vertrag die Rechtswirkungen genommen werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Spielerschutz mit der Nichtigkeit der Verträge am besten gedient. Die Nichtigkeit führt dazu, dass jedenfalls gutgläubige Spieler ihre Einsätze nach Bereicherungsrecht zurückfordern können und somit vor Verlusten, die sie infolge illegaler und damit insbesondere staatlich nicht überwachter Glücksspiele erleiden, geschützt werden. Für die hier angenommene Rechtsfolge ist nicht relevant, ob auch der Kläger durch die Teilnahme an dem Glücksspiel der Beklagten gegen ein Verbotsgesetz verstoßen hat. Auch ein einseitiger Gesetzesverstoß kann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen, wenn es mit dem Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die rechtsgeschäftliche Regelung bestehen zu lassen (BeckOGK/Vossler, Stand 01.06.2022, BGB § 134 Rn. 57; BGH NJW 1981, 399 f.; BGH NJW 1976, 415). Das ist hier aufgrund des genannten Schutzzwecks des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 der Fall.
c.
Indem die Beklagte ihr Online-Glücksspielangebot auch Spielteilnehmern aus Baden-Württemberg wie dem Kläger zugänglich gemacht hat, hat sie gegen das Veranstaltungsverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen. Eine etwaige Erlaubnis der Beklagten nach gibraltarischem Recht ändert mangels Vollharmonisierung des Glücksspielrechts nichts an der Illegalität des Angebots der Beklagten in Deutschland (Hendricks/Lüder, VuR 2021, 333, 334f.). Eine aktive Duldung der Behörden des Online-Glücksspielangebots der Beklagten, die Vertrauensschutz vermitteln und unter Umständen neben ihren verwaltungs- und strafrechtlichen Wirkungen auch zivilrechtliche Bedeutung haben könnte, ist nicht ersichtlich. Eine aktive Duldung bedarf einer Äußerung der zuständigen Behörde, der eindeutig und widerspruchsfrei zu entnehmen sein muss, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum das Handeln geduldet wird, sie also nicht gegen dieses Handeln einschreiten wird (VGH Mannheim NVwZ-RR 2022, 299 Rn. 46; OVG Münster NVwZ-RR 2016, 851 Rn. 37; OVG Münster NVwZ-RR 2016, 851 Rn. 37). Das bloße Nichteinschreiten einer Behörde in Kenntnis des illegalen Zustands („passive Duldung“) begründet hingegen keinen Vertrauensschutz. Vorliegend fehlt es an einer behördlichen Äußerung, der eine bewusste Entscheidung zur Duldung des Online-Angebots der Beklagten eindeutig und widerspruchsfrei entnommen werden könnte. Weder der Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Se- natskanzleien der Länder vom 08.09.2020 noch die darauf beruhenden Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker vom 30.09.2020 beinhalten eine auf den Einzelfall ausgerichtete Behördenentscheidung mit Außenwirkung hinsichtlich des Online-Spielangebots der Beklagten. Es handelt sich hierbei vielmehr um bloße abstrakte Vorgaben, die eine Entscheidung der zuständigen Behörde im jeweiligen Einzelfall nicht ersetzen. Eine Vertrauensgrundlage kann aufgrund solcher abstrakter Regelungen, die einer Umsetzung durch die Behörden und einer Einzelfallprüfung bedürfen, nicht entstehen. Zudem entfalten Vollzugsleitlinien als bloßes Behördeninnenrecht keine Außenwirkung, was ebenfalls gegen die Schaffung einer entsprechenden Vertrauensgrundlage spricht (Deiters/Reuker/Wagner, NStZ 2021, 321, 326). Im Übrigen fallen Umlaufbeschluss und Leitlinien in die Zeit nach den streitgegenständlichen Spielverträgen des Klägers. In Ermangelung einer aktiven Duldung kommt es nicht darauf an, ob eine behördenseitige aktive Duldung auf das Zivilrecht durchschlagen würde (verneinend LG Gießen BeckRS 2021, 7521 Rn. 22; LG Bochum BeckRS 2022, 9616 Rn. 17; kritisch dazu Hendricks/Lüder VuR 2021, 333, 339, mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung).
d.
Der Anspruch ist nicht gemäß § 814 BGB wegen Kenntnis des Klägers von der Nichtverpflichtung zur Leistung ausgeschlossen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Klägers trägt die Beklagte (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., § 814 Rn. 23). Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich jedenfalls keine positive Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld zum Zeitpunkt der Leistung. Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Kenntnis des Klägers bezieht sich nur auf die Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels, nicht aber auf die Kenntnis von der Unwirksamkeit des Vertrags. § 814 BGB fordert jedoch, dass die positive Kenntnis sich auf das Fehlen der Verbindlichkeit, das heißt auf die Unwirksamkeit des Vertrags bezieht. Der Leistende muss demnach auch die im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, dass der Vertrag nichtig ist (BGH BeckRS 1986, 31070033). Das ist hier von der Beklagten weder vorgetragen noch bewiesen. Auch die persönliche Anhörung des Klägers hat keine Anhaltspunkte für entsprechende Kenntnisse ergeben.
e.
Auch § 817 S. 2 BGB, der über seinen Wortlaut hinaus auch auf die Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB anzuwenden ist (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., § 817 Rn. 11; BGH NJW-RR 1993, 1457, 1458) und den Grundsatz verkörpert, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetzes- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH NJW 2013, 401, 403), steht dem Rückforderungsverlangen des Klägers nicht entgegen. Ein die Kondiktionssperre auslösender Gesetzesverstoß des Klägers liegt hier in Ermangelung des Vorliegens der notwendigen subjektiven Voraussetzungen nicht vor. Als Verbotsgesetz greift hier nicht § 4 Abs. 4 GIüStV 2012, da derKläger als Spieler nicht Adressat dieser Regelung ist (LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 49; Hendricks/Lüder, VuR 2021, 333, 335).
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger vorliegend durch seine Teilnahme an dem illegalen Glücksspielangebot der Beklagten die objektiven Voraussetzungen des § 285 StGB erfüllt hat. Denn die Rechtsschutzversagung des § 817 S. 2 BGB aus generalpräventiven Erwägungen ist nur gerechtfertigt, wenn daneben auch gewisse subjektive Voraussetzungen vorliegen. Hier ist mindestens zu fordern, dass sich der Leistende der Einsicht in den Gesetzesverstoß, also hier in den Verstoß gegen § 285 StGB, leichtfertig verschlossen hat (BGH NJW 2013, 401 Rn. 27; BGH NJW 1989, 3217, 3218; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2022, 12872 Rn. 50; BeckOK-BGB/Wendehorst, Stand 01.05.2022, 8 817 Rn. 16; MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., § 817 Rn. 87; enger LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 51 ff., das Vorsatz hinsichtlich der Illegalität des Glücksspiels fordert). Die Beweislast für diese rechtshindernde Einwendung trägt die Beklagte (OLG Frankfurt a. M: BeckRS 2022, 12872 Rn. 50; LG Hamburg BeckRS 2022, 993 Rn. 34). Dass der Kläger sich der Illegalität des von der Beklagten angebotenen Glückspiels leichtfertig verschlossen hat, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht; auch seine persönliche Anhörung hat dafür keine Anhaltspunkte erbracht. Es ist von einem Verbraucher nicht ohne weiteres zu erwarten, dass er die Rechtslage in Hinblick auf Online-Glücksspiel kennt, zumal die Beklagte selbst in ihrer Klageerwiderung vorträgt, ihr Angebot sei nicht illegal und insbesondere von den zuständigen Behörden geduldet gewesen. Wenn selbst die Beklagte von der Legalität des Angebots ausgeht, muss der Kläger als Verbraucher erst recht nicht wissen, dass die Teilnahme an dem von der Beklagten veranstalteten Glücksspiel illegal ist. Die Frage der Legalität von Online-Glücksspielen war in den Jahren von 2014 bis 2019 in der öffentlichen Diskussion auch nicht derart präsent und insbesondere nicht derart eindeutig geklärt, dass sich dem Kläger die Illegalität des Angebots der Beklagten deswegen hätte aufdrängen müssen.
Davon, dass es allgemein bekannt war, dass Online-Glücksspiel in allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein generell verboten und nicht genehmigungsfähig war, kann im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausgegangen werden (a.A. LG München | BeckRS 2021, 11488 Rn. 32). Das Unterlassen einer Internetrecherche vor dem Nutzen einer den Eindruck der Legalität vermittelnden Websites begründet noch kein leichtfertiges Verschließen vor der Illegalität des Glücksspiels. Von einem offensichtlichen Aufdrängen der Illegalität kann nicht gesprochen werden, wenn es zur Klärung dieser Frage zunächst noch einer Recherche bedarf. Der Verbraucher kann grundsätzlich davon ausgehen, dass Angebote, die er über die „normalen“ Suchmaschinen im Internet findet, auch legal sind, zumal die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag auf ihrer Website damit wirbt, über eine Glücksspielerlaubnis nach gibraltarischem Recht zu verfügen (und das Vertragsverhältnis zudem in ihren AGB allein gibraltarischem Recht unterstellen will). Dies vermittelt dem Verbraucher den Eindruck von Legalität. Eine Kenntnis oder ein leichtfertiges Verschließen lässt sich auch nicht aus den von dem Kläger vor der Spielteilnahme akzeptierten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten herleiten, die in Nr. 2.1 eine Klausel enthält, wonach die Spieler mit dem Akzeptieren der AGB bestätigen, dass ihnen die Nutzung laut geltendem Recht in ihrem Land erlaubt ist und sie die Dienste der Beklagten nicht „von (...) Baden Württemberg (...) oder einem anderen Gebiet aus nutzen, in dem es zum Zeitpunkt der Bezahlung eines Einsatzes oder der Teilnahme an einem Spiel nicht rechtmäßig ist, Online-Glücksspiele zu spielen“. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher AGB tatsächlich liest, bevor er sie akzeptiert (LG Aachen BeckRS 2021, 36592 Rn. 23). Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus und hat dementsprechend einen Schutz vor überraschenden Klauseln geschaffen (vgl. BT-Drs. 7/3919, 19). In dem Nichtlesen der AGB liegt ebenfalls kein leichtfertiges Verschließen vor der Illegalität. Es kann von einem Verbraucher nicht erwartet werden, dass er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen liest, um sich von der Legalität des ihm ohne Hindernis zugänglichen Angebots des Betreibers der Internetseite zu überzeugen. Der Verbraucher muss grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass ein ansonsten den Eindruck von Legalität vermittelnder Online-Dienst, der von seinem Land aus unproblematisch über „normale“ Suchmaschinen erreichbar ist und bei dem man sich von dem Wohnort aus unproblematisch anmelden kann, in den AGB einen Hinweis auf die Illegalität des Angebots enthält. Vielmehr kann der Verbraucher erwarten, dass der Anbieter dafür Sorge trägt, dass auch ohne genaues Lesen der AGB erkennbar ist, dass das Angebot aus bestimmten Ländern nicht genutzt werden darf (a.A. LG Duisburg BeckRS 2016, 140146 Rn. 32). Die durchgeführte Anhörung des Klägers zu der Frage der Kenntnis von der Illegalität der Spielteilnahme hat nichts anderes ergeben.
Aufgrund des Fehlens der subjektiven Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB kann dahinstehen, ob die Norm bei illegalem Glücksspielangebots zugunsten des Leistenden teleologisch zu reduzieren ist (bejahend LG Bochum BeckRS 2022, 9616 Rn. 19; LG Gießen BeckRS 2021, 7521 Rn. 24; LG Aachen BeckRS 2021, 36592 Rn. 26; LG Köln BeckRS 2021, 32804 Rn. 63; verneinend LG München | BeckRS 2021, 11488 Rn. 33; LG Bonn BeckRS 2021, 44724 Rn. 29; LG Wuppertal BeckRS 2021, 51895 Rn. 18). Ebenso kann dahinstehen, ob § 817 S. 2 BGB in entsprechender Anwendung der §§ 827 f. BGB Deliktsfähigkeit voraussetzt (bejahend MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl., § 817 Rn. 88; Hendricks/Lüder, VuR 2021, 333, 337f.) und ob diese bei dem Kläger mit Blick auf die von ihm behauptete Spielsucht vorlag.
f.
Eine Saldierung des Anspruchs des Klägers nach der Saldotheorie mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen der Beklagten findet nicht statt. Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger durch die Teilnahmemöglichkeit und die Gewinnchance, die sich nicht verwirklicht hat und deren Wertigkeit aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrags zweifelhaft ist (vgl. dazu BGH NJW 1962, 1671, 1672: LG Waldshut-Tiengen BeckRS 2021, 26917 Rn. 46), einen kondizierbaren vermögenswerten Vorteil erlangt hat, da ein etwaiger Bereicherungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger jedenfalls an § 817 S. 2 BGB scheitert. Die Beklagte hat durch ihre Leistung, sofern es sich bei der Eröffnung der Gewinnmöglichkeit überhaupt um eine solche handelt, gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sowie gegen § 284 StGB verstoßen und dabei die subjektiven Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB erfüllt. Eine teleologische Reduktion zugunsten der Beklagten als Anbieterin des Glücksspiels kommt nicht in Betracht (Hendricks/Lüder, VuR 2021, 333, 337; Kemper, Verbotenes Online-Glücksspiel und verbotene Zahlungen, S. 204). Aus diesen Gründen geht auch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung ins Leere.
g.
Der Anspruch des Klägers für den geltend gemachten Zeitraum von 2014 bis 2019 ist nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dass der Kläger bereits im Jahr 2017 oder vorher Kenntnis von der Illegalität des von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiels hatte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Auch eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers kann nicht angenommen werden. Eine solche wird durch den Hinweis in den AGB der Beklagten nicht begründet. Die Klage ist noch im Jahr 2021 eingereicht und in Anbetracht der Erforderlichkeit einer Auslandszustellung noch „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO zugestellt worden.
3.
Dahinstehen kann, ob sich der Anspruch auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ergibt, und damit insbesondere die Frage, ob es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 um ein Schutzgesetz handelt (bejahend LG Aachen BeckRS 2021, 20002 Rn. 35; zweifelnd LG München | BeckRS 2021, 11488 Rn. 39ff.) und ob die verlorenen Einsätze einen Schaden im Sinne der Differenzhypothese darstellen (bejahend LG Aachen BeckRS 2021, 20002 Rn. 38; verneinend LG Wuppertal BeckRS 2021, 51895 Rn. 21; LG Hildesheim BeckRS 2020, 48282 Rn. 4).
4.
Der geschuldete Betrag ist gemäß §§ 291, 288 BGB seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Datum der Verkündung: 03.02.2022
Gericht: Landgericht Bielefeld
Spruchkörper: 6. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 6 O 231/20
ECLI: DE:LGBI:2022:0203.6O231.20.00
Vorinstanz: keine
Der Kläger aus Bielefeld nahm von Juni 2018 bis März 2020 an Online Glücksspielen der Online Casino Anbieterin ElektraWorks Ltd. teil. Der Spieler leistete insgesamt Einzahlungen in Höhe von 120.315,00 € an Bwin und erhielt Auszahlungen in Höhe von 63.115,14 €. Daraus ergibt sich ein Verlust i.H.v. 57.199,86 € durch verbotene Online Casino Spiele. Die ElektraWorks Ltd. hat ihren Sitz in Gibraltar. Das Angebot von Bwin erfolgte im Internet in deutscher Sprache trotz fehlender deutscher Glücksspiel-Lizenz.
Das Landgericht Bielefeld sprach sich für einen Rückzahlungsanspruch zugunsten des Spielers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.H.v. 57.199,86 € gegen die Beklagte aus. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Der Rahmenvertrag und die Spielverträge zwischen der ElektraWorks Ltd. und dem Kläger sind deshalb gemäß § 134 BGB nichtig. Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund.
Deutsches Recht ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO anwendbar. Bei Verträgen mit Verbrauchern ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Ziffer 24 der AGB der Beklagten besagt, dass die vorliegenden Verträge dem Recht von Gibraltar unterliegen und entsprechend ausgelegt werden. Daraus ergibt sich jedoch keine anderslautende Vereinbarung im Rahmen einer Rechtswahl i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO. Es handelt sich hierbei um eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da ein Hinweis auf weiterhin anwendbare zwingende Vorschriften des deutschen Rechts fehlt. Die Ziffer 24 der AGB ist damit unwirksam und deutsches Recht anwendbar.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Kläger ist Verbraucher i.S.v. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Die Beklagte richtet ihre gewerbliche Tätigkeit auf den Mitgliedstaat Deutschland aus. Die Zivilkammer ließ sich von der Darstellung der Beklagten insoweit nicht überzeugen, dass der Kläger nicht als Verbraucher an den von ihr angebotenen Spielen teilgenommen habe. Eine hohe Einsatzsumme allein ist insoweit nicht ausreichend, um eine Gewerbsmäßigkeit anzunehmen. Auch konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass der Kläger nicht aus seiner Wohnung in Deutschland heraus an den Spielen teilgenommen habe.
Das Landgericht Bielefeld folgt der Ansicht des OLG Hamm (Beschluss v. 12.11.2021, I-12 W 13/21), dass das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. in Einklang mit dem Unionsrecht steht. Eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV ist nicht gegeben. Nach der Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrag 2021 besteht die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Online-Glücksspiele gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021. Eine deutsche Lizenz besaß die ElektraWorks Ltd. aber nicht. Das Angebot des Online Casino Anbieters ist deshalb weiterhin verboten.
Das Landgericht führte überdies aus, dass dem Anspruch eine Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB nicht entgegensteht. Dafür hätte die Beklagte hinreichend darlegen und beweisen müssen, dass der Kläger selbst durch seine Teilnahme am illegalen Glücksspiel gegen § 285 StGB verstoßen habe. Voraussetzung ist eine vorsätzliche verbots- oder sittenwidrige Handlung des Klägers. Das bedeutet, der Leistende müsste positive Kenntnis von dem Gesetzesverstoß haben. Bloßes Kennenmüssen des Verbots oder grob fahrlässiges Handeln gegen ein gesetzliches Verbot genügen nicht. Dem bewusst Handelnden steht gleich, wer sich dieser Kenntnis leichtfertig verschlossen hat. Die Beklagte bejahte dies mit der Zustimmung zu ihren AGB und der Präsenz in den Medien. Die AGB der Beklagten wiesen darauf hin, dass die Services nur dann genutzt werden dürfen, wenn die Nutzung laut geltendem Recht im jeweiligen Land erlaubt ist. Der Kläger erklärte glaubhaft, er habe die AGB nicht gelesen, sondern lediglich angeklickt, um spielen zu können. Die Existenz des § 305c BGB verdeutlicht, dass Privatpersonen AGB in der Regel nur flüchtig überfliegen. Die Präsenz in den Medien ist ebenfalls nicht ausreichend für einen Nachweis der Kenntnis des Klägers. Die Beklagte konnte keine konkreten Anhaltspunkte liefern, dass der Kläger die Diskussionen in den Medien tatsächlich wahrgenommen habe.
Darüber hinaus führte das Landgericht Bielefeld aus, die Beklagte habe durch ihren Internetauftritt den Eindruck der Legalität vermittelt. Die Anmeldung erfolgte unter Angabe des deutschen Wohnortes des Klägers.
Ein leichtfertiges Verschließen liegt nach dem BGH vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist. Die Illegalität des Online-Glücksspiels ist für einen Laien schwer zu erkennen, obwohl sie rechtlich eindeutig ist. Da Glücksspiele in Spielbanken erlaubt sind, könnte es für einen Laien schwer nachvollziehbar sein, weshalb gerade Online Glücksspiele verboten sein sollen. Der Gesetzgeber erkennt dabei anders als der Laie die Gefahren im Online-Glücksspiel: ständiger Zugang, fehlende soziale Kontrolle und Anonymität im Internet. Es handelt sich um eine rechtspolitische Wertung, die für den Laien nicht offenkundig sein muss. Eine Rückforderung ist nicht gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
Ein Ausschluss ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB wegen Rechtsmissbräuchlichkeit. Die Beklagte kann sich nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen, da sie ohne eine deutsche Lizenz selbst gesetzeswidrig gehandelt habe.
Die Rückforderung ist auch nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB nicht ausgeschlossen, da die Norm nur greift, wenn ein wirksamer Vertrag vorliegt.
Es kann dahinstehen, ob ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. bzw. § 284 StGB besteht.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlungen von Einzahlungen nach Teilnahme an seiner Ansicht nach unerlaubt angebotenem Online-Glücksspiel in Anspruch.
Er nahm von Juni 2018 bis März 2020 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten https://xxx an Online Glücksspielen (Casinospielen) teil unter Verwendung seines Nutzernamens A.B.. Auch vor diesem Zeitraum nahm der Kläger an Glücksspielen der Beklagten teil, die er aber nicht zum Gegenstand dieses Rechtsstreits macht.
Die Beklagte besitzt eine in Gibraltar erteilte Erlaubnis für Online-Glücksspiel.
Bei der Anmeldung hat der Kläger durch "Anklicken" sein Einverständnis mit den derzeit geltenden AGB der Beklagten erklärt, die auf deren Internetseite veröffentlicht sind.
Der Kläger zahlte im hier gegenständlichen Zeitraum vom 07.12.2019 bis zum 29.03.2020 120.315,00 € an die Beklagte und erhielt Auszahlungen in Höhe von 63.115,14 €. Die Abbuchungen erfolgten über das in Deutschland geführte Girokonto des Klägers. Die konkreten Ein- und Auszahlungen hat die Beklagte dem Kläger nach einem Antrag nach § 15 Abs. 1 DSGVO übermittelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Aufstellung im Schriftsatz vom 19.04.2021 Bezug genommen.
In den AGB heißt es in Ziff. 24: "Die vorliegenden Verträge unterliegen dem Recht von Gibraltar und werden entsprechend ausgelegt."
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der Verluste nach erfolgter Saldierung für den Zeitraum vom 07.12.2019 bis zum 29.03.2020.
Der Kläger behauptet, von etwaigen Medienberichten über eine Diskussion über die Legalität von Online-Glücksspiel nichts mitbekommen zu haben. Er sei davon ausgegangen, dass seine Teilnahme legal sei. Er habe nur von seiner Wohnung in Enger aus an Online-Glücksspielen teilgenommen.
Er ist der Ansicht, der zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvertrag und die Spielverträge seien gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 4 IV GlüStV a.F. nichtig. Eine Rückforderung sei nicht gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, da er über die Legalität der Spielteilnahme getäuscht worden sei, hilfsweise sei die Norm teleologisch zu reduzieren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 57.199,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da es an der internationalen Zuständigkeit fehle, da der Kläger nicht als Verbraucher an den von ihr angebotenen Spielen teilgenommen habe. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass er ausschließlich aus seiner Wohnung in Deutschland heraus an den Spielen teilgenommen habe.
Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, da deutsches Recht aufgrund der ihrer Ansicht nach wirksamen Rechtswahlklausel in ihren AGB nicht anwendbar sei.
Sie behauptet, im Zeitraum von Juni 2018 bis März 2020 habe der Kläger insgesamt 305.780,00 € eingezahlt und Auszahlungen in Höhe von 330.156,00 € erhalten. Über alle seine Accounts hinweg habe sich jedoch ein Verlust in Höhe von 18.024,00 € ergeben.
Sie ist der Ansicht, dass ein Verstoß gegen § 4 IV GlüStV a.F. nicht vorliege, da dieser gegen Art.56 AEUV verstoße, da sie an ihrem Sitz in Gibraltar über eine Erlaubnis verfüge, aber an ihrem Angebot in Deutschland behindert werde.
Jedenfalls sei eine Rückforderung gem. §817 S. 2 BGB ausgeschlossen, da der Kläger Kenntnis von der Illegalität seiner Teilnahme am von ihr angebotenen Online-Glücksspiel hatte bzw. sich dieser Kenntnis leichtfertig verschlossen habe. Diese Kenntnis ergebe sich u.a. aus ihren AGB, die zum Zeitpunkt der Teilnahme des Klägers wie folgt gelautet hätten:
"Sie dürfen die Services nur dann nutzen, wenn Sie 18 Jahre sind (...) und wenn Ihnen diese Nutzung laut geltendem Recht in Ihrem Land erlaubt ist. Sie bestätigen hiermit, dass Sie unsere Services nicht von den Vereinigten Staaten, Polen oder einem anderen Rechtsgebiet aus nutzen, in dem es zum Zeitpunkt der Bezahlung eines Einsatzes oder der Teilnahme an einem Spiel nicht rechtmäßig ist, Online-Glücksspiele zu spielen. (...)."
Des Weiteren ergebe sich eine Kenntnis des Klägers aus einer Diskussion über die Legalität von Online-Glücksspiel in den Medien, die der Kläger wahrgenommen haben müsste.
Eine Rückforderung sei auch treuwidrig, da so ein risikoloses Spiel ermöglicht werde. 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist der Beklagten am 13.11.2020 zugestellt worden.
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ergibt sich aus Art.18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Kläger ist Verbraucher i.S.v. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2022 glaubhaft erklärt, er sei Gelegenheitsspieler gewesen. Entgegenstehende Anhaltspunkte hat die Beklagte nicht dargelegt, eine hohe Einsatzsumme allein ist insoweit nicht ausreichend um eine Gewerbsmäßigkeit anzunehmen. Des Weiteren hat der Kläger in seiner Anhörung bestätigt, ausschließlich aus seiner Wohnung in Enger heraus an den Spielen teilgenommen zu haben. Auch diesbezüglich hat die Beklagte keine entgegenstehenden Anhaltspunkte dargelegt.
II.
Die Klage ist begründet.
1.
Gem. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO ist deutsches Recht anwendbar. Danach ist bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also Deutschland.
Aus Ziff. 24 der AGB der Beklagten ergibt sich keine anderslautende Vereinbarung im Rahmen einer Rechtswahl i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO, da diese ohne Hinweis auf weiterhin anwendbare zwingende Vorschriften des deutschen Rechts gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB den Verbraucher unangemessen benachteiligt und somit unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil v. 19.07.2012 - I ZR 40/11).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO, da Art. 6 Rom-I-VO eine für Verbraucher vorrangige Sondervorschrift darstellt (vgl. Thorn, in: Grüneberg BGB, 81. Aufl. 2022, Rom I 4 Rn. 6).
2.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des im Tenor genannten Betrages aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte.
a.
Die Beklagte hat im Zeitraum vom 07.12.2019 bis zum 29.03.2020 Einzahlungen in Höhe von 120.315,00 € erlangt, wohingegen lediglich 63.115,14 € ausgezahlt wurden. Die Höhe der Einzahlungen hat der Kläger detailliert tabellarisch im Schriftsatz vom 19.04.2021 dargelegt. Nach Saldierung hat die Beklagte somit 57.199,86 € in diesem Zeitraum erlangt. Dass der Kläger bei Zugrundelegung eines darüber hinausgehenden Zeitraums von Juni 2018 bis März 2020 und erfolgter Saldierung insgesamt einen geringeren Verlust in Höhe von 18.024,00 € erlitten habe, hat die Beklagte bereits nicht hinreichend dargelegt.
Sie hat keinerlei nachvollziehbares Zahlenwerk dargelegt aus dem sich ein Verlust von 18.024,00 € ergibt, obwohl ihr dies unproblematisch möglich gewesen wäre, was sich bereits daraus ergibt, dass der Kläger seine Zahlen nach einem DSGVO-Auskunftsbegehren von der Beklagte erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, woher die von der Beklagten genannten Zahlen stammen und auf welche Accounts des Klägers sie jeweils entfallen. Der genannte Verlustbeitrag über alle Accounts hinweg ist insbesondere im Hinblick auf die zuvor genannten Auszahlungen, die die Einzahlungen überstiegen haben sollen, mangels Aufschlüsselung nicht nachvollziehbar.
b.
Dies geschah durch Leistung des Klägers, also ziel- und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zur Erfüllung einer zumindest vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit, indem dieser seien Verpflichtung aus dem Spielvertrag erfüllen wollte.
c.
Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, da der Rahmenvertrag und die Spielverträge wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. gem. § 134 BGB nichtig sind. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Gegen diese Verbotsnorm hat die Beklagte verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen zugänglich gemacht hat.
Nach zutreffender Auffassung des OLG Hamm (Beschluss v. 12.11.2021,I-12 W 13/21), der die Kammer folgt, steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. in Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil v. 28.09.2011, MDR 2012, 350, BVerwG, Urteil v. 26.10.2017, BVerwGE 160,193). Eine Verletzung von Art. 56 AEUV liegt nicht vor. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 S. 1 GlüStV 2021, eine solche in Deutschland gültige Erlaubnis besaß die Beklagte aber nicht. Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 S.2 GlüStV 2021. Darüber hinaus ist hier für die Frage der Nichtigkeit auf den Zeitraum 2019 - 2020 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (BGH GRUR 2012, 1050, Rn. 21; BGH WM 2003, 1131; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250). Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben wird (OLG Hamm, Beschluss v. 12.11.2021, I-12 W 13/21, BGH WuM 2007, 440). Dies war hier indes nicht der Fall.
d.
Dem Anspruch steht eine Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB nicht entgegen, denn die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass der Kläger selbst durch seine Teilnahme am illegalen Glücksspiel gegen § 285 StGB verstoßen hat.
Für das Vorliegen einer vorsätzlichen verbots- oder sittenwidrige Handlung des Klägers ist subjektiv erforderlich, dass der Leistende positive Kenntnis von dem Gesetzesverstoß hat (Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 817 Rn. 8, 17). Bloßes Kennenmüssen des Verbots und selbst grob fahrlässiges Handeln gegen ein gesetzliches Verbot genügen nicht (Sprau, in: Grüneberg, a.a.O.). Wer allerdings leichtfertig vor dem Verbotensein seines Handelns die Augen verschließt, steht dem bewusst Handelnden gleich, wobei ein Bewusstsein der bzw. leichtfertiges Verschließen vor der Folge der Vertragsnichtigkeit nicht notwendig ist (BGH NJW 89, 3217; OLG Stuttgart NJW 2008, 3071, LG Aachen, Urteil v. 28.10.2021, 12 O 510/20). Die Beweislast trägt der Bereicherte (Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81 Aufl. 2022, § 817 Rn. 24).
Die erforderliche Kenntnis des Klägers ergibt sich nicht aus den AGB der Beklagten, die über ihre Website abrufbar sind. Der Kläger hat jedoch glaubhaft erklärt, dass er die AGB nicht abgerufen und gelesen hat, sondern nur angeklickt hat, ihnen zuzustimmen, um spielen zu können. Gegenteilige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die AGB positiv zur Kenntnis genommen hat, hat die Beklagte nicht dargelegt. Es ist vielmehr üblich, dass Privatpersonen AGB in der Regel höchstens flüchtig lesen, was auch der Gesetzgeber erkannt hat, wie die Existenz des § 305c BGB, wonach ungewöhnliche Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden, verdeutlicht: § 305c Abs. 1 BGB beruht auf der Überlegung, dass der Kunde die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB, die ihm gem. § 305 Abs. 2 BGB verschafft werden muss, oft nicht nutzt, etwa weil er das Klauselwerk als Ganzes ungelesen akzeptiert (vgl. LG Aachen, Urteil v. 28.10.2021, 12 O 510/20, BT-Drs. 7/3919, 19; Basedow, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 305c Rn. 1).
Zudem kann auch nicht allein die Existenz dieser AGB dazu führen, dass von einem leichtfertigen Verschließen des 50 Zudem kann auch nicht allein die Existenz dieser AGB dazu führen, dass von einem leichtfertigen Verschließen des Klägers vor der Illegalität des Online-Glücksspiels auszugehen ist, da der Anbieter so im Ergebnis ohne das Risiko einer evtl. Rückforderungsmöglichkeit agieren könnte. (vgl. LG Aachen, Urteil v. 28.10.2021, 12 O 510/20 m.w.N.)
Im Übrigen ergibt sich auch aus den AGB nicht eindeutig, dass die Teilnahme am Online-Glücksspiel im Heimatland des Klägers verboten ist, sondern dass dieser eigene Nachforschungen hierzu anzustellen habe.
Diesbezüglich ist der Vortrag der Beklagten widersprüchlich, wenn sie vorliegend im Prozess die Ansicht vertritt, dass ihr Angebot legal gewesen sei, der Kläger bei einer Überprüfung aber zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass das Gegenteil der Fall sei. Der Beklagten als Betreiberin hätte es auch freigestanden, konkret zu benennen, von welchen Orten aus eine Spielteilnahme illegal ist.
Die Kenntnis ergibt sich auch nicht daraus, dass das Verbot von Online-Glücksspielen in den Medien und auch in sozialen Netzwerken vermehrt diskutiert wurde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, wann in welchen Medien konkret berichtet wurde und Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Diskussion wahrgenommen hat, hat die Beklagte nicht dargelegt. Aber auch bei Kenntnis von der Diskussion kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Kläger die für einen Laien undurchsichtige Rechtslage durchschauen und zu dem eindeutigen Ergebnis hätte kommen können, dass seine Teilnahme am Online-Glücksspiel der Beklagte illegal war.
Darüber hinaus vermittelte die Beklagte durch ihren Internetauftritt den Eindruck der Legalität. Der Kläger konnte sich ohne Weiteres unter Angabe seines Wohnortes zum Glücksspiel anmelden.
Eine Kenntnis kann auch nicht aus der Eindeutigkeit der Illegalität des Online-Glücksspiels gefolgert werden.
Der BGH stellt im Rahmen der Beurteilung eines leichtfertigen Verschließens darauf ab, ob die Rechtslage eindeutig ist (BGH NJW-RR 06, 1071). Im vorliegenden Fall mag die Illegalität des Online-Glücksspiels für einen Laien mitunter schwer zu erkennen sein, sie ist dennoch rechtlich eindeutig. Allerdings sollte an dieser Stelle beachtet werden, dass Glücksspiele in Spielbanken erlaubt sind. Dass der Gesetzgeber im Online-Glücksspiel besondere Gefahren erkennt aufgrund des ständigen Zugangs, einer fehlenden sozialen Kontrolle und der Anonymität des Internets, ist eine rechtspolitische Wertung, die für den Laien nicht offenkundig sein muss. Nach Ansicht der Kammer spricht auch der Umstand, dass der Kläger über mehrere Jahre an dem Online-Glücksspiel teilnehmen konnte, eher dafür, dass er von dessen Legalität ausgehen durfte, da davon auszugehen ist, dass ein Verbot über die Jahre umgesetzt worden wäre.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob § 817 S. 2 BGB in Fallgestaltungen wie den hier vorliegenden dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass eine Rückforderung nicht ausgeschlossen ist.
e.
Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht gem. § 242 BGB wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen. Die Beklagte kann sich nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen, da sie selbst gesetzeswidrig gehandelt hat, indem sie ohne Konzession über eine aus Deutschland aus erreichbare Internetdomain Online-Casino-Spiele für Verbraucher aus Deutschland angeboten hat.
f.
Auch nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Rückforderung nicht ausgeschlossen. Es liegt zwar ein Glücksspiel vor, die Norm greift aber nur, wenn ein wirksamer Vertrag vorliegt. Daran fehlt es hier, sodass es bei den allgemeinen Regeln bleibt
3.
Insofern kann dahinstehen, ob ein Anspruch sich auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. bzw. § 284 StGB ergibt.
4.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. 68
IV.
Der Streitwert wird auf 57.199,86 € festgesetzt.
Datum der Verkündung: 12.01.2022
Gericht: Landgericht Hamburg
Spruchkörper: 19. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 319 O 85/21
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Innerhalb von zwei Jahren (2018-2020) hat der Kläger aus Hamburg an die Beklagte insgesamt Einzahlungen i.H.v. 61.618,45 € geleistet, indem er verbotene Casinospiele wie Roulette, Black Jack und Slots spielte. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Online-Glücksspielanbieter, der in Malta ansässig ist. Das Angebot über die Website erfolgte zwar in deutscher Sprache, allerdings ohne Glücksspiellizenz für das Bundesland Hamburg.
Das Landgericht Hamburg entschied kraft Urteil, dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.H.v. 61.618,45 € gegen die Beklagte zusteht. Die geschlossenen Spielverträge zwischen dem Spieler und dem Casino seien aufgrund des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig. Nach dem damaligen Glücksspielstaatsvertrag ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Online-Glücksspiele illegal. Daher erfolgten die Zahlungen des Klägers an die Beklagte ohne rechtlichen Grund, was eine Rückforderung der Verluste aus Klägersicht möglich macht.
Darüber hinaus beruft sich der Kläger auf einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV, der auf Schadensersatz gerichtet ist. Grundlage des Anspruchs soll die unerlaubte Handlung in Form des verbotenen Veranstaltens und Vermittelns von öffentlichen Glücksspielen im Internet sein. Die Beklagte bestreitet dies mit dem Argument, dass § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV bereits kein Schutzgesetz sei, weil es nicht konkret den Schutz eines anderen bezweckt, sondern lediglich dem des Allgemeinwohl dient. Das Landgericht äußert sich diesbezüglich nicht. Damit bleibt weiterhin offen, ob solch ein deliktischer Anspruch besteht.
Die Anwendung deutschen Rechts lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 ROM I - VO schließen. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergebe sich aus Art. 17 Abs. 1 Nr. 1c), 18 EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus dem Vertrag verklagen, wenn dieser in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Weg ausrichtet. Die Kammer ließ sich von der Darstellung der Beklagten insoweit nicht überzeugen, dass sich ihr Angebot ausschließlich an die deutschsprachige Community aus Malta richtete.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei § 4 Abs. 4 GlüStV unionsrechtskonform und mit der in Art. 56 f. AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit sowie der Verfassung vereinbar. Dabei beruft sich das Landgericht unter Anderem auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 03.07.2019 (Az.: 9 U 1359/18) und schließt sich deren Ausführungen vollumfänglich an. Insbesondere dahingehend, dass ebenfalls kein Verstoß gegen das Kohärenzgebot festzustellen sei, denn die Grundfreiheiten verpflichten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtlichen Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen.
Das Landgericht führte überdies aus, dass eine Rückforderung der Beträge nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Etwaige Strafbarkeitserwägungen können solange dahinstehen, soweit die Beklagte keine Nachweise erbringt, dass dem Kläger die Illegalität bekannt gewesen sei.
Mit Verweis auf Rechtsprechung des Landgerichts Paderborn vom 24.09.2021 (Az.: 4 O 424/20) sieht das erkennende Landgericht die Einschränkung der Anwendung des § 817 S. 2 BGB dahingehend als notwendig, als der gänzliche Ausschluss der Rückforderung beim Empfänger des Geldes Vorschub für weitere gesetzeswidrige Handlungen leisten würde. Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Präventionszweck des § 4 Abs. 4 GlückStV.
Das Übergehen der Kondiktionssperre aus § 817 S. 2 BGB würde die Verbotsnorm ohne weiteres umgehen und auch hier Anreize zum weiteren Betrieb des unerlaubten Online-Glücksspiel bieten. Den Spieler selbst darf die Strafbarkeit nach § 285 StGB nicht besser stellen, als die Rückforderungssperre aus § 762 BGB. Letzteres kommt in diesem Rahmen so oder so nicht zur Anwendung, da es an einem wirksamen Vertrag fehlt.
Auch eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens und eine anschließende Vorlage beim EuGH gem. Art. 267 AEUV lehnt das Landgericht Hamburg im Rahmen seines ihm zustehenden Ermessens ab (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2021, Az.: I ZR 199/20)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.618,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. aus 61.360,45 € seit dem 07.01.2021 und auf 258,00 € seit dem 01.07.2021 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 61.618,45 € festgesetzt.
Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Einzahlungen, die er im Rahmen von Glücksspielen auf der Internetseite der Beklagten getätigt hat.
Die Beklagte, ein in M. ansässiges Unternehmen, betreibt eine Internetseite unter der Domain https:// s..com/. Auf dieser Seite veranstaltet sie öffentliche Glücksspiele im Internet; dabei sind auch die klassischen Casinospiele wie Roulette, Black Jack und Slots im Angebot enthalten. Die Beklagte verfügt über eine Lizenz der Glücksspielaufsichtsbehörde von M., indes nicht für das Bundesland Hamburg. Die Internetseite ist auf Deutsch verfügbar, es finden sich in deutscher Sprache verfasste Werbetexte, Datenschutzhinweise auf Deutsch, FAQ auf Deutsch sowie ein deutscher Kundensupport. Auf die Anlage K 1 wird verwiesen.
Die AGB der Beklagten, mit denen man sich im Rahmen des Registrierungsprozesses einverstanden erklärt, lauten unter Ziffer 4.2 auszugsweise wie folgt: "Wir geben keinerlei Garantien oder Zusicherungen darüber, ob Ihr Zugriff und/oder Ihre Verwendung der Website die in der Rechtsordnung, in der Sie ansässig sind, geltendem Recht entsprechen, und Sie garantieren, dass Online-Glücksspiele in Ihrer Rechtsordnung nicht illegal sind."
Ziffer 4.4 der AGB lautet wie folgt: "Erfolgt ein Versuch, ein Konto zu eröffnen oder die Website zu verwenden, aus jeglicher anderen Rechtsordnung, ist der Spieler dafür verantwortlich, zu überprüfen, ob Glücksspiele in dieser bestimmten Rechtsordnung legal sind. Sie sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass Sie alle geltenden Rechte über Online-Glücksspiele in dem Land, in dem Sie sich befinden und/oder ansässig sind, einhalten. Sie dürfen nicht auf diese Website zugreifen und/oder ein Konto eröffnen, wenn Sie sich einer Rechtsordnung befinden, in der Online-Glücksspiele verboten sind; noch dürfen Sie dies, wenn Sie ein Bürger eines Landes sind, das Bürgern ungeachtet ihres Standortes Online-Glücksspiele verbietet."
Der Kläger spielte vom H. aus auf der Internetseite der Beklagten in Deutschland verbotene Casinospiele. In dem Zeitraum vom 09.01.2018 bis zum 08.01.2020 leistete er unter dem Kundenkonto zu seiner E-Mail-Adresse an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 127.934,00 €. Der Kläger erhielt Auszahlungen in Höhe von 66.315,55 €. Er verspielte einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.618,45 €. Dieser Betrag wird mit der Klage geltend gemacht.
Mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten (Anlage K 9) wurde die Beklagte aufgefordert, die dort genannte Forderung bis spätestens zum 06.01.2021 zu erstatten. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.
Der Kläger trägt vor, er sei davon ausgegangen, dass es sich um legale Online-Glücksspiele handele. Die Beklagte gebe an, über eine Lizenz zu verfügen und habe ihren Geschäftsbetrieb gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet. Die AGB der Beklagten habe er nicht gelesen.
Der Kläger ist der Ansicht, er könne die Beträge aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen. Daneben stehe ihm auch ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV zu. Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet verboten. Das Online-Glücksspiel weise nämlich ein besonders hohes Gefährdungspotenzial auf. Der einfache und schnelle Zugriff auf das Glücksspielangebot berge ein enormes Risiko, das zeitlich unbeschränkt und ohne jegliche Kontrolle erfolge. Vor diesem Hintergrund habe sich der deutsche Gesetzgeber entschlossen, das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet zu verbieten. Dabei verstoße dieses Online-Glücksspielverbot nicht gegen Art. 56 AEUV. Zwar liege eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit vor, jedenfalls sei dieser Eingriff indes gerechtfertigt. Die besonderen Gefahren der Spielsucht und einer damit einhergehenden Überschuldung würden aufgrund der Anonymität und fehlenden sozialen Kontrolle des Internets begünstigt. Mithin liege ein Verstoß gemäß § 134 BGB vor, sodass er die streitgegenständlichen Beträge zurückfordern könne.
Dem Rückforderungsanspruch stehe auch nicht der Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB entgegen. Würden Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines Anspruches rechtfertigen, stehe dieser selbst demjenigen zu, der selber gegen die guten Sitten verstoßen habe. Vorliegend könne ihm, dem Kläger, aber gar kein Sittenverstoß vorgeworfen werden, denn die Beklagte versuche bewusst den Anschein der Legalität des Online-Casinoangebots zu erwecken. Dementsprechend sei er davon ausgegangen, dass es sich um legales Online-Glückspiel handele. Aber selbst, wenn man unterstellen würde, er, der Kläger, hätte - was nicht ist - gewusst, dass die ausländische Lizenz der Beklagten das Online-Casinoangebot in Deutschland eventuell nicht zu rechtfertigen vermag, reiche dies dennoch nicht aus, denn selbst bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre dränge sich nicht die Erkenntnis auf, zur Leistung nicht verpflichtet gewesen zu sein.
Durch die Anwendung des Rechtsgedankens des Mitverschuldens oder der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB würden sowohl er als auch die Beklagte sowie sämtliche illegale Online-Glücksspielanbieter zum Weitermachen eingeladen. Dies würde dem Schutzzweck des Glücksspielstaatsvertrages widersprechen. Diese Wertung ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BGH zu den sog. "Schenkkreisen". Gerade die Aufrechterhaltung der ungewollten Vermögensverschiebung wäre für die Beteiligten ein Ansporn, das durch den Gesetzgeber nicht gewollte Verhalten fortzuführen. Der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV bestehe gerade darin, übermäßige Ausgaben für das Spielen zu vermeiden, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugend zu schützen. Würde man den Gedanken der Kondiktionssperre anwenden, würde der schwerwiegende Verstoß des Veranstaltens und Vermittelns illegaler Glücksspiele im Internet für die Beklagte völlig folgenlos bleiben. Dies sei jedoch mit den verfolgten Zielen des Glücksspielstaatsvertrages unvereinbar und das Verbotsgesetz würde leerlaufen. Zudem würde der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV ins Leere laufen.
Im Übrigen sei auch ein Schadensersatzanspruch gegeben. Bei § 4 Abs. 4 GlüStV handele sich um ein Schutzgesetz ebenso wie bei § 284 StGB.
Vorsorglich erklärt der Kläger die Aufrechnung mit den Erstattungsansprüchen gegenüber den Ansprüchen auf Rückzahlung der ausgeschütteten Beträge durch die Beklagte.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61.618,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 07.01.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt wie folgt vor: Sie veranstalte Online-Glücksspiele für die deutschsprachige Community auf Malta. Daher seien die Datenschutzhinweise und die FAQ ebenso wie die Werbetexte und der Kundensupport auf Deutsch. Sie verwende aber gerade keine Domain mit der Endung ".de", weil sich das Angebot nicht an Spieler aus Deutschland richte.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger weder einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB habe. Sie habe bereits kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt. Ein Schutzgesetz im Sinne dieses Paragrafen sei nämlich ein Gesetz, das den Schutz eines anderen bezwecke. Ausreichend sei nicht der Schutz des Allgemeinwohls. Im Übrigen scheitere ein Schadensersatzanspruch auch daran, dass das Verbot aus § 4 Abs. 4 GlüStV unionsrechtswidrig sei. Dieser stelle nämlich einen Eingriff in die europäischen Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV und der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV dar. Dies habe der Gesetzgeber erkannt und das Totalverbot des Internetglücksspiels durch den GlüStV 2021 zum 01.07.2021 gestrichen.
Die hierzu ergangenen Entscheidungen insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2017 seien auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Vielmehr sei zu überprüfen, ob die Tatsachengrundlagen, insbesondere die empirisch basierte Einschätzung der Gefährlichkeit von Online-Glücksspiel unverändert geblieben sei oder nicht.
§ 284 Abs. 1 StGB könne ebenfalls mangels Individualschutzcharakters als Schutzgesetz nicht herangezogen werden. Hinzu komme, dass die Anwendbarkeit dieser Norm fragwürdig sei. Nach dem Territorialitätsprinzip des § 3 StGB gelte das deutsche Strafrecht grundsätzlich nur für Taten, die im Inland begangen werden. Dabei entspreche der Handlungsort gewöhnlich dem Aufenthaltsort des Täters. Für die Veranstaltung von Glücksspiel mit einer europäischen Lizenz aus einem europäischen Mitgliedstaat heraus bedeute dies, dass der Handlungsort im Ausland liege, sofern der Sitz des Veranstalters und dessen Server ebenfalls im Ausland seien.
Im Übrigen habe der Kläger keinen Schaden im Sinne der Differenzhypothese erlitten, weil er die von ihm gewollte Gegenleistung erhalten habe. Der Kläger habe die Möglichkeit der Teilnahme am Glücksspiel und die damit einhergehende Unterhaltung und die Gewinnmöglichkeit erhalten. Sofern er dabei einen Verlust in Höhe der Klageforderung erlitten hat, habe sich darin nur das typische und bei der Teilnahme am Glücksspiel gewollte zufallsabhängige Risiko verwirklicht. Zudem bestehe keine haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Verletzung eines etwaigen Schutzgesetzes und der erlittenen Vermögenseinbuße. Auch wenn sie, die Beklagte, über eine deutsche Lizenz verfügen würde, hätte der Kläger seinen Einsatz verlieren können.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung, denn der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht nichtig. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit seien § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV bereits nicht anzuwenden. Hinzu komme, dass Online-Glücksspiel in Deutschland bereits seit dem 15.10.2020 auf Grundlage eines Umlaufbeschlusses der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020 geduldet werde. Jedenfalls jedoch sei ein Rückforderungsanspruch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Diese Norm sei anwendbar, weil der Kläger bei der Wahrnehmung ihres Glücksspielangebotes gewusst habe, dass die Teilnahme am Online-Glücksspiel aus der Perspektive deutschen Rechts illegal gewesen sei. So habe der Kläger selbst gegen ein gesetzliches Verbot - nämlich § 285 StGB - verstoßen. Dabei habe er auch den subjektiven Tatbestand erfüllt, da der Kläger sich der Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen habe. In ihren AGB, mit welchen sich der Kläger im Rahmen seiner Registrierung auf der Website einverstanden erklärt habe, werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Spieler vor der Anmeldung selbst prüfen müsse, ob das Angebot in seinem Land illegales Glücksspiel darstelle oder nicht. § 817 S. 2 BGB sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht teleologisch zu reduzieren. Durch diese Norm habe der Gesetzgeber davor abschrecken wollen, sich an gesetzeswidrigen Transaktionen zu beteiligen, indem er die erbrachte Leistung als unwiederbringlich und ersatzlos verloren bewertet. Eine Ausnahme könne nur dann gemacht werden, wenn begründet werden könne, dass in Einzelfällen die teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB aus Perspektive der Generalprävention bessere Steuerungsergebnisse als eine Anwendung bringe. Gegen eine teleologische Reduktion spreche ferner, dass derjenige, der an einem illegalen Glücksspiel teilnehme, bessergestellt werde als derjenige, der an einem legalen Glücksspiel teilnimmt: Denn der Spieler könne nach dem Verlust des Einsatzes bei legalem Glücksspiel diesen aufgrund der Wertung der §§ 762,763 BGB, wonach "das aufgrund des Spieles oder der Wette Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat", nicht zurückverlangen. Wäre indes § 817 S. 2 BGB nicht anzuwenden, würde der Teilnehmer an einem illegalen Glücksspiel seine Einsätze immer zurückfordern können, was einen Anreiz zur Glücksspielteilnahme auf dem illegalen Markt schaffen würde und dem Schutzzweck des GlüStV 2012 massiv entgegenstehen würde und aus Spielerschutzgründen höchst problematisch sei. Vorliegend sei daher eher eine Parallele mit den "Schwarzarbeiterfällen" zu ziehen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht international zuständig gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 1c), 18 EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus dem Vertrag verklagen, wenn dieser in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Weg ausrichtet. Im elektronischen Geschäftsverkehr setzt ein Ausrichten auf einen Mitgliedstaat voraus, dass der Gewerbetreibende zum Ausdruck gebracht hat, dass er Geschäfte mit Kunden in dem betreffenden Mitgliedstaat schließen will. Der Wille, mit Kunden eines Staates abschließen zu wollen, ergibt sich danach aus direkten Länderangaben, dem Auftrag an einen Internetreferenzierungsdienst, der Verwendung eines anationalen Domainnamens ("com" oder "eu"), einer Anfahrtsbeschreibung aus bestimmten Mitgliedstaaten, der Werbung mit Bewertungen von Kunden aus bestimmten Mitgliedstaaten, aber auch aus der verwendeten Sprache und der zugelassenen Währung (vgl. Gottwald in: MüKo, ZPO, 6. Auflage 2022, Brüssel Ia-VO, Art. 17, Rn. 11).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Ausweislich der Anlage K 1 ist die Homepage der Beklagten in deutscher Sprache abrufbar. Es gibt auf deutsch formulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, einen entsprechenden Kundendienst und FAQ. Dass die Beklagte dies nur für die deutschsprachige Community aus Malta vorhält, erscheint wenig plausibel und vermag die Kammer nicht zu überzeugen.
II. Die Klage ist auch bis auf einen kleinen Teil der Zinsen begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten die Rückzahlung der begehrten Einzahlung in tenorierter Höhe aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB verlangen (hier zu unter 1.); der Rückforderungsanspruch scheitert nicht an § 817 S. 2 BGB (hierzu unter 2.)
1. Der Kläger kann die Rückzahlung des Betrags in tenorierter Höhe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB verlangen.
a. Gemäß Art. 6 Abs. 1 ROM I - VO ist auf den vorliegenden Fall deutsches Recht anzuwenden. Danach unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) eine solche Tätigkeit auf irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
b. Die Voraussetzungen der Leistungskondiktion sind zu bejahen. Die Beklagte hat die Spieleinsätze des Klägers in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2018 bis Januar 2020 durch dessen Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Vertrag zwischen den Parteien verstößt nämlich gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB und ist daher nichtig gemäß § 134 BGB iVm § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
c. Entgegen der Ansicht der Beklagten erachtet die Kammer diese Norm auch nicht für unionsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV (vgl. KG Berlin, Urteil vom 06.10.2020, Az.: 5 U 72/19, Rn. 41, zitiert nach juris). Das OLG Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 03.07.2019 (Az.: 9 U 1359/18, zu finden unter juris) hierzu folgendes ausgeführt: "Vielmehr ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen (BVerwG NVwZ 2018, 895, beck-online). Es ist allerdings grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen (vgl. EuGH, C-316/07, ECLI:EU:C:2010:504 = Slg. 2010, I-8099 = NVwZ 2010, 1409 - Markus Stoß, und EuGH, C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505 = Slg. 2010, I-8175 = NVwZ 2010, 1422 - Carmen Media). Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. EuGH, C-390/12, ECLI:EU:C:2014:281 = EuZW 2014, 597 = NVwZ 2014, 1003 Ls. - Pfleger; vgl. insgesamt BVErwG NVwZ 2018, 895, beck-online).
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Kohärenzgebot vor. Regelungen im Monopolbereich müssen an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. BVerwGE 147, 47 = NVwZ-RR 2014, 181 Rn. 31 ff., 51 ff. mwN, und BVerwGE 157, 126 [165] = NVwZ 2017, 791). Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen (BVerwG NVwZ 2018, 895; BVerwGE 147, 47 = NVwZ-RR 2014, 181 Rn. 53 u. 55)."
Diesen überzeugenden und ausführlichen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an.
d. Ohne Erfolg führt die Beklagte den Beschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien an. Zum einen wurde dieser zu einem Zeitpunkt gefasst, in dem der Kläger gar nicht mehr auf der Internetseite der Beklagten gespielt hat. Zum anderen handelt es sich um eine Regelung der Exekutive, die nichts an der Beurteilung des § 4 Abs. 4 GlüStV ändert (vgl. KG Berlin, Urteil vom 06.10.2020, Az.: 5 U 72/19, Rn. 52, zitiert nach juris). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Glücksspielstaatsvertrag zum 01.07.2021 geändert worden ist. Das wesentliche Argument für die Liberalisierung ist, dass man mit dem bisherigen Verbot von Online-Glücksspielen den (insbesondere aus dem Ausland) operierenden Schwarzmarkt nicht eindämmen konnte, sondern dieser sogar angewachsen ist mit der Folge, dass die weiterhin geltenden Ziele (u.a. Glücksspielsuchtbekämpfung, Kanalisierung, Schwarzmarktbekämpfung, Jugendschutz, Manipulationsvorbeugung, Kriminalitätsbekämpfung) nicht effektiv verwirklicht werden konnten und aus diesem Grund ein Mehr an legalem und besser kontrollierbaren Glücksspiel-Markt im Internet angeboten werden soll. Das bedeutet aber, dass für die hier streitgegenständliche Zeit das Verbot besteht und nichts dagegen spricht, das geltende Verbot durchzusetzen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 06.10.2020, Az.: 5 U 72/19, Rn. 50, a.a.O.).
2. Dem klägerischen Anspruch steht § 817 S. 2 BGB nicht entgegen. Danach ist die Rückforderung u.a. dann ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.
Vorliegend kann dahinstehen, ob dem Kläger der Vorwurf des Verstoßes gegen § 285 StGB insbesondere in subjektiver Hinsicht gemacht werden kann. Der Kläger trägt nämlich vor, er habe nicht gewusst, dass das angebotene Online-Glücksspiel illegal gewesen sei. Die Beweislast hierfür trifft die Beklagte (vgl. Sprau in: BGB, Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 817, Rn. 24).
Jedenfalls erachte die Kammer eine teleologische Reduktion der Anwendung des § 817 S. 2 BGB für notwendig. Das Landgericht Paderborn hat dazu in seinem Urteil vom 24.09.2021 (Anlage K 15; zu finden unter juris) folgende überzeugende Ausführungen gemacht, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt: Die Kondiktion darf nicht gemäß § 817 S. 2 BGB deswegen ausgeschlossen sein, soweit der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leisten bzw. diese geradezu erzwingen oder legalisieren würde. Die Kondiktionssperre würde ansonsten den Anreiz sittenwidriges Handeln bilden. Dies hat der BGH beispielsweise im Falle von sogenannten "Schenk-Kreisen" (BGH, NJW 2006, 45 ff.) angenommen. Auch bei Einzahlung von Beiträgen in ein sogenanntes Schneeball-System wurde die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB schutzzweckorientiert eingeschränkt. Würde man die Kondiktionssperre anwenden, so würden die Initiatoren solcher Systeme zum Weitermachen geradezu eingeladen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer sich leichtfertig der Einsicht in die Sittenwidrigkeit eines solchen Spielsystems verschlossen haben, komme es nach Ansicht des BGH folglich nicht mehr an.
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere die zugedachte Präventionswirkung des § 4 Abs. 4 GIüStV macht die Einschränkung erforderlich (so auch LG Coburg, a.a.O.). Es ist hierbei maßgeblich auf den Zweck des Verbotsgesetzes abzustellen: Der Gesetzgeber hat sich mit § 4 Abs. 4 GlückStV bewusst für ein absolutes Verbot von Casino-Spielen im Internet entschieden. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und ihrem herausragenden Suchtpotenzial sowie ihrer Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche es nicht vertretbar erscheine, auch hier das Internet als Vertriebsweg zu eröffnen.
Weiter wird ausgeführt, dass das Angebot solcher Spiele im Internet mit Nachdruck bekämpft werden solle, insbesondere auch durch Maßnahmen zur Unterbindung entsprechender Zahlungsströme. Die Beklagte hat aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU heraus ein nach deutschem Recht nicht genehmigtes Casino-Spiel im Internet veranstaltet und damit gegen diese Vorschrift verstoßen. Würde die Kondiktionssperre greifen, würde die Initiatorin zur Fortsetzung der verbotswidrigen Tätigkeit geradezu ermutigt. Es würde im Ergebnis eine Legalisierung erfolgen. Die Regelungen des GlüStV sind demgegenüber insbesondere dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsform des Glücksspiels zu schützen. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch vollständig unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verbleiben. Dass es der Klägerin nunmehr unbenommen bleibt, ihre verlorenen Spieleinsätze von der Beklagten zurückzufordern, lag zudem allein im Risikobereich der Beklagten, welches sie bewusst dadurch eingegangen ist, dass sie verbotswidrig Online-Glücksspiele anbietet/angeboten hat.
Eine andere Bewertung scheint auch nicht vor dem Hintergrund angezeigt, dass ein Spieler, der sich nach § 285 StGB strafbar macht, in ungerechtfertigter Weise bessergestellt wird als ein an einem erlaubten Spiel teilnehmender Spieler, dessen Rückforderung nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Denn im Gegensatz zu dem an einem erlaubten Spiel teilnehmenden Spieler geht der Gesetzgeber davon aus, dass der an einem unerlaubten Spiel teilnehmende Spieler besonders schutzbedürftig ist und das Angebot von Glücksspielen im Internet zu unterbinden ist.
§ 762 BGB greift im Übrigen nur, wenn ein wirksamer Vertrag vorliegt. Ist der Vertrag nichtig, bleibt es bei den allgemeinen Regeln (vgl. Janoschek in: BeckOK, BGB, 60. Edition, Stand: 01.11.2021, § 762, Rn. 18; LG Aachen in Anlage K 17).
3. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt überwiegend aus §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten (Anlage K 9) ist die Beklagte gemahnt und dadurch in Verzug gesetzt worden. Allerdings bezog sich das Mahnschreiben nur auf einen Betrag in Höhe von 61.360,45 €. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags kann der Kläger hingegen Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 291, 288 Abs. 1 BGB verlangen. Soweit das Schreiben auf den 14.04.2021 datiert, geht die Kammer von einem falschen Datum aus. Unwidersprochen hat der Kläger vorgetragen, es sei am 23.12.2020 verfasst worden, was im Hinblick auf die gesetzte Zahlungsfrist bis zum 06.01.2021 auch plausibel erscheint.
4. Die Kammer sieht keine Veranlassung, das hiesige Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen. Art. 267 AEUV sieht für das hiesige Gericht keine Pflicht zur Vorlage vor. Vielmehr steht diese im Ermessen des hiesigen Gerichts. Dabei hat sich die Kammer im Rahmen des ihr soweit eingeräumten Ermessens bewusst gegen eine Vorlage entschieden. Dabei hat die prozessökonomische Erwägung den Ausschlag gegeben, dass die von ihr für streitentscheidend gehaltenen Fragen nicht die gleichen sein müssen, die die weiteren Instanzen für entscheidungserheblich ansehen werden. Im Übrigen hat auch der BGH keine Veranlassung zur Vorlage gesehen: Danach stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (BGH, Beschluss vom 22.07.2021, Az.: I ZR 199/20, zitiert nach juris).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Datum der Verkündung: 19.10.2021
Gericht: Landgericht Köln
Spruchkörper: 16. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 16 O 614/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Im Zeitraum 2015-2017 erfuhr der Kläger einen Gesamtverlust von 6.985,00 € aufgrund der Teilnahme an zahlreichen Casinospielen auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite “bet-at-home.com”. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Online-Glücksspielanbieter mit Sitz in Malta, zu dessen Spielangebot u.A. Poker, virtuelle Automatenspiele (Slots) sowie auch Sportwetten zählen. Laut Vortrag des Klägers habe er ausschließlich an Casinospielen teilgenommen und zum Zeitpunkt des Spielens keine Kenntnis von der Illegalität der Online-Casinospielen gehabt.
Das Landgericht Köln sprach sich für einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 6.984,68 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB nebst Zinsen aus. Sämtliche Spielverträge zwischen den Parteien seien gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 des zu diesem Zeitpunkt geltenden Glücksspielstaatsvertrag unwirksam.
Die internationale sowie örtliche Zuständigkeit des Landgericht Köln ergebe sich gem. Art. 7 Nr. 1 lit. b), 2. i.V.m. Art. 5 Nr. 1 lit b) der VO Nr. 1215/2021 (EuGVVO). Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn der Erfüllungsort der Verpflichtung Ort des Gerichtes ist oder das schädigende Ereignis durch eine unerlaubte Handlung dort eintritt. Der Kläger trug vor, seinen Wohnsitz in Köln/Deutschland zu haben und einzig von dort aus an den unerlaubten Online-Glücksspielen teilgenommen zu haben. Auch die Abbuchungen seien über sein in Deutschland geführtes Girokonto erfolgt. Indem die Beklagte ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetdomain Kunden in Deutschland anbietet, übe sie ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus.
Die in den AGB der Beklagten enthaltene Gerichtsstandsklausel, auf die sie sich in ihrem Vortrag beruft, sei aufgrund des Verbraucherschutzes als missbräuchlich i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 93/13/EWG anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2020, C-519/19). Die Richterin erkannte die Beklagte als Gewerbetreibende und den Kläger als Verbraucher an.
Nach dem Langericht Köln leite sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus Art. 6 Abs. 1 ROM-I-Verordnung (EG Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008) her. Die in den AGB der Beklagten aufgeführte Rechtswahlklausel, nach der die Anwendung von maltesischem Recht angestrebt wurde, verstoße gegen RL EG 93/13 und gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) Rom-II-VO und sei damit nichtig.
Abweichend von der Auffassung der Beklagten sei § 4 Abs. 4 GlüStV mit Unionsrecht, insbesondere mit der in Art. 56 f. AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit sowie der Verfassung vereinbar. Dabei stützt sich das Landgericht auf die Ausführungen des BVerwG, welches in einer Entscheidung im Oktober 2017 (BVerwGE 160, 193) überzeugend darlegte, dass mit dem Internetverbot des Glücksspielstaatsvertrages legitime Gemeinwohlziele wie der Jugendschutz sowie die Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität verfolgt werden und es darüber hinaus geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne sei.
Der Bereicherungsanspruch scheitere nicht an § 817 Satz 2 BGB, da aus Sicht des Klägers, eines nicht juristisch gebildeten Laien, infolge der unübersichtlichen Gesetzeslage zu derartigen Glücksspielen die Illegalität nicht erkennbar war. Zudem hat sich der Kläger nicht leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen. Darüber hinaus sei die Kondiktionssperre teleologisch einzuschränken (so auch Landgericht Coburg 23 0 416/20). Die Vorschrift des § 814 BGB stehe dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen.
Die Nichtigkeit der Spielverträge zwischen dem Kläger und der Beklagten habe zur Folge, dass auch § 762 BGB die Rückforderbarkeit nicht hindere.
Nach Annahme des Landgericht Köln sei der Anspruch des Klägers für den geltend gemachten Zeitraum 2015-2017 nicht verjährt. Das Gericht konstatiert außerdem, dass selbst bei Kenntnis des Klägers für die ab 2017 geltend gemachten Ansprüche die anzuwendende dreijährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung in 2020 nicht abgelaufen sei.
Die Beklagte wird folglich zur Rückzahlung an den Kläger i.H.v. 6.984,68 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB nebst Zinsen verurteilt.
In dem Rechtsstreit:
Klägers,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte CLLB Cocron, Liebl, Leitz,
Braun, Panoramastraße 1, 10178 Berlin,
gegen
die bet-at-home.com Entertainment Limited, vertr. d. d. Geschäftsführer, Portomaso Business Tower, Level 12, Portomaso, St. Julians, STJ 4011, Malta,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 31.08.2021
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin
für Recht erkannt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i. H.v. 6.984,68 € nebst Zinsen hieraus i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.500,00 € vom 16.02.2021 bis 23.03.2021 und aus 6.984,68 € seit dem 24.03.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit Online-Glücksspielen geltend.
Mit der Klageschrift hat der Kläger den Widerruf sämtlicher von ihm behaupteter und von der Beklagten bestrittener Spielverträge erklärt.
Die Beklagte erhebt die Rüge der internationalen und örtlichen Zuständigkeit sowie die Einrede der Verjährung.
Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht Köln sei international und örtlich zuständig. Er mache von seiner Wahlmöglichkeit aus Art. 18 Abs. 1, 2. Alt. GVVO Gebrauch in dem er das an seinen Wohnsitz zuständige Gericht für den hiesigen Rechtsstreit angerufen habe. Dieses Wahlrecht stehe ihm zu, weil die Beklagte ihr Online-Glücksspielangebot von Malta aus in unerlaubterweise auf Deutschland ausrichte (Art. 17 Abs. 1 lit. c neu GVVO) und er im konkreten Vertragsverhältnis mit der Beklagten Verbraucher sei. Für die ebenfalls geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung sei das Landgericht Köln als Wohnsitzgericht des Klägers ebenfalls zuständig. Dies zum einen wegen Sachzusammenhangs der deliktischen Haftung der Beklagten zu den in Rede stehenden Spielverträge, daneben ergebe sich die Zuständigkeit des Landgerichts Köln für Ansprüche aus unerlaubter Handlung auch aus Art. 7 Nr. 2 GVVO.
Auf den vorliegenden Rechtsstreit sei gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutsches Recht anwendbar. Der Kläger bestreitet, dass in den damals geltenden AGB eine Rechtswahlklausel enthalten war. Jedenfalls wäre eine solche Klausel unwirksam.
Der Kläger behauptet, er habe im Zeitraum 24.04.2015 bis 11.01.2017 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten https://de.entfernt.com aus seiner Wohnung in Köln, und nur von dort aus, an Online-Glücksspielen in Form von Casinospielen teilgenommen. In keinem einzigen hier streitgegenständlichen Fall habe er Sportwetten getätigt. Er habe die Anmeldeinformation: Kto.-Nr. 00000, E-Mail, Adresse e@hotmail.com verwendet. Bei den Online-Glücksspielen habe er in diesem Zeitraum 19.010,00 € eingezahlt und 12.025,00 € ausgezahlt erhalten, sodass er insgesamt 6.985,00 € verloren habe. Wegen der Einzelheiten der behaupteten Zahlungen und Auszahlungen wird auf die Aufstellung des Klägers in dem Schriftsatz vom 18.05.2021, Seite 4-5/Bl. 184-185 der Akte Bezug genommen. Die Zahlungen des Klägers an die Beklagte seien jeweils über den Personal Computer oder die mobile Webseite des Smartphones des Klägers in seiner im Rubrum genannten Wohnung erfolgt. Die Abbuchungen seien sodann über sein in Deutschland geführtes Girokonto und Kreditkartenkonto erfolgt.
Das von der Beklagten übergebene Dokument "List of sport stakes and winnings" gemäß Anlage K 11 belege die Passivlegitimation der Beklagten. Gemäß der AGB der Webseite www.entfernt.com würden sich die beiden Gesellschaften C Internet Limited und die Beklagte das Geschäft in der Weise teilen, dass die Beklagte für das Online-Casinogeschäft zuständig gewesen sei und die C Internet Limited für Sportwetten. Das unsubstantiierte Bestreiten der Beklagten sei daher unzulässig. Ebenso unzulässig sei das Bestreiten der Zahlungen und dass der Kläger überhaupt gespielt habe. Die Beklagte treffe vorliegend eine sekundäre Darlegungslast. Im Übrigen sei die Beklagte ohnehin nach der DSGVO zur Herausgabe dieser Informationen hinsichtlich der konkreten Glücksspiele, Glücksspielarten, der Ergebnisse sowie der Ein- und Auszahlungen verpflichtet.
Der Kläger behauptet, er habe angenommen, dass die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Casinospiele gesetzlich erlaubt seien. Er habe im April 2020 durch einen Zufall im Internet von der Rechtswidrigkeit von Online-Casinospielen erfahren. Erst nach späterer Konsultation seiner Prozessbevollmächtigten habe er erfahren, dass die von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele am Wohnort des Klägers in Deutschland gesetzlich verboten seien. Zuvor habe er nie an der Legalität gezweifelt.
Der Kläger ist der Ansicht, der Rahmenvertrag und die Spielverträge zwischen ihm und der Beklagten seien nichtig, weil gemäß § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag NRW das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten sei. Die Beklagte schulde daher die Rückzahlung der Spieleinsätze gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB. Daneben bestehe auch ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag Nordrhein-Westfalen sowie § 284 StGB. Die Beklagte verstoße gegen § 4 GlüStV in Verbindung mit § 134 BGB, denn sie betreibe ohne Erlaubnis einer für das Land NRW zuständige Behörde Online-Sportwetten und Online-Casinospiele vom Ausland aus und sie richte ihr Angebot in deutscher Sprache auf den deutschen Markt aus und lasse deutsche Spieler zu. Die Veranstaltung von Online-Casinospielen der Beklagten sei nach dem geltenden Glücksspiel Staatsvertrag von vornherein nicht genehmigungsfähig und eine ausländische Lizenz genüge nicht dem Erlaubnisvorbehalt aus § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV. Sowohl der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung von Glücksspielen als auch das Internetverbot stünden mit höherrangigem Recht im Einklang. Dieser Annahme stehe auch die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV für die Veranstaltung von Online-Casinospiel nicht entgegen. Der GlüStV 2021 führen nicht zu einer rückwirkenden Legalisierung.
Des Weiteren würden die zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge gegen § 284 Abs. 1 StGB verstoßen und seien auch deshalb gemäß § 134 BGB nichtig. Für § 284 StGB reiche ein nicht gänzlich unerhebliche Einsatz während für den gesamten GlüStV und dessen Norm eine entsprechende Bagatellgrenze ohnehin nicht gelte.
Der Kläger ist der Ansicht, der Rückforderungsausschluss gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB greife nicht, weil der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet sei, sofern der Spielvertrag wegen eines Gesetzesverstoßes gemäß § 134 BGB nichtig sei, wie im vorliegenden Fall.
§ 814 1. Alt BGB greife nicht ein, weil der Kläger nicht gewusst habe, dass die Teilnahme an Online-Casinospielen der Beklagten verboten sei.
Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 817 S. 2 1. HS BGB ausgeschlossen. Es fehle bereits an einem Gesetzesverstoß des Klägers. Zudem seien die notwendigen subjektiven Voraussetzungen auf Klägerseite nicht erfüllt, er sei über die Legalität des Glücksspielangebots der Beklagten getäuscht worden. Jedenfalls sei die Norm des § 817 S. 2 HS 1 BGB bei Vorliegen der Voraussetzungen teleologisch zu reduzieren.
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf eine behördliche Duldung von Internet Glücksspielen wie Casinospielen berufen. Eine solche Duldung sei gesetzeswidrig erfolgt. Sowohl der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung von Glücksspielen als auch das Internetverbot stünden nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit höherrangigem Recht in Einklang.
Der Anspruch sei nicht verjährt. Er habe erst im Jahr 2020 von der Illegalität des Angebots der Beklagten erfahren. Die Verjährung habe daher auch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Die Illegalität von Online-Casinospielen sei wegen der zivilrechtlich ungeklärten Rechtslage sogar von Experten nicht ohne Weiteres erkennbar und entscheidbar gewesen.
Der Kläger hat mit dem der Beklagten am 15.02.2021 zugestellten Schriftsatz zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 5.500,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Mit bei Gericht am 04.03.2021 eingegangenem und der Beklagten am 23.03.2021 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger die Klage erhöht.
Der Kläger beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 6.985,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln. In den vom Kläger und jedem anderen Spielkunden vor Teilnahme an etwaigen Spielen zu bestätigenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei unter Ziffer A.5 geregelt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten dem maltesischen Recht unter Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Zivilrechts unterlägen. Gerichtsstand für sämtliche Rechtsstreitigkeiten sei Valletta/Malta. Die Beklagte ist der Ansicht, diese Rechtswahl sei wirksam. Zu einem Rückforderungsanspruch aus maltesischen Recht habe der Kläger nichts vorgetragen.
In der Sache behauptet die Beklagte, entgegen der Behauptung des Klägers biete sie keine illegalen Glücksspiele im Internet an. Ihr Angebot sei damals und heute rechtlich zulässig gewesen.
Darüber hinaus sei die Klage unter mehreren Gesichtspunkten unschlüssig. Der Kläger lege weder konkret dar, wann er welche Spiele gespielt habe, wieviel er jeweils pro Spiel eingezahlt habe, welche Spiele er überhaupt gespielt und welche Einsätze er pro Spiel getätigt haben will. Der Auflistung eines angeblich einmalig überwiesenen Betrages in Höhe der Klageforderung an die "C" könne all dies nicht entnommen werden. Insoweit bestreite sie, dass der Kläger diese Beträge bei ihr gesetzt habe, wobei er selbst eben auch nicht angebe oder schlüssig darlege, an welchen konkreten Spielen er wann und mit welchem Einsatz teilgenommen haben will. Der Vortrag des Klägers zu dem angeblichen Zahlungsanspruch sei nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. So habe der Kläger zunächst einen Zahlungsanspruch von 5.500,00 € für einen Zeitraum vom 10.01.2017 bis 11.01.2017 mit der Klage geltend gemacht, wobei die vorgelegte Anlage K1 einen Zeitraum vom 01.10.2017 bis 01.11.2017 benenne. Mit der Klageerweiterung habe der Kläger dann den klageweise geltend gemachten Zeitraum auf den Zeitraum 24.04.2015 bis 01.11.2017 ausgedehnt. Dazu habe er vorgetragen, insgesamt habe er 20.745,00 € eingezahlt und 13.875,00 ausgezahlt, woraus sich eine Differenz von 6.985,00 € ergebe, was die nunmehrige Klageforderung ausmache. In der zuletzt vorgelegten Anlage K 23 ergebe sich dagegen ein Einsatz über 323.764,00 € über viele Jahre seit 2011. Es sei nicht nachvollziehbar und widersprüchlich, wenn der Kläger nach seinem bisherigen Vortrag nur 20.745,00 € eingezahlt haben soll. Im Übrigen sollen dieser Summe nach der eingereichten Aufstellung Anlage K 23 Auszahlungen in annähernd vergleichbare Höhe entgegenstehen, sodass die Auflistung eine Differenz von Einzahlung-Auszahlung von 6.985,00 € ausweise. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 18.05.2021 zudem eine Summe von -6.737,68 € angegeben habe, sei diese rechnerisch nicht nachvollziehbar. Weiterhin sei fraglich, weshalb der Kläger einen angeblichen Anspruch von 6.985,00 € für den Zeitraum 2015-2017 haben soll, wenn er selbst vortrage, er habe einen Gesamtverlust von 6.870,00 € im Zeitraum von 2011-2017 gehabt. Demnach solle der Kläger im relevanten Zeitraum von 2011-2017 mehr Verluste gemacht haben als in dem gesamten Zeitraum vom 03.12.2011 bis 11.01.2017. Dies sei unschlüssig, da der Verlust im Zeitraum von 2015-2017 in den Gesamtverlust von 2011-2017 mit einfließen würde.
Auf der Internetseite www.entfernt.com würden zudem von zwei unterschiedlichen Unternehmen verschiedene Arten von Spielen/Wetten angeboten. So biete die Firma C.com Internet Ltd., die überdies über eine bundesweit gültige Sportwettenlizenz verfüge, Sportwetten an, während die Beklagte einige andere Spielangebote offerieren, wie beispielsweise Poker oder bestimmte sogenannte virtuelle Automatenspiele, die nach den Vorgaben der deutschen Bundesländer aktuell so auch angeboten werden könnten. Ob der Kläger die behaupteten Einzahlungen an das eine oder das andere Unternehmen getätigt habe, sei nicht ersichtlich und auch nicht schlüssig vorgetragen und ebenso wenig, was konkret an Spielen bei welchem der Unternehmen mit welchem jeweiligen Einsatz und zur Teilnahme an welchen Spielen getätigt worden seien. Der Kläger unterscheide weder nach den unterschiedlichen Glücks- und Geschicklichkeitsprodukten noch nach den unterschiedlichen Anbietern. Dies sei aber für die Beurteilung, ob eine Teilnahme an einem "Glücksspiel" vorliege, erforderlich.
Zudem sei darauf hinzuweisen, dass ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Kunden und dem Anbieter eines Spiels oder Glücksspiels jeweils einzeln, für jedes einzelne Spiel geschlossen werde. Dazu fehle jeder Vortrag des Klägers, sodass nur bestritten werden könne, dass der Kläger beim "Glücksspiel" von ihm behauptete Gelder verloren habe. Schon tatbestandlich werde nach herrschender Rechtsprechung ein "Glücksspiel" überhaupt nur "veranstaltet", wenn ein "nicht ganz unerheblicher Geldeinsatz getätigt" werde. Für die Frage der Einordnung als "Glücksspiel" könne zudem erheblich sein, ob das Geschicklichkeitselement oder das Zufallselement überwiege. Auch hierzu fehle Vortrag des Klägers.
Zudem werde in der Rechtsprechung zu § 284 StGB und zu § 4 GlüStV aktuelle Fassung seit Jahren auch umfangreich diskutiert, wann überhaupt die sogenannte Einsatz-Schwelle zur Erfüllung des Tatbestandes zur Teilnahme an einem Glücksspiel erfüllt ist, wenn nur recht niedrige Einsätze getätigt werden. Denn es bedürfe auch eines "nicht ganz unerheblichen Einsatzes" pro konkretem Spiel, um den Tatbestand der Veranstaltung eines Glücksspiels überhaupt erfüllen zu können.
Im Übrigen verfüge die Beklagte über die dafür in Malta, dem Veranstaltungsort der Spiele, notwendigen Erlaubnis, erteilt durch die zuständigen Behörden in Malta. Auch veranstalte die Beklagte keine Glücksspiele in Deutschland, sondern die Veranstaltung von Spielen erfolge in Malta, wo auch der Sitz der Beklagten ist und das Angebot von der zuständigen Behörde innerhalb der EU beaufsichtigt werde.
Entgegen der Behauptung des Klägers sei das Online-Glücksspiel in Deutschland nicht pauschal verboten. Unter anderem Poker, virtuelle Automatenspiele oder auch bestimmte Casinospiele seien seit Jahren geduldet und werde auch heute von den Behörden in Deutschland fortlaufend aktiv geduldet, dies seit vielen Jahren und aktuell auf Grundlage eines sogenannten Umlaufbeschlusses der. Es habe bereits bisher eine aktive Duldung des Online-Glücksspiels durch die verschiedenen Aufsichtsbehörden in Deutschland und damit verbunden ein flächendeckender Vollzugsverzicht, auch in 2017, bestanden. Daraus ergebe sich, dass Online-Glücksspiele eben nicht verboten seien, vor allem dass das formal noch im Gesetz verankerte Verbot des § 4 GlüStV längst keine Anwendung mehr finde und zudem unionrechtswidrig sei. Abweichend davon seien verschiedene Glücksspielangebote zudem erlaubnisfähig und erlaubt.
Es gebe weitere Punkte, die jeder für sich die Verbotsnorm unanwendbar gegenüber der Beklagten und aller anderen Unternehmen machen würde. So gebe es bis heute keinerlei Daten und wissenschaftliche Erhebungen, aus denen sich ergebe, dass das Verbot von Casinoangeboten im Internet zu rechtfertigen wäre, wenn gleichzeitig aber Sportwetten und Pferdewetten im Internet angeboten werden dürften. Es sei unionsrechtswidrig, dann das Verbot zu manifestieren. Es sei auch nicht ersichtlich und verhältnismäßig, dass in stationären Spielbanken die Kasinoangebote offeriert und beworben werden dürfen, dies aber im Internet nicht zulässig sein soll.
Weiter könne es nicht dem Kohärenzgebot entsprechen, wenn in Schleswig-Holstein Online-Kasinospiel erlaubt seien und aktiv im Internet angeboten werden, in den anderen Bundesländern aber nicht. Die weiterhin massive Bewerbung von staatlichen Lotterieprodukten konterkariere ebenfalls nicht nur das Sportwettenmonopol, sondern auch das Verbot von anderen Online-Spielangeboten.
Im Übrigen hätte der Kläger selbst dann keinen Anspruch gegen die Beklagte, wenn er - was bestritten werde - konkret bei irgendeinem angeblich nicht erlaubten Glücksspiel teilgenommen hätte. Denn dann stünde einem nur theoretischen Rückzahlungsanspruch des Klägers jedenfalls § 762 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen. Auch stünde einem solchen Anspruch darüber hinaus § 817 S. 2 BGB entgegen. Insoweit sei naturgemäß davon auszugehen, dass dem Kläger auch bewusst gewesen sei, dass die Spielteilnahme an etwaigen Spielen oder Wetten, die nicht einmal differenziert aufgezeigt werden, möglicherweise rechtlich problematisch sein könnten und jedenfalls womöglich gegen eine, wenn auch aus Sicht der Beklagten unanwendbare Verbotsregelung verstoßen könnte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die über die Website der Beklagten abrufbar seien, unter anderem darauf hingewiesen werde, dass Online-Glücksspiel und/oder -Wetten gemäß der Gesetzgebung im Heimatland des Kunden wie auch gemäß der Gesetzgebung des Aufenthaltsstaates illegal sein können und es ausschließlich im Verantwortungsbereich des Kunden liege, sich über etwaige Beschränkungen und/oder Verbote in seinem jeweiligen Heimatland bzw. im Aufenthaltsstaat zu informieren. Der Kläger habe diese AGB zur Kenntnis genommen und diese auch bestätigt. Selbst wenn er diese nicht aktiv im Detail zur Kenntnis genommen hätte, wäre er so zu behandeln, als hätte er davon gewusst, jedenfalls habe der Kläger eine etwaige Illegalität billigend in Kauf genommen. Zudem habe der Kläger selbst vorgetragen, über mehrere Jahre an Online-Casinospielen teilgenommen und die TV-Werbung zu Online-Casino spielen zu kennen. In dieser Werbung werde regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Online-Casinospiele nur in Schleswig-Holstein zulässig seien.
Wenn der Kläger nun in nicht schlüssiger Form im Übrigen vortragen lasse, er habe bereits Verluste seit 2011 gemacht, berufe sich die Beklagte vorsorglich auf die Einrede der Verjährung. Da der Kläger offenbar bereits seit über 10 Jahren bei Online-Anbietern spiele, werde er naturgemäß schon deshalb Kenntnis von der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch von der Verbotsregelung im GlüStV 2012 gehabt haben. Hätte er sich über 10 Jahre nicht damit befasst, obwohl er sogar in den AGBs der Beklagten auf die unterschiedlichen Rechtslagen in unterschiedlichen Ländern und der selbstständigen Erkundigungspflicht hingewiesen werde, so hätte er sich bewusst dieser Einsicht verschlossen. Hinzu komme, dass über die Jahre, auch von 2015-2017, in nahezu jedem deutschen Fernsehsender regelmäßig Werbung für Online-Casinoanbieter zu sehen sei und zu sehen gewesen sei, in der am Ende der Werbung stets drauf hingewiesen worden sei, dass das Angebot des Casinosspiels nur für das Land Schleswig-Holstein bzw. Spieler, die sich dort aufhielten, gelte. Eine andere Teilnahme sei nicht zulässig. Auch diese Fernsehwerbung werde jedermann wahrgenommen haben. Soweit der Kläger vortrage, über die Illegalität nichts gewusst zu haben, da aus seiner Sicht die tägliche aggressive Werbung im TV für eine Legalität gesprochen habe, habe er selbst bestätigt, dass ihm die TV-Werbung bekannt sei und gewesen sei, er diese sogar täglich wahrgenommen habe. Mithin werde er auch die Hinweise gesehen und gehört haben, wonach das Angebot der Online-Casinoanbieter nur und ausschließlich in Schleswig-Holstein erlaubt war und ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Die Klage ist zulässig und weit überwiegend begründet.
I. Das LG Köln ist gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. b), 2. der VO Nr. 1215/2021, Art. 5 Nr. 1 lit b) Brüssel-I-VO (EuGVVO) international und örtlich zuständig, da nach dem Vortrag der Kläger seinen Wohnsitz in Köln/Deutschland hat und er nach seinem Vortrag ausschließlich von dort aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an unerlaubten Online-Glücksspielen (Casinospielen) teilgenommen hat und die Abbuchungen über sein in Deutschland geführtes Girokonto erfolgten. Die Beklagte übt ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Sie hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen auf Deutschland ausgerichtet, indem sie ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetdomain Kunden in Deutschland angeboten hat.
Die Beklagten kann sich nicht mit Erfolg auf eine Gerichtsstandsvereinbarung in Ziffer A.5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten dem maltesischen Recht unter Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Zivilrechts unterlägen und Gerichtsstand für sämtliche Rechtsstreitigkeiten Valletta/Malta sei.
Diese Gerichtsstandklausel ist - ungeachtet der Frage der streitigen Einbeziehung der AGB - deshalb nicht maßgeblich, weil eine solche Klausel, die in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher, nämlich dem Spielenden, und einem Gewerbetreibenden, nämlich dem Betreiber der Online-Glücksspiele (Casinospiele), enthalten ist, ohne im Einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz der Betreibergesellschaft befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist, als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2020, C-519/19 zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Fluggesellschaften, juris). Die Richtlinie 93/13 gilt nämlich nach ihrem Art. 1 Abs. 1 und ihrem Art. 3 Abs. 1 für Klauseln in Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden (EuGH, Urteil vom 18.11.2020, C. 519/19, Rn 55, juris m.w.N).
II. Auf den jeweiligen Spielvertrag ist gemäß Art. 6 Rom-I-Verordnung deutsches Recht anzuwenden, da nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, er von seiner Wohnung in Köln aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-Casinospielen teilgenommen hat und die Abbuchungen über sein in Deutschland geführtes Girokonto erfolgten.
Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Rechtswahlklausel steht dem nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Rechtswahlklausel, mit dem maltesisches Recht gewählt wurde, wirksam in den Spielvertrag einbezogen wurde, denn die Vereinbarung der Anwendung von maltesichem Recht in den AGB der Beklagten ist wegen Verstoßes gegen die Richtlinie EG 93/13 (Klausel-RL) und wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) Rom-II-VO unwirksam.
III. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.984,68 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
1.a) Die Beklagte ist passivlegitimiert. Das nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers ihm von der Beklagten übergebene Dokumente "List auf sport stakes and winnings" gemäß Anlage K 11 (Bl. 234 d.A.) belegt die Passivlegitimation der Beklagten. Zudem ist die Beklagte dem weiteren Vortrag des Klägers, gemäß der AGB der Webseite www.entfernt.com würden sich die beiden Gesellschaften C Internet Limited und die Beklagte das Geschäft in der Weise teilen, dass die Beklagte für das Online-Casinogeschäft zuständig (gewesen) sei und die C Internet Limited für Sportwetten, nicht erheblich entgegengetragen. Das - pauschale - Bestreiten der Beklagten ist daher unerheblich.
b) Die Beklagte hat die vom Kläger in der Replik im Einzelnen dargelegten Zahlungen erhalten. Dies wird belegt durch die vom Kläger vorgelegte Anlage K9 "Transactions to account number" (Bl. 231 d.A.). Nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers wurde ihm diese Auflistung von der Beklagten übergeben. Das Bestreiten der Beklagten ist vor diesem Hintergrund unschlüssig.
c) Der Kläger hat den Anspruch auch im Übrigen schlüssig dargelegt.
Soweit der Kläger in der Klageschrift als Zeitraum zunächst angegeben hatte 10.01.2017 - 11.01.2017 und er im Schriftsatz vom 03.03.2021 als Datum 01.11.2017 angegeben hat, so wie in Anlage K 1 und K19, handelt es sich vor dem Hintergrund der Anl. K23 (AO), in welcher ein Zeitraum bis 11.01.2017 angegeben und substantiiert dargelegt, offensichtlich um einen Irrtum, den der Kläger mit Schriftsatz vom 18.05.2021 korrigiert hat.
Auch die übrigen Einwendungen der Beklagten gegen die Schlüssigkeit der Klageforderung greifen nicht. Soweit der Kläger im Schriftsatz am 18.05.2021 für die Jahre 2011-2017 als Gesamtbetrag bezüglich der Einzahlung die Summe von 20.745,00 Euro und einen Verlust in Höhe eines Gesamtbetrages von 6.737,68 € angegeben hat, hat er diese Beträge substantiiert in den Aufstellungen Seite 3-4 und 5-8 des vorgenannten Schriftsatzes dargelegt. Es ist auch nicht unschlüssig, dass bezogen auf die Jahre 2015-2017 ein höherer Verlust seitens des Klägers geltend gemacht wird. Denn sowohl nach seinem Vortrag als auch nach den vorgenannten Aufstellungen ergab die Gegenüberstellung der Ein- und Auszahlungen beschränkt auf die Jahre 2015 bis 2017 in diesem Zeitraum einen Saldo von 6.984,68 €. Dies entspricht auch dem Betrag, der in der Anlage K 23 letztlich als Gesamtverlust ausgewiesen wird. In der Anlage K 23 hat der Kläger sämtliche Spielvorgänge und den daraus resultierende Gesamteinsatz aufgelistet. Dem ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten. Aus der Anlage K 23 ist auch ersichtlich, dass der Kläger Spieleinsätze in Jahr 2011 und dann erst wieder 2015 getätigt hat.
2. Die Beklagte hat die Zahlungen des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt. Denn die Spielverträge zwischen den Parteien sind gemäß §§ 134 BGB, § 4 GlüStV unwirksam.
a) Die Beklagten wird mit dem Internetangebot der Casinospiele in Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen tätig. Nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers richtet die Beklagte ihr Angebot in deutscher Sprache auf den deutschen Markt aus und lässt, insoweit unstreitig, deutsche Spieler zu. Damit wendet sich die Beklagten mit ihren Spielangeboten gerade auch an Verbraucher in Deutschland. Damit veranstaltet und vermittelt sie ihre Glücksspiele in Deutschland, so dass der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags eröffnet ist (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV). Dabei ist unerheblich, ob sich der Server und sämtliche Einrichtungen der Beklagten außerhalb Deutschlands befinden. Bei Nutzung des Internets wird die Möglichkeit zur Spielteilnahme nicht am Sitz des Veranstalters, sondern am Wohnsitz des Spielers oder einem anderen Standort seines Computers eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 -, Rn. 26, juris).
b) Die Beklagte hat gegen den im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen.
Nach § 4 Abs. 1 GlüStV ist das Veranstalten oder Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen nur mit behördlicher Erlaubnis zulässig und im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV grundsätzlich verboten, vorbehaltlich der in § 4 Abs. 5 GlüStV eröffneten Ausnahmen (Verbot mit Befreiungsvorbehalt).
Ein Glücksspiel liegt vor, wenn für den Erwerb einer zumindest überwiegend zufallsabhängigen Gewinnchance ein Entgelt bezahlt wird, § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV. Das Glücksspiel ist öffentlich, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht, § 3 Abs. 2 GlüStV. Beides ist bei den von der Beklagten angebotenen sog. Online-Casinospielen der Fall (vgl.OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 62 - 64, juris).
Die Beklagte verfügt über keine deutsche Erlaubnis für das Veranstalten oder Vermitteln öffentlicher Glücksspiele. Eine ihr im EU-Ausland (Malta) erteilte Konzession ist für das vorliegende Verfahren ohne Belang (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 66, juris).
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die in Bezug auf Online-Glücksspiele als Totalverbot ohne Erlaubnismöglichkeit ausgestaltete Regelung unionsrechtswidrig sei und daher keine Anwendung als Verbotsgesetz finden könne. Die Vorschriften des GlüStV verstoßen nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Streitentscheidend ist nicht, ob alle Vorschriften des GlüStV oder auch nur das deutsche Glücksspielmonopol mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Maßgeblich ist allein die Frage, ob das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV mit dem Unionsrecht zu vereinbaren ist, da die unionsrechtliche Prüfung grundsätzlich für jede nationale Beschränkung im Bereich der Glücksspiele gesondert zu erfolgen hat (vgl. EuGH C-46/08 - Carmen Media, juris-Tz. 60; BGH GRUR 2012, 193 - Sportwetten im Internet II, juris.Tz. 48, OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 67 - 69, juris).
Wie bereits das OLG Köln in seinem Urteil vom 10. Mai 2019 (- I-6 U 196/18 -, Rn. 70, juris) unter Verweis auf das BVerwG ausführt, hat das BVerwG die Frage der Vereinbarkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV mit Unionsrecht in einer Entscheidung aus Oktober 2017 (BVerwGE 160, 193 - Internetverbot für drei Glücksspielarten, juris-Tz. 30 ff.) überzeugend bejaht. Das Bundesverwaltungsgericht hat - wie auch schon der Bundesgerichtshof zu § 4 GlüStV 2008 (vgl. Urteil v. 28. September 2011, I ZR 93/10, juris) - unter umfassender Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgeführt:
"b) Soweit der Bescheid vom 21. Januar 2010 auf die Untersagung des Online-Poker- und Online-Casinospielangebots zielt, kann der Klägerin das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 entgegengehalten werden. Es steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang. Wie der Senat ..., das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Dass nunmehr nach § 4 Abs. 5 des geänderten Glücksspielstaatsvertrages der Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sport- bzw. Pferdewetten (vgl. § 27 Abs. 2 GlüStV 2012) im Internet erlaubt werden können, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
aa) Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ...
Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten ... Den spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). So soll die in § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2012 hervorgehobene Schwarzmarktbekämpfung unter anderem durch die teilweise Öffnung des Internets für erlaubte Lotterie- sowie Sport- und Pferdewettangebote verwirklicht werden. Damit wird bezweckt, die Nachfrage spielaffiner Personen in Richtung der legalen Angebote und bei diesen wiederum in Richtung der, insbesondere aus suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefahrenträchtigen Spielformen zu lenken (amtl. Erl. S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53). Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59).
Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- (bb) und unionsrechtskonform (cc).
bb) Das Internetverbot verstößt weiterhin nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG ...
cc) Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 ist auch mit Unionsrecht vereinbar. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die - wie die Klägerin - ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen.
Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben ... Gleichwohl obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt ... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ...
Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Mit der kontrollierten Zulassung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten soll den unerlaubten Angeboten im Internet zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2012 eine legale, sichere und den Spielerschutz gewährleistende Alternative gegenübergestellt werden. Eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von Sonderrechten oder Ausschließlichkeitsrechten kann der Verwirklichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen, da sie die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen lenkt ... Etwaige praktische Probleme des Staates, Verbote im Glücksspielwesen wirksam durchzusetzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet als einem schwer zu kontrollierenden transnationalen Medium, vermögen die grundsätzliche Eignung der Maßnahme nicht in Frage zu stellen ...
Das Internetverbot trägt auch nach Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages bei. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen ...
Die teilweise Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet widerspricht keiner konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren. Sie bezieht sich lediglich auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers unter suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefährlichen Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten. Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Darüber hinaus ist die ausnahmsweise Erlaubniserteilung für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 an strenge Voraussetzungen geknüpft, die dem spezifischen Gefährdungspotenzial des Online-Glücksspiels Rechnung tragen ... Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen. Lotterien mit hoher Ziehungsfrequenz, die dadurch zum Weiterspielen animieren, sind im Internet daher nicht erlaubnisfähig. Entsprechendes gilt für Sportwetten, bei denen nach § 21 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 2012 ein generelles Verbot von Live-Ereigniswetten besteht. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit die begrenzte und regulierte Zulassung von Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet die Erreichung des Ziels der Suchtbekämpfung bei im Internet weiterhin verbotenen Glücksspielen konterkarieren würde.
Dass es bei der Prüfung der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen ..., führt zu keiner anderen Beurteilung. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die partielle und streng regulierte Öffnung des Internetvertriebswegs hinsichtlich der Sportwetten ausdrücklich Experimentiercharakter hat (vgl. § 10a GlüStV 2012). Im Rahmen der Experimentierklausel soll erprobt werden, ob sich durch ein kontrolliertes Angebot privater Konzessionäre die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere das Ziel, den Schwarzmarkt zurückzuführen bzw. in ein legales Feld zu überführen (vgl. amtl. Erl. S. 8 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 55), besser verwirklichen lassen. Die Experimentierklausel ist gerade darauf angelegt, Erfahrungen zu sammeln und die Ergebnisse der probeweisen Öffnung systematisch zu beobachten und auszuwerten (vgl. amtl. Erl. S. 10 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 57). Da dieses Experiment noch nicht abgeschlossen ist, sondern die Erteilung der zahlenmäßig limitierten Sportwettenkonzessionen angesichts noch hierzu anhängiger gerichtlicher Verfahren weiterhin aussteht, kann die probeweise Öffnung des Vertriebswegs Internet, insbesondere hinsichtlich seiner Eignung, noch nicht abschließend bewertet werden. Die beschränkte Öffnung für Online-Lotterien und -Pferdewetten steht zwar nicht unter diesem Experimentiervorbehalt. Es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die regulierte Öffnung dieser Glücksspielarten eine allgemeine Spielleidenschaft über diesen begrenzten Markt hinaus entfacht hätte."
Der Kammer schließt sich dieser überzeugend begründeten Ansicht an, zumal der Bundesgerichtshof bereits den § 4 Abs. 4 GlüStV a.F., der ein absolutes Online-Verbot vorgesehen hatte, allerdings mit einer geduldeten Ausnahme für Pferdewetten, als europarechtskonform angesehen hat (BGH GRUR 2012, 193 - Sportwetten im Internet II, juris-Tz. 39 ff., 57 ff; dem EuGH war diese Ausnahme bei seiner Rechtsprechung zu § 4 GlüStV, Carmen Media, bekannt, s. BGH a.a.O., juris-Tz. 79).
Die von der Beklagten angeführten Ince-Entscheidung des EuGH (C-336/14) steht der durch die Kammer übernommenen Ansicht des BVerwG nicht entgegen (und war dem BVerwG im Übrigen bekannt, s. BVerwGE 160, 193 - Internetverbot für drei Glücksspielarten, juris-Tz. 45); sie betrifft die Vermittlung von Sportwetten vor Ort, nicht das Online-Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV.
Die o.a. Entscheidung des BVerwG ist auf die von der Beklagten angebotenen Online-Casinospiele unmittelbar anwendbar (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 71 - 84, juris).
Dass das Internetverbot faktisch Glücksspielanbieter außerhalb Deutschlands stärker als solche, die im Inland ansässig sind, beeinträchtigt, weil ihnen ein für den unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt besonders wirksames Vermarktungsmittel genommen wird, steht einer unionsrechtlichen Rechtfertigung des Internetverbots nicht entgegen. Vielmehr kommt es auch dann darauf an, ob diese Beschränkung zwingenden Belangen des Allgemeinwohls dient, kohärent und systematisch zur Begrenzung der Glücksspieltätigkeit beiträgt und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht (s. BGH GRUR 2012, 193 - Sportwetten im Internet II, juris-Tz. 40). Das Verbot von Online-Casinospielen trägt systematisch zur Begrenzung des Glücksspielangebotes und Lenkung der Wettleidenschaft sowie des Jugend- und Spielerschutzes bei. Eine inkohärente Regelung liegt nicht vor (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 86, juris).
Aufgrund des bestehenden Totalverbots für Online-Casinospiele kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte sich um eine Erlaubnis hätte bemühen müssen. Aber selbst wenn - wie nicht - § 4 Abs. 4 GlüStV unionsrechtswidrig sein sollte, wäre die Beklagte jedenfalls nicht davon befreit, sich um eine Erlaubnis zu bemühen, weil selbst ein inkohärentes Internetverbot nicht dazu führen würde, dass Casionospiele gänzlich ohne Erlaubnis angeboten werden dürften (vgl. BVerwG ZfWG 2015, 227 - Untersagung der Vermittlung von Glücksspielen über das Internet, juris-Tz. 30; OLG Köln, Urteil vom 10. Mai 2019 - I-6 U 196/18 -, Rn. 87, juris). Unerheblich ist deshalb auch der Einwand der Beklagten, Online-Casinospiele bzw. Online-Glücksspiele seien bisher behördlich geduldet worden.
c) Der Glücksspielstaatsvertrag und insbesondere das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüSpV sind formell und materiell mit dem Verfassungsrecht vereinbar (BVerwGE 160, 193 ff; schon früher BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 -, Rn. 27 - 74, juris). Die Länder haben mit dem Glücksspielstaatsvertrag ihre Kompetenzen nicht überschritten. Von einer möglichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bund ungeachtet der Regelungen in §§ 33c ff. GewO jedenfalls nicht in der Weise Gebrauch gemacht, dass die Länder an den im Glücksspielstaatsvertrag getroffenen Regelungen gemäß Art. 72 Abs. 1 GG gehindert wären (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 Rn. 25; früher BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10). Der Glücksspielstaatsvertrag ist auch materiell verfassungsgemäß. Die durch ihn bewirkten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sind, wie ausgeführt, durch überragend wichtige Gemeinwohlziele gerechtfertigt, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Glücksspielsucht und vor der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität.
3. a) Der Bereicherungsanspruch scheitert nicht an § 817 Satz 2 BGB. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt.
Es kann hier dahin stehen, ob dem Kläger objektiv ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten ist. Es fehlt jedenfalls an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte (vgl. Palandt, 79. Aufl. 2020, § 817, Rn. 24). Ihrer Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Der Kläger hat angegeben, dass er davon ausging, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele. Die Beklagte gibt an, über eine Lizenz zu verfügen und hat ihren Geschäftsbetrieb zudem gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet, indem die Internetseite auf deutsch verfügbar ist, die Vertragssprache deutsch ist, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf deutsch sind. Der Kläger hat angegeben, er sei davon ausgegangen, dass das Spielen bei der Beklagten legal sei. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Werbung betrieben werde oder auch im Internet. Es ist deshalb bereits fraglich, ob sich der Kläger der Einsicht der Illegalität des Spiels leichtfertig verschlossen hat. Für einen nicht juristisch gebildeten Laien stellt sich die Gesetzeslage zu derartigen Glücksspielen jedenfalls völlig unübersichtlich dar. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, in ihren AGB lediglich darauf hingewiesen zu haben, dass das Spielen illegal sein könnte. Dies stellt eine unzureichende Aufklärung dar, deren Unzulänglichkeit nicht dadurch beseitigt werden kann, dass dem Spieler im Wege von AGB einseitig eine Erkundigungspflicht auferlegt und das Risiko der Illegalität auf ihn abgewälzt wird. Insofern führt weder ein Zeitraum von mehreren Jahren des Spielens noch die Kenntnis von TV-Werbung dazu, dass von einer Kenntnis des Klägers von der Illegalität auszugehen wäre oder dass er sich dieser Kenntnis leichtfertig verschlossen hat. Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass sich die TV-Werbung auch auf die Beklagte bezog.
Hinzu kommt folgendes: Die Beklagte ist insoweit allgemein bekannt im Bereich Online-Gaming und Online-Sportwetten tätig. Die bei der Beklagten dann tatsächlich vorliegende Aufspaltung ist einem außenstehenden Dritten in dieser Form weder bekannt noch bewusst. Insoweit hat die Beklagte in Deutschland eine Konzession für Sportwetten erhalten. Darüber hinaus wirbt die Beklagte auf der streitgegenständlichen Internetseite damit, dass eine Konzession für Malta vorliegt. Einer Privatperson ist es insoweit schwer möglich nachzuvollziehen, dass dies dann zu einem illegalen Glücksspiel führt, noch dazu, weil die Beklagte die gesamte Internetseite auf den deutschsprachigen Markt angelegt hat.
Unabhängig davon steht § 817 Satz 2 BGB dem Anspruch auch deshalb nicht entgegen, weil nämlich die Kondiktionssperre teleologisch einzuschränken ist (so auch Landgericht Coburg, Urteil vom 11.05.2021, AZ: 23 0 416/20, vom Kläger vorgelegt als Anlage K 7, Bl. 335 ff. d.A.). Die Kondiktion darf nicht gemäß § 817 Satz 2 BGB deswegen ausgeschlossen sein, soweit der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leisten bzw. diese geradezu erzwingen oder legalisieren würde. Die Kondiktionssperre würde ansonsten den Anreiz sittenwidriges Handeln bilden. Dies hat der Bundesgerichtshof beispielsweise im Falle von sogenannten "Schenk-Kreisen" angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2005, III ZR 72/05, juris). Auch bei Einzahlung von Beiträgen in ein sogenanntes Schneeball-System wurde die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB schutzzweckorientiert eingeschränkt. Würde man die Kondiktionssperre anwenden, so würden die Initiatoren solcher Systeme zum Weitermachen geradezu eingeladen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer sich leichtfertig der Einsicht in die Sittenwidrigkeit eines solchen Spielsystems verschlossen haben, kommt es nach Ansicht des BGH folglich nicht mehr an. Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere die zugedachte Präventionswirkung des § 4 Abs. 4 GlüStV macht die Einschränkung erforderlich (so auch Landgericht Coburg, Urteil vom 11.05.2021, AZ: 23 0 416/20).
Es ist hierbei maßgeblich auf den Zweck des Verbotsgesetzes abzustellen. Der Gesetzgeber hat sich mit § 4 Abs. 4 GlückStV bewusst für ein absolutes Verbot von Casino-Spielen im Internet entschieden. Angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und ihrem herausragenden Suchtpotenzial sowie ihrer Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche erscheint es nicht vertretbar, auch hier das Internet als Vertriebsweg zu eröffnen, so die Gesetzesbegründung. Weiter wird ausgeführt, dass das Angebot solcher Spiele im Internet mit Nachdruck bekämpft werden soll, insbesondere auch durch Maßnahmen zur Unterbindung entsprechender Zahlungsströme.
Die Beklagte hat aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU heraus ein nach Deutschem Recht nicht genehmigtes Casino-Spiel im Internet veranstaltet und damit gegen diese Vorschrift verstoßen. Würde die Kondiktionssperre greifen, würde die Initiatorin zum Weitermachen geradezu eingeladen. Es erfolgt eine "quasi" Legalisierung. Die Regelungen des GlüStV sind insbesondere dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsform des Glücksspiels zu schützen. Diese Intension des Verbotsgesetzes würde jedoch vollständig unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (vgl. Landgericht Coburg, Urteil vom 11.05.2021, AZ: 23 0 416/20).
b) Die Vorschrift des § 814 BGB steht dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen. Denn, wie vorstehend ausgeführt, hat die Beklagte nicht schlüssig dargetan, dass dem Kläger die Illegalität des Online-Casinospiels bekannt war oder er sich in der Einsicht der Illegalität leichtfertig verschlossen hat.
c) Wegen der Nichtigkeit der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten hindert auch § 762 BGB die Rückforderbarkeit nicht (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl, § 762 Rn 9). Denn diese Vorschrift setzt einen wirksamen Spielvertrag voraus, woran es vorliegend, wie dargelegt, fehlt.
4. Der Anspruch des Klägers für den hier geltend gemachten Zeitraum 2015-2017 ist nicht verjährt. Für die ab 2017 geltend gemachten Ansprüche wäre die gemäß §§ 195, 199 BGB geltende dreijährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung in 2020 selbst bei Kenntnis des Klägers nicht abgelaufen gewesen.
Im Übrigen greift die Einrede der Verjährung auch deshalb nicht, weil Beklagte die Voraussetzungen der Einrede und damit die Kenntnis des Klägers darlegen und beweisen muss. An entsprechenden Darlegungen fehlt es vorliegend. Der - bestrittene - Hinweis in ihren AGB genügt hierfür ebenso wenig, wie eine mehrjährige Spielzeit oder die Kenntnis der TV-Werbung.
5. Nach § 249 BGB ist nach der Differenzhypothese die tatsächliche Vermögenslage des Klägers mit der Vermögenslage zu vergleichen, die ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Nach dem substantiierten Vortrag des Klägers, der die einzelnen Einzahlungen und Auszahlungen in der Replik (Anlage K9, Bl. 231 der Akte) dargelegt hat, hat er im streitgegenständlichen Zeitraum 2015 bis 2017 insgesamt 6.984,68 € mehr eingezahlt als er ausgezahlt bekommen hat. Die Beklagte hat daher an den Kläger den Betrag von 6.984,68 € zu zahlen. Hinsichtlich der darüber hinaus geltend gemachten 0,32 € war die Klage abzuweisen. Denn in Höhe dieses Betrages besteht nach Vortrag des Klägers zu seinen Gunsten bei der Beklagten ein Kontoguthaben, auch wenn er auf dieses derzeit keinen Zugriff haben sollte.
6. Der Zinsanspruch ist wie tenoriert gemäß §§ 288, 291, 187 BGB begründet.
IV. Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
Streitwert: 6.985,00 €
Datum der Verkündung: 08.10.2021
Gericht: Landgericht Landshut
Spruchkörper: 7. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 75 O 1849/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
In den Jahren 2017 und 2018 erfuhr der Kläger einen Gesamtverlust von 46.300,00 € aufgrund der Teilnahme an Online-Sportwetten auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite “bet365.com”. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Online-Glücksspielanbieter mit Sitz in Malta, der ausschließlich Sportwetten im Internet anbietet. Laut Vortrag des Klägers habe er zum Zeitpunkt des Spielens keine Kenntnis von der Illegalität der Online-Wetten gehabt.
Das Landgericht Landshut sprach sich für einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 46.309,30 € aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB nebst Zinsen aus. Sämtliche Spielverträge zwischen den Parteien seien gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 des zu diesem Zeitpunkt geltenden Glücksspielstaatsvertrag unwirksam.
Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergebe sich aus Art. 17 Abs. 1 lit. c), 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO, für die Beklagte mit Sitz auf Gibraltar zusätzlich in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 lit. b), 67 Abs. 1 lit. a) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.
Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Klage gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat einreichen. Indem die Beklagte ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetdomain Kunden in Deutschland anbietet, übe sie ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus.
Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich zudem aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO neben den nationalen Zuständigkeitsregelungen.
Der Kläger habe keine Ansprüche gegen die Beklagte aus Malta. Eine Haftung bei Firmenfortführung, wie es das deutsche Recht aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB kennt, existiert im maltesischen Gesellschaftsrecht nicht. So scheidet ein Anspruch bereits aus diesem Grund aus. Der Kläger habe keine Verträge mit der Beklagten aus Malta geschlossen.
Die Ansprüche gegen die Beklagte aus Gibraltar sind derweil sehr wohl begründet. Sämtliche hier geschlossene Verträge seien nach § 134 BGB nichtig, da sie gegen Art. 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Nach Abs. 5 sind ebenso Sportwetten erfasst. Demgemäß war das öffentliche Zugänglichmachen und Anbieten von Glücksspielen im Internet verboten. Daraus ergebe sich schon eine strafbewehrte Handlung nach §§ 284, 285 StGB und damit auch eine Nichtigkeit der Verträge gemäß § 134 BGB, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Eine Konzession hatte die Beklagte aus Gibraltar in dem fraglichen Zeitraum jedenfalls nicht.
Dem klägerischen Anspruch stehe zudem §§ 814, 817 S. 2, 242 BGB nicht entgegen. Es sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, trotz umfassender medialer Berichterstattung nicht von der Illegalität des Online-Glücksspiel Kenntnis gehabt zu haben. Ein Austausch in Foren mit anderen Spielern, wie es die Beklagte vor trug, kann ebenso nicht erwartet werden. Die AGB der Beklagten konnten einen entsprechenden Leichtfertigkeitsvorwurf ebenso nicht stärken.
Nach Annahme des Landgericht Landshut kann ebenso keine Treuwidrigkeit des Klägers aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Kläger im Glauben an Gewinne an den Online-Spielen teilgenommen hat und nun sich schadlos halten möchte. Einen § 817 S. 2 BGB begründenden Hinweis auf die fehlende Erlaubnis durch die Beklagte ist ebenso nicht erfolgt, weshalb keine Kondiktionssperre eintritt.
Die Beklagte wird folglich zur Rückzahlung an den Kläger i.H.v. 46.309,30 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB nebst Zinsen verurteilt.
In dem Rechtsstreit:
- Kläger -
ProzessbevolImächtigte: Rechtsanwälte CLLB Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Panoramastraße 1, 10178 Berlin, Gz.: 32805 20
gegen
- Beklagte -
ProzessbevolImächtigte: Rechtsanwälte MELCHERS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Im Breitspiel 21, 69"126 Heidelberg, Gz.: Dr. Rh/Bc 111 1/20
- Beklagte -
ProzessbevoIlmächtigte: Rechtsanwälte MELCHERS Rechtsanwälte PartnerschaftsgeseIlschaft mbB, Im Breitspiel 21, 69126 Heidelberg, Gz.: Dr. Rh/\/a 1111 /20
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Landshut - 7. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht Ritter als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 folgendes:
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 46.309,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.01.2021 zu zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 52% und die Beklagte zu 2) zu 48%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu 2) 48% zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist für den Kläger und die Beklagte zu 1) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 49.908,30 € bis zur Teilklagerücknahme und auf 46.309,30 € seither festgesetzt.
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Erstattung von Verlusten aus Online-Sportwetten.
Der Kläger nahm im Zeitraum März 2017 bis Juni 2018 unter dem Benutzernamen "..." über die deutschsprachige Internetdomain https://...com online an Live-Sportwetten teil und erlitt hierdurch nach Abzug von Gewinnen einen Gesamtverlust in Höhe von 46.309,30 €. Die Zahlungen durch den Kläger erfolgten jeweils von dessen Wohnsitz aus, die Abbuchungen von seinem in Deutschland geführten Girokonto. Wegen der einzelnen Zahlungsvorgänge und der platzierten Wetten wird auf den Auszug des klägerischen Spielerkontos (Anlage K4) Bezug genommen. Anbieter der Sportwetten war die Beklagte zu 2) mit Sitz in x. Über eine behördliche Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 verfügte diese nicht. Das hiernach vorgesehen Konzessionsvergabeverfahren wurde durch die Verwaltungsbehörden ausgesetzt, ohne dass einem der Bewerber eine Erlaubnis erteilt worden wäre.
Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine maltesische Partnerschaft mit eingetragenem Sitz in M., die im August 2018 gegründet wurde.
Der Kläger behauptet, er sei im streitgegenständlichen Zeitraum davon ausgegangen, dass die Sportwetten gesetzlich erlaubt waren. Tatsächlich läge ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrages 2012 vor, so dass die Beklagten nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB, 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag, 284 StGB zur Erstattung der erlittenen Spielverluste verpflichtet seien. Die Beklagte zu 2) könne sich nicht auf die Suspendierung des Konzessionierungsverfahrens berufen, da diese in der Praxis die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 und 5 GlüStV 2012 nicht eingehalten habe. Die Beklagte zu 1) hafte unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung. Die Zuständigkeit des angerufenen gerichts folge aus Art. 17 Abs. 1 lit. C, 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO.
Mit Klage vom 29.06.2020 hat die Klagepartei gegenüber der Beklagten zu 1) die Zahlung von 49.908,30 € begehrt. Mit Schriftsatz vom 16.10.2020, der Beklagten zu 2) zugestellt am 29.01.2021, hat die Klagepartei die Klage in Höhe von 3.599,00 € zurückgenommen und auf die Beklagte zu 2) erweitert.
Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 46.309,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen jeweils Klageabweisung.
Die Beklagten sind der Ansicht, die Klage sei unzulässig. Das Landgericht Landshut sei unzuständig. Im übrigen sei die Beklagte zu 1) nicht Vertragspartner und nicht passivlegitimiert. Dem Kläger stünden auch materiell-rechtlich keine Zahlungsansprüche zu. § 4 Abs. 1, 4 des Glücksspielstaatsvertrags sei europarechtswidrig und stelle daher weder ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB noch ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Beklagte zu 2) habe auch im Jahr 2013 beim Hessischen Innenministerium die Erteilung einer Sportwettenkonzession beantragt. Nach Abbruch des Konzessionierungsverfahrens im Jahr 2015 seien Sportwettenangebote durch die Aufsichtsbehörden allgemein geduldet worden. Im übrigen habe der Kläger von einer etwaigen Illegalität Kenntnis gehabt oder sich dieser Kenntnis zumindest leichtfertig verschlossen, so dass jedenfalls die Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 BGB greife.
Der Kläger wurde angehört. Eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 wird Bezug genommen.
Wegen des Parteivortrags im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst zugehörigen Anlagen.
Die Klage ist zulässig und, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, auch begründet.
I. Das Landgericht Landshut ist zuständig.
1. Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit c, 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 findet nach der Übergangsvorschrift in Art. 3 Abs. 1 lit. b), 67 Abs. 1 lit. a) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 12.11.2019 vorliegend mit Blick auf den Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 2) mit Sitz in x weiterhin Anwendung, da die Klage gegen die Beklagte zu 2) am 16.10.2020 und damit vor dem Ablauf der Übergangszeit eingeleitet wurde, ungeachtet dessen, dass die Zustellung erst am 29.01.2021 erfolgt ist.
Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO ist im Verhältnis zur Beklagten zu 2) anzuwenden, da diese mit der unstreitig deutschsprachigen Internetdomain ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet hat und die abgeschlossenen Wettspielverträge in den Bereich dieser Tätigkeit fallen. Nach Anhörung des Klägers besteht für das Gericht kein begründeter Zweifel, dass der Kläger die Wettspielverträge mit der Beklagten zu 2) freizeitmäßig und damit als Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO außerhalb jeglicher beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit eingegangen ist. Der Verbraucherbegriff nach Art. 17 Abs. 1 EuGVVO ist autonom und nach ständiger Rechtsprechung des EuGH "eng auszulegen und anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht anhand ihrer subjektiven Stellung zu bestimmen, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann." (EuGH Urt. v. 2.4.2020 - C-500/18, BeckRS 2020, 4829). Maßgeblich für die Annahme der Verbrauchereigenschaft des Klägers ist vorliegend, dass die Wettspielverträge ausschließlich dessen Privatbereich zuzuordnen sind und der besondere Schutz des Verbrauchers als schwächerer Vertragspartner vorliegend angezeigt ist, wobei das nicht unerhebliche Ausmaß der Wetteinsätze und die Häufigkeit der Wettspielverträge dieser Einordnung nicht entgegensteht (in diesem Sinne auch: EuGH, a.a.O. Rn. 48 ff.). Im Falle des Vertragsschlusses erfasst Art. 17 Abs. 1 EuGVVO auch (konkurrierende) deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche, die so eng mit den vertraglichen Ansprüchen beziehungsweise dem Vertragsschluss verknüpft sind, dass diese nicht voneinander getrennt werden können (vgl. Zöller/Geimer ZPO-EuGVVO, 33. Auflage 2020, Art. 17 Rn. 17 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.
Nichts anderes gilt mit Blick auf die Beklagte zu 1), welche nach der klägerischen Darstellung als Rechtsnachfolger der Beklagten zu 2) haften solle. Der Anspruchsgrund ist damit identisch. Die Frage, ob die Beklagte zu 1) tatsächlich für etwaige Verbindlichkeiten der Beklagten zu 2) haftet, ist demgegenüber eine materiell-rechtliche.
2. Ungeachtet der nationalen Zuständigkeitsvorschriften begründet Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO auch einen örtlichen Gerichtsstand (BGH, Beschluss vom 06.05.2013 - X ARZ 65/13; Zöller/Geimer, a.a.O, Art. 18 Rn. 3).
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.
II. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist begründet. Dies ist nicht passivlegitimiert.
Unstreitig wurden die streitgegenständlichen Wettspielverträge zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) geschlossen. Selbst wenn die Beklagte zu 1), wie klägerseits vorgetragen, nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die zuvor von der Beklagten zu 1) betriebene deutschsprachige Internetdomain www.bet365.com übernommen haben sollte, so wäre eine Haftung der Beklagten zu 1) nicht schlüssig dargetan. Auch die Klagepartei legt ihrem Sachvortrag zugrunde, dass weiterhin beide Gesellschaften existent sind. Eine Haftung aufgrund Firmenfortführung könnte sich allenfalls nach dem in x gültigen Recht ergeben, nicht jedoch aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB, da die Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung dem Recht am Sitz des Unternehmens unterliegt (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, 40. Aufl. 2021 Rn. 27, HGB § 25 Rn. 27). Dazu ist klägerseits nichts vorgetragen.
Der klägerische Vortrag einer Vertragsübernahme durch die Beklagte zu 1) als Vertrag sui generis entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage.
Daneben scheidet auch eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten zu 1) aus, da die klägerseits geltend gemachten Erstattungsansprüche ihre Grundlage in unwirksame Wettspielverträgen haben sollen, die abgeschlossen waren, bevor überhaupt die Beklagte zu 1) gegründet wurde und ein Rechtsscheintatbestand denklogisch geschaffen worden sein könnte. Eine kausale Vertrauensdisposition des Klägers ist nicht ersichtlich, respektive kann eine Haftung der Beklagten zu 1) für die streitgegenständlichen Ansprüche nicht schlüssig damit begründet werden, dass der Kläger es unterlassen haben will, sich zur Geltendmachung seiner behaupteten Ansprüche an die - nach Klageerweiterung ebenfalls am Rechtsstreit beteiligte - Beklagte zu 2) zu wenden.
III. Demgegenüber ist die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage begründet.
1. Dem Kläger steht nach erfolgter Teilklagerücknahme ein Wertersatzanspruch nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB in Höhe der unstreitig nach Abzug zwischenzeitlicher Gewinne erlittenen Wettspielverluste zu. Die geleisteten Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund, da die jeweils zugrunde liegenden Wettspielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nach § 134 BGB nichtig waren und die Kondiktion auch nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist.
a) Die zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) geschlossenen Wettspielverträge waren nach § 134 BGB nichtig. Nach dem am 01.07.2012 auch in Bayern in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahre 2012 war das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4 verboten. In Anbetracht der beiderseitigen Strafbewehrung nach §§ 284, 285 StGB handelt es sich um ein beidseitiges Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Dass unter das grundsätzliche Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur Online-Casionspiele, sondern auch Online-Sportwetten fallen, folgt aus § 4 Abs. 5 GlüStV 2012, welcher unter den dort genannten Voraussetzungen eine Öffnungsklausel für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet vorsah. Hierfür sah der GlüStV in §§ 10a, 4a ff. GlüStV 2012 ein Konzessionsverfahren für private Anbieter vor. Über eine solche Konzession verfügt die Beklagte zu 2) im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht.
b) Der Annahme eines gesetzlichen Verbots und der daraus folgenden Nichtigkeit der Wettspielverträge stehen auch europarechtlichen Vorschriften, insbesondere die Niederlassungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nicht entgegen.
aa) In seinem Urteil vom 04.02.2016 - C 336/14 (Ince) hat der Europäische Gerichtshof die Rechtsprechung zum alten Glücksspielstaatsvertrag fortgeführt: "Insoweit ist eingangs darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Bestimmungen der Verträge und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten bewirken, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. Urteile Simmenthal,C 106/77, ECLI:ECLI:EU:C:1978:49, Rn. 17, Factortame u. a., C-213/89, ECLI:ECLI:EU:C:1990:257, Rn. 18, und Winner Wetten, C-409/06, ECLI:ECLI:EU:C:2010:503, Rn. 53). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine nationale Regelung über ein staatliches Sportwettenmonopol, die nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts Beschränkungen mit sich bringt, die mit dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf (vgl. Urteile Winner Wetten, C-409/06, ECLI:ECLI:EU:C:2010:503, Rn. 69, sowie Stanleybet International u. a., C-186/11 und C-209/11, ECLI:ECLI:EU:C:2013:33, Rn. 38)". (EuGH Urt. v. 4.2.2016 - C-336/14, BeckRS 2016, 80225 Rn. 52, 53).
Unter Zugrundelegung der Annahme des damals vorlegenden Gerichts, wonach das staatliche Monopol auf die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten faktisch auch unter Geltung des neuen Glücksspielstaatsvertrags von 2012 fortbestanden habe, hat der EuGH entschieden:
"Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat daran hindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz für die Veranstaltung von Sportwetten innehat, zu ahnden,
- wenn die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten daran geknüpft ist, dass der genannte Wirtschaftsteilnehmer eine Konzession nach einem Konzessionserteilungsverfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhält und das vorlegende Gericht feststellt, dass dieses Verfahren den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet, und
- soweit trotz des Inkrafttretens einer nationalen Bestimmung, nach der privaten Wirtschaftsteilnehmern eine Konzession erteilt werden kann, die von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen Bestimmungen, mit denen ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten eingeführt wurde, faktisch weiter angewandt werden." (EuGH Urt. v. 4.2.2016 - C-336/14, BeckRS 2016, 80225, amtlicher Leitsatz).
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann hieraus für den vorliegenden Fall aber nicht gefolgert werden, dass in Anbetracht der fehlenden Erlaubnis zur Vermittlung von Online-Sportwetten das dann nach nationalem Recht geltende Verbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht anzuwenden wäre, mit der Folge, dass dieses gesetzliche Verbot nach § 134 BGB auch auf zivilrechtliche Verträge unter Privaten keine Anwendung finden würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit Urteil vom 26.10.2017 - 8 C 18/16 in Kenntnis der vorgenannten Entscheidung des EuGH mit dem Internetverbot für Sportwetten und dem dafür vorgesehenen Konzessionsverfahren auseinandergesetzt und eine behördliche Untersagungsverfügung, die auch nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2012 fortwirkte, für mit EU-Recht vereinbar und rechtmäßig erachtet, jedenfalls wenn der betroffene Anbieter nicht an dem Sportwettenkonzessionsverfahren teilgenommen hat, obwohl ihm eine Antragsstellung rechtlich und faktische möglich gewesen wäre (BVerwG, a.a.O. Rn. 44 ff.).
Dass die Beklagte zu 2) im Jahr 2013 einen entsprechenden Antrag gestellt hat, was klägerseits zulässig mit Nichtwissen bestritten wurde, ergibt sich nicht aus der beklagtenseits vorgelegten Anlage B22. In dieser E-Mail des hessischen Innenministeriums wird zwar bestätigt, dass ein Antrag fristgerecht eingereicht sei. In der Betreffzeile wird jedoch ein anderer Rechtsträger als die Beklagte zu 2) genannt, namentlich die Firma B.
Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2) für den Fall, dass sie selbst einen Antrag gestellt hätte, auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 hätte einhalten müssen, was - jedenfalls angesichts der fortwährenden Überschreitung des monatlichen Höchsteinsatzes von 1.000,00 €, wie aus Anlage K4 ersichtlich ist - nicht der Fall war.
cc) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung oder darauf stützen, dass die nationalen Behörden und Gerichte nach dem Grundsatz des effet utile die praktische Wirksamkeit des vorrangigen EU-Rechts sicherzustellen haben. Die Beklagten verweisen darauf, dass ein seitens der Verwaltungsbehörden geduldeter Verstoß gegen ein europarechtswidriges Verbot, welcher in der Folge auch strafrechtlich nicht sanktioniert werde, nicht über den Zivilrechtsweg dazu führen könne, dass der Anbieter von Online-Sportwetten wegen dieses Verstoßes zur Erstattung der Wettspieleinsätze verpflichtet werde. Hierbei geht die beklagte Partei indes von der falschen Annahme aus, dass die vorliegende Situation mit derjenigen vergleichbar ist, welcher dem Strafverfahren zugrunde gelegen hatte, im Rahmen dessen die Vorlage in Sachen "Ince" an den EuGH erfolgt ist. Ausweislich der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag aber jedenfalls keine durchgehende Duldung von Online-Sportwetten ohne die hierfür nach dem Glücksspielstaatsvertrag erforderliche Erlaubnis vor, jedenfalls nicht, soweit der betreffende Anbieter noch nicht einmal einen Antrag nach dem Konzessionsverfahren gestellt hatte. Ob in dieser Konstellation eine strafrechtliche Ahndung insbesondere nach § 284 StGB zulässig wäre, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.02.2020 - 3 StR 327/19 greift insoweit lediglich die allgemeinen Grundsätze auf, hatte über die vorliegende Konstellation allerdings nicht zu entscheiden. Wenn man jedoch im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die normative Ausgestaltung des Konzessionserteilungsverfahrens in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 als ausreichende und mit Europarecht vereinbare Grundlage für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens ansieht, so müsste dies konsequenterweise auch für den verwaltungsakzessorisch normierten Straftatbestand in § 284 StGB gelten.
c) Dem klägerischen Anspruch stehen auch §§ 814, 817 S. 2, 242 BGB nicht entgegen.
Nach dem persönlichen Eindruck aufgrund der Anhörung des Klägers hat das Gericht keinen Grund zu der Annahme, dass dem Kläger im Zeitpunkt der jeweiligen Wettspielverträge im Sinne der §§ 814, 817 S. 2 BGB bewusst gewesen wäre, dass die von der Beklagten zu 2) veranstalteten Sport-Wetten mangels behördlicher Erlaubnis zur Durchführung verboten sein könnten. Der Kläger hat glaubhaft und in sich schlüssig dargelegt, dass er sich aufgrund der damals offensiven Bewerbung, vor allem im Internet, nicht ansatzweise darüber Gedanken gemacht hatte, dass diese Form der Online Sport-Wetten nicht erlaubt sein könnten. Insoweit ist es unbehelflich, wenn die Beklagten darauf abstellen, dass diese Thematik seinerzeit Gegenstand umfassender medialer Berichterstattung gewesen sei und sich Spieler auch in Foren ausgetauscht hätten. Mag sein, dass dem allgemein so war. Dass dies auch auf den Kläger zutrifft, dieser sich der Gesetzeswidrigkeit auch nur leichtfertig verschlossen hätte, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete beklagte Partei aber nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können. Unabhängig davon, ob die Allgemeinen Nutzungsbedingungen (Anlage B2) jeweils wirksam in die Verträge einbezogen wurden, was klägerseits bestritten wurde, ist der unter Abschnitt C. Ziffer 3.4 allgemein gehaltene Hinweis nicht geeignet, per se den Vorwurf eines sich der Gesetzeswidrigkeit leichtfertigen Verschließens zu begründen.
Der Kläger verhält sich im übrigen auch nicht treuwidrig, wenn er zunächst die Chance auf einen Gewinn erhalten hat und sich im Anschluss an einen Verlust bei der Beklagten schadlos halten will. Es ist schon kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu 2) ersichtlich, wonach diese berechtigterweise hätte davon ausgehen dürfen, die Wettspieleinsätze endgültig zu behalten. Die Beklagte zu 2) hätte im Eigeninteresse vor Abschluss des jeweiligen Wettspielvertrags den Kläger darauf hinweisen können, dass nach dem Glücksspielstaatsvertrag an sich eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Sportwetten erforderlich wäre, über welche die Beklagte zu 2) aber nicht verfügte. Dadurch hätte die Beklagte zu 2) zumindest die Voraussetzungen für die Anwendung des Kondiktionssausschlusses nach § 817 S. 2 BGB herbeiführen können.
2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 (analog) BGB ab dem auf die Zustellung folgenden Tag.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf einer Anwendung der §§ 91, 92 ZPO nach der Baumbach'schen Formel, wonach für die Kostenquote ein fiktiver Gesamtstreitwert in Höhe von 96.217,60 € betreffend die beiden Beklagten zu bilden und hieraus die Obsiegens- und Unterliegensquote entsprechend zu ermitteln ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach der bezifferten Klageforderung, ab der Teilklagerücknahme in entsprechend reduzierter Höhe.
Datum der Verkündung: 30.07.2021
Gericht: Landgericht München I
Spruchkörper: 31. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 31 O 16477/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Per Smartphone und Computer nahm ein Spieler in seiner in Deutschland liegenden Wohnung an mehreren Online-Glücksspielen teil, welche von der Beklagten „Oring Ltd.“ angeboten wurden. In diesem Kontext überwies der Spieler an zwei Tagen Beträge in Gesamthöhe von insgesamt 14.230 Euro an die Beklagte. Er forderte diese dann zur Rückzahlung der Summe auf. Der Anspruch wurde dabei primär auf die Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gestützt und die Klage von der Kanzlei CLLB Rechtsanwälte (Berlin) eingereicht.
Die 31. Zivilrechtskammer des Landgericht München I bestätigte diesen Anspruch mit ihrem Urteil vom 30.07.2021 und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung der 14.230 Euro. Den zwischen den beiden Parteien geschlossenen Spielvertrag hielt das Landgericht wegen Verstoßes gegen die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV dabei für nichtig gemäß § 134 BGB.
Eine internationale Zuständigkeit des Landgericht München I ergebe sich aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO. Die in Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO vorausgesetzte Verbrauchereigenschaft des Spielers bestätigte der Einzelrichter aufgrund eines fehlenden Zusammenhangs mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit beim Vertragsschluss auf Seiten des Spielers.
Das LG München I konstatierte in diesem Zusammenhang zudem, dass die Oring Ltd. mit dem Anbieten des Online-Glücksspiels eine gewerbliche Tätigkeit ausübe, welche sich ebenfalls an Spieler mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland richte. Diese Voraussetzung sei nach dem Landgericht bereits erfüllt, wenn „der offenkundige Wille des Vertragspartners festgestellt werden kann, Verbraucher in diesem Staat als Kunden zu gewinnen“ (Musielak/Voit/Stad/er, ZPO, 18. Aufl. 2021, Art. 17 EuGVVO Rn. 8.) Aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom l-VO folge zudem nach der 31. Zivilrechtskammer des LG München I die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Zivilrechts.
Eine etwaige Unionsrechtswidrigkeit lehnte der Einzelrichter in Ermangelung eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV ab. Dem Einwand der Beklagten, dass ein Verstoß nach § 817 S. 2 BGB vorliege, da der Spieler selbst gegen das Verbotsgesetz verstoßen habe, widersprach das Landgericht. Begründet wurde dies mit der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Spielers, nach denen dieser zum Zeitpunkt der Durchführung keine Kenntnis von dem Verbot der Teilnahme an Online-Glücksspielen hatte. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten haben aus Sicht des Gerichts keinen Einfluss auf diesen Umstand.
Die Regelung des § 762 Abs. 1 S. 2 BGB finde zudem aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrags keine Anwendung.
Landgericht München I
Az.: 31 O 16477/20
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Forderung
erlässt das Landgericht München I - 31. Zivilkammer - durch den Richter *** als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2021 folgendes
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.230,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2021 zu zahlen.
2) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 14.230,00 Euro festgesetzt.
Der Kläger macht einen Anspruch auf Rückzahlung von Einsätzen bei Online-Glücksspielen geltend.
Der Kläger nahm zu keinem Zeitpunkt außerhalb Deutschlands oder im Bundesland Schleswig-Holstein an den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen teil. Die Zahlungen erfolgten über den PC oder das Smartphone des Klägers in der im Rubrum genannten Wohnung in ***. Die Abbuchungen erfolgten über das Girokonto und das Kreditkartenkonto des Klägers, die beide in Deutschland geführt werden. Der Kläger überwies am 19.04.2020 sechs Einzelbeträge, sowie am 27.04.2020 einen Einzelbetrag, die einen Gesamtbetrag in Höhe von 14.230,- Euro ergaben (Anlage K1).
Die Beklagte hat die Nutzungsbedingungen (Anlage B1) vorgelegt. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:
Ziffer 1,3: „Sie sollten sicherstellen, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen von Ihrem Wohnsitzland aus legal ist. “
Ziffer 2.2: „Bel der Registrierung müssen Sie die folgenden gültigen persönlichen Daten angeben, die mit Ihren Ausweisdokumenten übereinstimmen: (...) Wohnanschrift (...)“
Ziffer 2.3: „Sie müssen uns bei der Registrierung und von da an alle Änderungen Ihrer persönlichen oder finanziellen Daten (wie Adresse, ...) mitteilen, die sich auf die Nutzung Ihres Spieierkontos auswirken können.“
Ziffer 2.8.: „Wir führen ein „Know Your Customer“-Verfahren (KYC) durch, um Spieler gemäß den von den zuständigen Aufsichtsbehörden festgelegten Anforderungen für die Nutzung der Website positiv zu identifizieren. Sie müssen offizielle Dokumente in schriftlicher Form vorlegen, wie z.B. einen Identitätsnachweis mit Foto und einen Adressnachweis (...).“
Ziffer 2.9: „Wir lassen keine Registrierungen aus bestimmten Gerichtsbarkeiten (...) zu, darunter: (...).“
Der Kläger trägt vor, er habe angenommen, dass die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Online-Casinospiele erlaubt seien.
Der Kläger ist der Ansicht, es sei die internationale Zuständigkeit eröffnet und das deutsche Recht anwendbar.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Rückzahlungsanspruch einerseits aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB und andererseits aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen.
Zum Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB meint der Kläger: Die Spielverträge für Online-Casinospiele seien wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV bzw. gegen § 284 StGB gemäß § 134 BGB nichtig. Der Anspruch sei weder nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB, noch nach § 814 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder nach § 817 S. 2 Hs. 1 BGB ausgeschlossen. Der Kläger habe nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen; er habe sich auch nicht leichtfertig der Verbotskenntnis verschlossen. Hilfsweise sei § 817 S. 2 Hs. 1 BGB teleologisch zu reduzieren.
Zum Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen meint der Kläger: § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, Abs. 5 GlüStV seien Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Schuldhafte Verletzungshandlungen der Beklagten lägen vor. Dem Kläger sei hierdurch kausal ein Schaden entstanden. Dem Kläger sei kein Mitverschulden anzulasten. Der Anspruch sei nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.
Der Kläger beruft sich hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung unter anderem auf folgende Entscheidungen: KG, Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19 (Anlage K n.n.), LG Mainz, Urteil vom 14.07.2021 - 9 O 65/20 (Anlage K8), LG Aachen, Urteil vom 13.07.2021 - 8 O 582/20 (Anlage K7), LG Paderborn, Urteil vom 08.07.2021 - 4 0 323/20 (Anlage K11), LG Coburg, Urteil vom 01.06.2021 - 23 O 416/20 (Anlage K18), LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021 - 4 O 84/20 (Anlage K9), LG Ulm, 16.12.2019 - 4 O 202/18 (Anlage K2).
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von € 14.230,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte trägt vor, sie weise in den Nutzungsbedingungen ausdrücklich auf ein mögliches gesetzliches Verbot hin. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, von einer grundsätzlichen Erlaubnis der angebotenen Spiele ausgegangen zu sein.
Die Beklagte ist der Ansicht, es bestehe kein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Spielvertrag sei wirksam. Hilfsweise sei der Anspruch nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. nach §
817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
Die Beklagte ist zudem der Ansicht, ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen bestehe ebenfalls nicht. Zum einen liege kein Gesetzesverstoß vor. Hilfsweise erfasse der Schutzzweck der Vorschriften nicht das Vermögen des Spielers. Es fehle außerdem an einem kausalen Schaden und hilfsweise sei der Anspruch nach § 242 BGB ausgeschlossen.
Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung unter anderem auf folgende Entscheidungen: AG Euskirchen, Urteil vom 31.05.2021 - 13 C 158/21 (Anlage B3), LG München I, Urteil vom 13.04.2021 - 8 O 16058/20, LG Duisburg, Urteil vom 19.10.2016 - 3 0 373/14 (Anlage B2)
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 26.07.2021 (BI. 130-136 d.A.) Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO.
1) Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist in sachlicher sowie räumlich-persönlicher und zeitlicher Hinsicht eröffnet (Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1, Art. 66 Abs. 1 i.V.m, Art. 81 EuGVVO).
2) Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO liegen vor.
a. Der Kläger hat den Vertrag über die Teilnahme an den Online-Glücksspielen der Beklagte als Verbraucher abgeschlossen. Der Vertragsschluss stand nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Klägers.
b. Die Beklagte übt mit dem Angebot der Online-Glücksspiele eine gewerbliche Tätigkeit aus und richtet diese unter anderem auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus. Ein „Ausrichten“ gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit auf den Verbraucherstaat liegt vor, wenn der offenkundige Wille des Vertragspartners festgestellt werden kann, Verbraucher in diesem Staat als Kunden zu gewinnen, er also zu einem Vertragsschluss mit ihnen bereit ist (Musielak/Voit/Stad/er, ZPO, 18. Aufl. 2021, Art. 17 EuGVVO Rn. 8). Dies ergibt sich hier unter anderem daraus, dass die Bundesrepublik Deutschland in Ziffer 2.9 der von der Beklagten vorgelegten Nutzungsbedingungen nicht genannt ist.
c. Erfasst sind insoweit auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl. 2020, Art. 17 EuGVVO Rn. 17).
II. Die Klage ist auch begründet.
1) Die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Zivilrechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom l-VO.
a. Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 Rom l-VO ist eröffnet. Ein Fall des Art. 1 Abs. 2 Rom l-VO ist nicht eröffnet.
b. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom l-VO liegen vor. Der Kläger handelte als Verbraucher (s.o.). Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit unter anderem auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet (s.o.).
2) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einsätze in Höhe von 14.230,00 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
a. Die mit Anlage K1 belegten Überweisungen stellen Leistungen i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB dar.
b. Durch die streitgegenständlichen Überweisungen hat sich das Vermögen der Beklagten in entsprechender Höhe gemehrt. Einer präziseren Bestimmung des erlangten Etwas bedarf es an dieser Stelle nicht.
c. Die Leistungen des Klägers erfolgten ohne Rechtsgrund. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag über die Teilnahme des Klägers an den Online-Glücksspielen der Beklagten ist wegen Verstoßes gegen den Glücksspielstaatsvertrag (namentlich § 4 Abs. 4 GlüStV) gemäß § 134 BGB nichtig.
§ 4 Abs. 4 GlüStV stellte im streitgegenständlichen Zeitraum April 2020 für das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ein gesetzliches Verbot auf. Der Kläger hat nur virtuelle Automatenspiele (sog. „Slots“) auf der Homepage www, gespielt (vgL BI. 48 d.A.). Solche Automatenspiele sind - wegen ihres erhöhten Suchtpotentials - als eine Art des Glücks
Spiels zu qualifizieren, die nach dem GlüStV gerade verboten werden sollte.
Der Einzelrichter schließt sich der verbreiteten Ansicht in der Rechtsprechung an, wonach es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um eine Verbotsnorm i.S.d. § 134 BGB handelt (vgl. u.a. LG Mainz, Urteil vom 14.07.2021 - 9 0 65/20; LG Mainz, Urteil vom 14.07.2021 -90 65/20; LG München I, Urteil vom 13.04.2021 - 8 O 16058/20).
Der Einzelrichter vermag insoweit auch nicht eine Unionsrechtswidrigkeit zu erkennen. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV liegt im Ergebnis nicht vor, da mit § 4 Abs. 4 GlüStV insbesondere die Suchtbekämpfung bezweckt wird, was zwar eine Beeinträchtigung darstellen mag, allerdings gemäß Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV gerechtfertigt ist. Aufgrund des allgemeinen Verbots von Glücksspielen im Internet liegt insofern auch die erforderliche Kohärenz vor (vgl. zu diesem Absatz u.a.: KG, Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19).
d. Gemäß § 818 BGB hat die Beklagte daher die Einsätze zurück zu gewähren.
e. § 817 S. 2 BGB ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass dem Kläger gleichermaßen ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last fällt.
aa. Die umfangreiche informatorische Anhörung des Klägers im - mit Einverständnis aller Beteiligten über die Videokonferenzanlage durchgeführten (vgl. S. 2 des Protokolls, BL 131 d.A.) - Termin ergab keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, die Aussage des Klägers, er habe zum Zeitpunkt der Einsätze keine Kenntnis vom Verbot seiner Teilnahme am Online-Glücksspiel gehabt, in Zweifel zu ziehen. Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Beklagten, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt.
bb. Der Verweis der Beklagten auf ihre Nutzungsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis.
Darauf, dass die Beklagte in der Klageerwiderung den Text der Nutzungsbedingungen unrichtig wiedergegeben hat (“Du musst“ statt „Sie sollten“), wurde bereits mit Verfügung vom 18.03.2021 (BI. 44 d.A.) hingewiesen.
Es hätte im Übrigen an der Beklagten gelegen, ihre Nutzungsbedingungen auch entsprechend umzusetzen. Aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Inhalt der Nutzungsbedingungen ergibt sich eindeutig, dass sich die Beklagte sämtliche relevanten Daten mit Belegen hat vorlegen lassen. Die Beklagte hatte demnach zum Zeitpunkt der Einsätze Kenntnis vom Wohnsitz des Klägers in *** so dass die Beklagte die in der Nutzungsbedingungen ausdrücklich angekündigte Prüfung entweder unterlassen hat oder den (hier nur objektiven, nicht auch subjektiven) Ver-
stoß des Klägers offensichtlich in Kauf genommen hat, um von den Einsätzen zu profitieren.
cc. Auf die Frage einer teleologischen Reduktion des § 817 S, 2 BGB kommt es daher nicht an.
f. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB betrifft eine andere Konstellation. § 762 greift nur ein, wenn ein wirksamer Spiel- oder Wettvertrag vorliegt. Ist der Vertrag nichtig, bleibt es bei den allgemeinen Regeln (BeckOGK/Haert/e/n, Stand: 01.06.2021, § 762 BGB Rn. 114; BeckOK-BGB! Janoschek, 58. Ed. - Stand: 01.05.2021, § 762 BGB Rn. 18; MüKo-BGBIHabersack, 8. Aufl. 2020, § 762 BGB Rn. 13).
g. Der Zinsanspruch ergibt sich §§ 286, 288 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog. Die Klage wurde der Beklagten am 02.02.2021 zugestellt (BI. 31 d.A.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Der Streitwert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München
einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Das elektronische Dokument muss
Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:
Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen.
Gez.:
****
Richter
Verkündet am 30.07.2021
Datum der Verkündung: 19.07.2021
Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
Spruchkörper: 19. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 19 0 6690/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.10.2018 hatte ein Spieler bei einem Online-Casino der Beklagten „ElectraWorks Limited“ mehr als 38.000 Euro verloren. Die Verluste beruhten dabei auf der Teilnahme des Spielers an Glücksspielen und Sportwetten, welche die Beklagte auf ihrer Seite angeboten hatte. Der Kläger forderte die Beklagte im Anschluss zur Rückzahlung des Einzahlungsbetrages (abzüglich der Auszahlungen) auf. Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied daraufhin am 19.07.2021, dass die von der Kanzlei Lenné (Leverkusen) eingereichte Klage sowohl zulässig als auch begründet sei. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung der 38.713,08 Euro nebst Zinsen zurück an den klagenden Spieler.
Die internationale Zuständigkeit des LG Nürnberg-Fürth ergebe sich nach diesem aus Art. 18 Abs. 1,17 Abs. 1 c) EuGVVO. In Ermangelung eines Hinweises auf die bleibende Anwendbarkeit des zwingenden innerstaatlichen Rechts in den AGB der Beklagten, entsprechen diese nicht dem erforderlichen Transparenzgebot für AGBs. Dies habe zur Folge, dass eine abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom-I Verordnung nicht bestehe, womit deutsches Recht anwendbar sei.
Ein Anspruch des Klägers folge nach dem Landgericht aus § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB. Die Spielverträge zwischen der Beklagten und dem Spieler seien aufgrund der fehlenden Erlaubnis zum Anbieten von Glücksspielen und Sportwetten nichtig nach § 134 BGB in Verbindung mit dem damaligen § 4 GlüStV. Etwaige „aktive Duldungen“ von Behörden seien für diese Beurteilung nicht von Bedeutung. Es sei zudem nicht von Relevanz, dass sich die Beklagte als Anbieterin der Glücksspiele und Sportwetten um eine Erlaubnis zum Anbieten jener Spiele und Wetten bemüht hatte. Die Beklagte trug vor, dass sich eine Erlaubniserteilung angebahnt hätte, sodann aber das entsprechende verwaltungsrechtliche Verfahren nicht durchgeführt worden sei. Auch diese Argumentation überzeugte das LG Nürnberg-Fürth nicht. Das Anbieten von Sportwetten und Glücksspielen sei aufgrund der eindeutigen Rechtslage ohne entsprechende Erlaubnis illegal gewesen und führe bis zum Erhalt einer solchen Erlaubnis somit zur Nichtigkeit abgeschlossener Spielverträge.
Entgegen der Auffassung der Beklagten konstatierte das Landgericht Nürnberg-Fürth zudem, dass die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in diesem Fall nicht greife, da ansonsten ein Anreiz für die sittenwidrig Handelnden zum Fortsetzen des Gesetzesverstoßes geschaffen wäre. Dies würde dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Verbraucher vor Gefahren des Glücksspiels zuwiderlaufen und sei zudem der Grund, weswegen ebenfalls eine Treuwidrigkeit nach § 242 BGB ausgeschlossen sei.
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 19 0 6690/20
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
**
Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lenne, Max-Delbrück-Straße 18, 51377 Leverkusen, Gz.: 981/20 DK01
gegen
**
Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: **
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 19. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 folgendes
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche aus Internet-Sportwetten und -Glücksspiel bezüglich eines Zeitraumes vom 01.01.2017 bis zum 30.10.2018.
Die Beklagte betreibt eine Internetseite, auf welcher an diversen Sportwetten und Glücksspielen teilgenommen werden kann. Diese Seite ist auch in deutscher Sprache verfügbar. Die Beklagte war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Inhaber einer Erlaubnis nach § 4 GlüStV. Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum einer Vollzeittätigkeit in Nürnberg nachging, nahm von seinem jeweiligen Wohnsitz an den Angeboten der Beklagten teil. Der Kläger leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Einzahlungen in Höhe von 44.597,46 € und erhielt von der Beklagten Auszahlungen in Höhe von 5884,38 €. Der Kläger verlor einen Betrag in Höhe von 13.234,02 € für Online-Sportwetten, im Übrigen wurden die eingezahlten Beträge für Casinospiele verwendet. Mit E-Mail vom 01.10.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des um die Auszahlungen verminderten Einzahlungsbetrag für den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 11.10.2020 auf.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.713,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 12.10.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
Die zulässige (A.) Klage ist begründet (B.).
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht für den zu entscheidenden Sachverhalt zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Artt. 18 Abs. 1,17 Abs. 1 c) EuGVVO (I.), deutsches Recht ist vorliegend anwendbar (II.).
Insbesondere handelte der Kläger in Bezug auf die Teilnahme an den streitgegenständlichen Online-Angeboten der Beklagten als Verbraucher im Sinne von Art. 17 EuGVVO.
Auch wenn die Beklagte den klägerischen Vortrag zu den Umständen seiner Spielteilnahme - pauschal - bestritten bzw. sich mit Nichtwissen erklärt hat (vergleiche Blatt 26 f„115 der Akte), ist angesichts des substantiierten klägerischen Vortrags kein Sachverhalt ersichtlich, nach welchem eine Teilnahme am Internetangebot der Beklagten einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im vorliegenden Fall zurechenbar wäre.
Auf den substantiierten Klägervortrag, dass der Kläger eine Vollzeittätigkeit bei einem - benannten - Arbeitgeber während der gesamten geltend gemachten Spieldauer ausübte, folgt kein in irgendeiner Weise substantiiertes Bestreiten der Beklagten, weshalb von diesem und den übrigen klägerseits angeführten Umständen der Spielteilnahme als unstreitig auszugehen ist, § 138 Abs. 2 ZPO, damit auch wie vom Kläger dargelegt, dass er an den Spielen von seinem Wohnsitz aus teilgenommen hat.
Eine wirksame abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom-l Verordnung liegt bereits deshalb nicht vor, weil die fragliche AGB-Klausel den AGB-rechtlichen Transparenzgeboten nicht genügt, da in ihr nicht auf die bleibende Anwendbarkeit zwingenden innerstaatlichen Rechts im Sinne von Art. 3 bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-1 Verordnung hingewiesen wird (vgl. BeckOGK/Wendland, 1.2.2020, Rom l-VO Art. 3 Rn. 288 m.w.N.).
Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe aus § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB, weil die streitgegenständlichen Glücksspielverträge (auch soweit es sich um Sportwetten gehandelt hat) wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 4 GlüStV nichtig sind (I.). Die Rückforderung ist auch nicht wegen § 817 Satz 2 BGB oder § 242 BGB ausgeschlossen (II.).
Die Voraussetzungen von § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB sind gegeben.
Die Beklagte hat die geltend gemachten Umstände insoweit nur in unzulässigerweise pauschal bestritten, bzw. sich - was ausgeschlossen ist, weil es der eigene Wahrnehmungsbereich der Beklagten ist - mit Nichtwissen erklärt, mit der Folge des § 138 Abs. 2 ZPO.
wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 4 GlüStV nichtig sind.
Damit war es ihr generell und von vorneherein verboten, die streitgegenständlichen Glücksspiele und auch Sportwetten anzubieten, und ein entsprechender Verstoß zieht die Nichtigkeitsfolge nach sich (vgl. BeckOGK/ Vossler, 1.6.2021, BGB § 134 Rn. 219 m.w.N).
Nach klarer Gesetzeslage hätte die Beklagte schlicht und ergreifend so lange von der Durchführung ihres ohne Erlaubnis illegalen Angebotes absehen müssen, wie sie keine
wirksame Erlaubnis innehatte.
Nach überzeugender Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes folgt auch aus dem - beklagtenseits zur Begründung der angeblichen Rechtmäßigkeit jedenfalls ihres Sportwettenangebots herangezogenen - Umstand, dass nach einer Entscheidung des EuGH (C< 66/14) unter bestimmten Umständen strafrechtliche Sanktionen nicht verhängt werden dürfen, nicht, dass deswegen eine nicht erteilte Genehmigung nach dem GlüStV anzunehmen wäre oder eine sonstige Legalisierungswirkung vorläge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. November 2018 - 8 B 29/18 -, Rn. 14, juris). Auch die beklagtenseits angeführten mittlerweile eingetretenen weiteren Entwicklungen vermögen - diese unterstellt - eine abweichende rechtliche Bewertung für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu begründen.
Einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung stehen auch weder § 817 BGB (1.) noch §242 BGB (2.) entgegen.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe kann angesichts des offensichtlichen und eklatanten Hinwegsetzen der Beklagten über geltendes Recht ein Kondiktionsausschluss nicht greifen:
Anderenfalls bliebe der Gesetzesverstoß der Beklagten folgenlos, und der vom Gesetzgeber bezweckte Verbraucherschutz vor den Gefahren des Glücksspieles ausgehebelt, und die die Möglichkeit zum möglichen Verstoß auch des Klägers erst bietende Beklagte hätte keinen Anreiz, ihr Verhalten, nämlich das rechtswidrige Anbieten von Glücksspielen, einzustellen. Nur die Rückforderungsmöglichkeit der um die Gewinne bereinigten Einsätze der Spieler kann die Machenschaften illegaler Glücksspielanbieter wie - jdf. im streitgegenständlichen Zeitraum - der Beklagten eindämmen, weil nur so sichergestellt ist, dass sich das Hinwegsetzen über geltendes Recht auch wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Ein Ausschluss der Kondiktion würde den rechtlich missbilligten Vermögenszustand demgegenüber in unerträglicher Weise perpetuieren.
Nach der gesetzgeberischen Wertung ist also die Rückgängigmachung der rechtswidrig erlangten Gewinne der Beklagten in klarer Übereinstimmung mit der Rechtslage und mehr noch gefordert, vgl. soeben 1.; die Rückforderung des Verbrauchers ist daher in keiner Weise treuwidrig.
Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzugsgesichtspunkten, vergleiche auch Anlage K4.
Die Kostentragung richtet sich nach § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO.
gez.
Richter am Landgericht
Verkündet am 19.07.2021
gez.
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Für die Richtigkeit der Abschrift Nürnberg, 20.07.2021
Datum der Verkündung: 01.06.2021
Gericht: Landgericht Coburg
Spruchkörper: 2. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 23 O 416/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Im Januar 2018 führte der Kläger mehrere Casino-Spiele auf der Internetseite „bet-at-home.com“ der Beklagten durch und tätigte im Anschluss Zahlungen in Höhe von 61.987,00 Euro an diese. Neben Glücksspielen wie Blackjack, Baccarat und Slots bietet das Online-Casino der Beklagten ebenfalls ein sogenanntes „Live-Roulette“ an. Der Kläger trug vor, ausschließlich an jenen „Live-Roulette“-Spielen teilgenommen zu haben und dabei von der Legalität des Online-Glücksspiels ausgegangen zu sein.
Das LG Coburg erkannte einen Anspruch des Klägers an und verpflichtete die Beklagte zu einer Rückzahlung der 61.987,00 Euro nebst Zinsen. Den Vertrag über die Teilnahme an den von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspielen hielt das Gericht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV für nichtig. Zudem stellte es fest, dass detaillierte Ausführungen des Klägers über den jeweiligen einzelnen Einsatz beim „Live-Roulette“ nicht für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlich seien, da die Buchungsliste von dem Online-Casino selbst geführt wurde. Die Richterin betonte außerdem den Willen des Gesetzgebers, dem hohen Manipulations- und Suchtpotential entgegenzuwirken, welcher in dem damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV resultierte
Die internationale Zuständigkeit des LG Coburg ergebe sich nach diesem aus Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO. Dieser räumt Verbrauchern die Möglichkeit ein, den Vertragspartner am eigenen Wohnsitz zu verklagen, sofern dieser eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedsstaat, in welchem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausübt, oder eine derartige Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet. Eine Verbrauchereigenschaft des klagenden Spielers sah die Einzelrichterin in diesem Fall als erfüllt an. Die örtliche Zuständigkeit folge zudem aus Art. 18 Abs. 2, 2. Alt. EuGVVO, sowie aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Die dem zuwiderlaufenden Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien nach dem Landgericht unwirksam, da derartige Zuständigkeitsvereinbarungen durch das Ziel des Verbraucherschutzes einzuschränken seien und daher nach Art. 19 Nr. 1 EuGVVO lediglich nach dem Entstehen einer Streitigkeit vereinbart werden können. In Ermangelung einer derartigen Vereinbarung nach dem Entstehen des Rechtsstreits erachtet die zweite Zivilkammer des Landgerichts die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten bezüglich des Gerichtsstands als unwirksam nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO.
Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergebe sich nach der Auffassung des LG Coburgs aus Art. 6 Abs. 1 der ROM-I-Verordnung (EG Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008).
Entgegen der Annahme der Beklagten, dass der im streitgegenständlichen Zeitraum geltende § 4 Abs. 4 GlüStV unionsrechtswidrig sei, entschied das LG Coburg mit Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2017 (AZ: 8 C 18/16), dass die Norm im Einklang mit dem Unionsrecht stehe. In diesem Kontext konstatierte das Bundesverwaltungsgericht, dass mit dem Internetverbot für Online-Casinos „in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insb. des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität verfolgt werden“. Die in Art. 56 f. AEUV normierte Dienstleistungsfreiheit werde zwar durch ein solches Verbot beschränkt, diese Beschränkung sei jedoch verhältnismäßig, sowie geeignet um zu dem genannten Gemeinwohlzweck beizutragen und damit gerechtfertigt.
Die Unwirksamkeit des Spielvertrages führe zudem zur Nichtanwendbarkeit des § 762 Abs. 2 S. 1 BGB, da dieser einen wirksamen Vertrag voraussetze (Heidel/ Hüßtege/ Mansel/ Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 184). Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der 61.987,00 Euro aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB werde somit nach dem Landgericht nicht ausgeschlossen und bleibt neben dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV bestehen.
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lenne, Max-Delbrück-Straße 18, 51377 Leverkusen, Gz.: ***
gegen
gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Malta
- Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
wegen Forderung und Schadensersatzes
erlässt das Landgericht Coburg - 2. Zivilkammer - durch die Richterin am Landgericht *** als Einzelrichterin am 01.06.2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2021 folgendes
Der Streitwert wird auf 61.987,00 € festgesetzt.
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlungen von Einsätzen bei einem Online-Glücksspiel geltend.
Die Beklagte ist Betreiberin der Internetseite *** mit Sitz in Malta. Sie veranstaltet auf der von ihr betriebenen Internetseite öffentliche Glücksspiele im Internet. Dabei bietet die Beklagte Casino-Spiele wie Roulette, Blackjack, Baccarat und Slots (Spielautomaten) an. Die Beklagte verfügt über die in Malta notwendige Erlaubnis zur Durchführung derartiger Spiele.
Der Kläger ist Verbraucher mit Wohnsitz in Ebersdorf b. Coburg, Bayern. Sämtliche Glücksspiele tätigte er von seinem Handy bzw. Desktop-PC in diesem Bundesland.
Die Beklagte wurde durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 04.05.2020 zur Zahlung bis spätestens 27.05.2020 aufgefordert (Anlage K4). Die Beklagte lehnte mit E-Mail vom 27.05.2020 eine Erstattung ab (Anlage K5).
Der Kläger behauptet, dass er auf der Internetseite der Beklagten im Live-Casino gespielt habe. Er habe ausschließlich Live-Roulette gespielt. Dies ergebe sich aus den von der Beklagten selbst zur Verfügung gestellten Daten über die getätigten Einzahlungen sowie die Chip-Käufe für das Live-Casino (Anlagen K2 und K3). Er behauptet weiter, dass er im Zeitraum vom 04.01.2018 bis 29.01.2018 unter dem Kundenkonto 16810876 an die Beklagte einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.987,00 € geleistet habe. Auszahlungen hätten nicht stattgefunden. Die Einzelheiten der einzelnen Einzahlungen ergäbe sich aus der Einzahlungshistorie der Beklagten (Anlage K2) sowie aus der Übersendung der E-Mail der Beklagten zur Einzahlungshistorie (Anlage K3).
Der Kläger behauptet, er sei davon ausgegangen, dass es sich um legale Online-Glücksspiele handele. Die Beklagte gebe an, über eine entsprechende Lizenz zu verfügen und habe ihren Geschäftsbetrieb zudem auch gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet. So sei die Internetseite auf deutsch verfügbar, die Vertragssprache sei deutsch, die AGB sind deutsch sowie die von der Beklagten verwendete Domainadresse ende auf „de“.
Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, dass die Beklagte die Internetseite illegal betreibe, insbesondere in Deutschland verbotene Casino-Spiele anbiete.
Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, dass es sich um unerlaubtes Glücksspiel handele, denn das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet sei verboten. Die Beklagte verfüge über keine Lizenz zum Veranstalten öffentlicher Casino-Spiele für das Bundesland Bayern. Aufgrund des Glücksspielstaatsvertrages der Länder sei es zudem auch nicht möglich, legal ein Online-Casino in Bayern zu betreiben.
Der Kläger stützt den geltend gemachten Anspruch auf § 812 Abs. 1, Satz 1,1. Fall, BGB. Daneben stünde ihm ein Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 284 StGB zu.
Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Coburg aus Art. 17 Abs. 1c EuGVVO ergebe. Zudem ergebe sich die örtliche Zuständigkeit aus Art. 7 Nr. 1a und b, Nr. 2 EuGVVO. Das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele sei eine unerlaubte Handlung im Sinne dieser Vorschrift.
Der Kläger meint weiter, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV insbesondere mit Unionsrecht vereinbar sei. Mit dem Verbot werden hochrangige Gemeinwohlziele, insbesondere der Jugendschutz sowie die Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität verfolgt. Das Online-Glücksspiel weise insoweit ein besonderes hohes Gefährdungspotential auf. Der einfache und schnelle Zugriff auf das Glücksspielangebot bringe ein enormes Risiko mit sich. Da die geschlossenen Glücksspielverträge gegen das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstießen, seien diese gemäß § 134 BGB nichtig. Von daher sei die Beklagte zu Unrecht gemäß § 812 BGB bereichert. Die Beklagte könne sich nicht auf eine für einen anderen Mitgliedsstaat gültige Glücksspiellizenz berufen.
Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstoße weder gegen Verfassungsrecht noch gegen höherrangiges EU-Recht. Auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis finde auch deutsches Recht Anwendung.
Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, dass dem Rückforderungsanspruch des Klägers auch nicht der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB entgegenstehe. Dem Kläger sei kein Sittenverstoß vorzuwerfen, da die Beklagten bewusst versucht habe, den Anschein der Legalität des Online-Casino-Angebots zu erwecken.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.987,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 28.05.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Landgericht Coburg unzuständig sei. Dies ergebe sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Darüber hinaus hätten die Parteien auch vereinbart, dass maltesisches Recht zur Anwendung komme. Auch dies ergebe sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wonach, unter „A.5“ entsprechendes vereinbart worden sei.
Die Beklagte meint weiter, dass sie keine illegalen Glücksspiele im Internet anbiete. Das Angebot der Beklagten sei rechtlich zulässig. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte unterschiedliche Spielmöglichkeiten, insbesondere auch bundesweit gültige Sportwetten, anbiete. Die Beklagte meint in diesem Zusammenhang, dass der Vortrag des Klägers unschlüssig sei, da dieser nicht konkret angebe, welche jeweiligen Spiele mit welchen Einsätzen er konkret getätigt habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Verbot des § 4 Abs. 1 GlüStV in seiner aktuellen Fassung unionsrechtswidrig sei, im Übrigen auch verfassungswidrig und daher nicht anwendbar. Die Norm sei unionsrechtswidrig nicht nur wegen der widersprüchlichen Regelungen in den Ländern, sondern auch weil nach der Rechtsprechung des EuGH eine inkohärente Rechtslage in Deutschland besteht und bestand, mithin einschränkende Regelungen nicht angewandt werden könnten. Damit habe die Beklagte nie unerlaubtes Glücksspiel angeboten und tue dies bis heute nicht. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das Online-Glücksspiel in Deutschland nicht pauschal verboten sei, es sogar in Schleswig-Holstein erlaubt ist. Auch bestünde bisher eine aktive Duldung des Online-Glücksspiels durch die verschiedenen Aufsichtsbehörden in Deutschland, so auch in Bayern. Hieraus ergebe sich, dass das Online-Glücksspiel nicht verboten sei.
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass einem möglichen Rückzahlungsanspruch des Klägers jedenfalls § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstünde. Darüber hinaus stünde einem solchen Anspruch auch § 817 Satz 2 BGB entgegen. Hätte die Beklagte gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, dann hätte auch der Kläger sich an einem unerlaubten Glücksspiel gemäß § 285 StGB beteiligt. Es sei insoweit davon auszugehen, dass dem Kläger selbstverständlich bewusst war, dass die Spielteilnahme an etwaigen Spielen oder Wetten verbotswidrig gewesen sei. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger behaupten will, erst nach den Spieleinsätzen erfahren zu haben, dass die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Spiele angeblich nicht erlaubt seinen. Zudem weise die Beklagte ihre Kunden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hin, dass das Online-Glücksspiel im Heimatland des Kunden, möglicherweise illegal sein könnte. Es liege insoweit ausschließlich im Verantwortungsbereich des Kunden sich zu informieren. Die Beklagte übernehme in diesem Zusammenhang keinerlei Haftung oder Entschädigung des Kunden.
Auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ausdrücklich Bezug genommen. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2021 (Bl. 152 ff. d.A.) informatorisch angehört.
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zahlungen in Höhe von 61.987,00 € nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlückStV) sowie nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB.
1. Das Landgericht Coburg ist international, sachlich und örtlich zuständig und damit zur Entscheidung berufen.
Als Verbraucher ist jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer (gegenwärtigen oder zukünftigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Art. 17 EuGWO, Rn. 2). Der Kläger ist somit Verbraucher mit Wohnsitz in 96237 Ebersdorf bei Coburg.
Die Beklagte übt ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Die Beklagte als Vertragspartner hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen auf Deutschland, wo der Kläger seinen Wohnsitz hat, ausgerichtet, indem sie ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetdomain insbesondere Kunden in Deutschland angeboten hat. Einigkeit besteht darüber, dass das autonom auszulegende Tatbestandsmerkmal des „Ausrichtens“ jedenfalls erfüllt ist, wenn dem Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung des Vertragspartners vorausgegangen ist (OLG Düsseldorf Urt. v. 1.3.2018 - 16 U 83/17, BeckRS 2018, 14040 Rn. 26, beck-online). Mit dem Anbieten der Dienste in deutscher Sprache kommt zum Ausdruck, dass eine Werbung um Kunden in Deutschland und auch ein Angebot der Dienste insbesondere in Deutschland, dem Wohnsitzstaat des Klägers, durch die Beklagte beabsichtigt und angestrebt war. Das „Ausrichten“ der Tätigkeit i.S.v. Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist vorliegend auch ausreichend. Auf den Ort des Vertragsschlusses oder der hierfür erforderlichen Rechtshandlungen kommt es nicht an (BGH MDR 2013, 1365). Wo die Handlungen, die zum Vertragsschuss führten, vorgenommen worden sind, ist im Übrigen bei Vertragsschluss im Internet auch selten feststellbar. Der Schaden ist dort eingetreten, wo der Kläger seinen regelmäßigen Wohnsitz hat (so LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht München I, Urteil vom 13.04.2021, AZ: 8 O 16058/20).
Der prozessuale Verbraucherschutz gilt für Ansprüche aus einem Vertrag und für den Streit um das Zustandekommen des Vertrages. Erfasst sind auch Bereicherungsansprüche und nach der Rechtsprechung des EuGH auch deliktische Ansprüche, wenn die Ansprüche „untrennbar mit einem zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden tatsächlich geschlossenen Vertrag verbunden ist“ (Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, Art. 17, Rn. 1 b).
Damit liegt eine Verbrauchersache im Sinne von Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO vor, womit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen des Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner (Beklagte) gemäß Art. 18 Abs. 1,2. Alt. EuGVVO gegeben ist.
Die Regelung in Ziffer A.5 (“Gerichtsstand für sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen *** und dem Kunden ist Valletta (Malta))“ ist unwirksam. Zuständigkeitsvereinbarungen sind nur in den Grenzen des Art. 19 EuGVVO möglich. Die Zulässigkeit ist im Interesse des privilegierten Schutzes von Verbrauchern eingeschränkt. Hiernach können Zuständigkeitsvereinbarungen erst nach dem Entstehen der Streitigkeit vereinbart werden, Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Zuständigkeitsregelungen, die bereits in den Hauptvertrag aufgenommen werden, so wie hier, sind damit ausgeschlossen (Zöller, 33. Aufl. 2020, Art. 19, Rn. 1). Somit sind die Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zum Gerichtsstand nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO unwirksam (BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, Art. 25, Rn. 28).
Die Klage ist auch begründet.
1. Anwendung deutsches Recht
Auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt findet gemäß Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (im Folgenden: Rom l-VO) deutsches materielles Recht Anwendung.
Der Kläger hat als natürliche Personen ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Verbraucher einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, wobei letztere mit dem Anbieten von Online-Glücksspielen in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte (Unternehmer) und diese jedenfalls auch im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers (Deutschland) ausübte, Art. 6 Abs. 1 a) Rom l-VO.
Auch liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine abweichende Vereinbarung durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vor. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unter Punkt „A.5“ vorhandene Regelung, wonach „Die Rechtsbeziehung zwischen dem Kunden und *** dem maltesischen Recht unterliegt unter Ausschluss der Verweisungsnormen des Internationalen Zivilrechts“ ist unwirksam (BGH, Urteil vom 19.07.20212, I ZR 40/11; EuGH NJW 2016, 2727, Rn. 68 ff). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung benachteiligt eine Rechtswahlklausel die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entstandene Streitigkeiten gelten sollen. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-l-VO können die Parteien auch bei abgeschlossenen Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gemäß Art. 3 Rom-l-VO frei wählen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher allerdings nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Eine Rechtswahl ist daher an § 307 BGB zu messen und als unangemessene Benachteiligung einzuordnen, wenn
sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften tatsächlich Anwendung fänden. Eine Rechtswahl, die die „ausschließliche“ Anwendung ausländischen Rechts versieht, muss somit hinreichend deutlich machen, dass andere anwendbare zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts anwendbar bleiben. Eine Regelung ist deshalb ohne „aufklärende Hinweise“ wegen Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot unwirksam (BGH, Urteil vom 19.07.20212,1 ZR 40/11; beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2019, Rom l-VO Art. 6, Rn. 250). Bestätigung hat die Auffassung des BGH auch durch den EuGH erfahren. Dieser entschied, dass eine vorformulierte Rechtswahlklausel zu Gunsten luxemburgischen Rechts wegen Verstoßes gegen das in Art. 5 Klausel-RL enthaltene Transparenzgebot unwirksam sei, weil sie suggeriere, dass der Vertrag allein und ausschließlich dem luxemburgischen Recht unterliege. Der Verwender müsse den Verbraucher deshalb darauf hinweisen, dass über Art. 6 Abs. 2 Rom-l-VO der Verbraucher nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften seines Heimatstaates verlieren könne (EuGH NJW 2016, 2727, Rn. 68 ff).
Diesen Anforderungen entspricht die von der Beklagten verwendete Klausel nicht. Die Klausel enthält keine Hinweise darauf, dass der Verbraucher nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften seines Heimatstaates verlieren kann. Eine abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom l-VO ist somit nicht gegeben.
Damit gilt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers, mithin deutsches Recht (so auch Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht München I, Urteil vom 13.04.2021, AZ: 8 O 16058/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm Geleisteten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB.
Der Kläger hat seine Spieleinsätze bei der Beklagten im Zeitraum vom 04.01.2018 bis 29.01.2018 in Höhe von gesamt 61.987,00 € ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig ist.
a) Die Beklagte hat vom Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.987,00 € erlangt. Dieser Betrag ist dem Vermögen der Beklagten im Zeitraum vom 04.01.2018 bis 29.01.2018 zugeflossen und hat ihr Vermögen vermehrt (Anlage K 3).
Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger tatsächlich eine Summe, wie mit der Klage geltend gemacht, konkret verloren bzw. überhaupt gespielt und bei der Beklagten eingesetzt haben will. Angesichts dieser Umstände sei die Klage offenkundig unschlüssig.
Die Klage ist schlüssig. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass er im Zeitraum vom 04.01.2018 bis 29.01.2018 von seinem Kundenkonto bei der Beklagten mit der Nr. 16810876 einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.987,00 € im Live-Casino der Beklagten beim Spielen von „Live-Roulette“ verloren hat (Anlage K 3).
Ein Sachvortrag zur Begründung der Klage ist schlüssig und damit beachtlich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz zur Begründung des geltend gemachten Rechts geeignet und erforderlich sind (BGH NJW 12, 1647, 1648). Das Gericht muss in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH NJW 84, 2888, 2889). Einzelheiten müssen nur angegeben werden, soweit diese weiteren Umstände erforderlich sind, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen (BGH NJW-RR 98, 712, 713; 04, 45). Die Darlegung der Haupttatsachen, die den Rechtssatz ausfüllen, kann auch mithilfe von Indizien erfolgen (BGH NJW-RR 01, 887).
Der Vortrag des Klägers ist unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen schlüssig. Der Kläger trägt die Tatsache vor, dass er im Zeitraum vom 04.01.2018 bis 29.01.2018 von seinem Kundenkonto bei der Beklagten mit der Nr. 16810876 einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.987,00 € im Live-Casino der Beklagten beim Spielen von „Live-Roulette“ verloren hat. Aus der Anlage K 3 ergeben sich sämtliche Einzahlungen des Klägers unter Angabe des jeweiligen Einzelbetrages, des Datums nebst Uhrzeit und der Art der Einzahlung (z.B. giropay).
Diesen schlüssigen und auch hinreichend substanziierten Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht substanziiert entgegen getreten. Der Vortrag des Klägers ist deshalb gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.
Die Beklagte hat auf die Behauptungen des Klägers grundsätzlich substanziiert, d.h. mit näheren positiven Angaben zu erwidern. Sie muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substanziierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei; je detaillierter der Vortrag der behauptenden darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 BGB. Entspricht die Partei nicht dieser Erklärungslast, ist Vorbringen unbeachtlich, und es tritt die in § 138 Abs. 3 ZPO geregelte Wirkung ein. Substanziiertes Bestreiten heißt, eine Gegendarstellung zu geben, soweit die Beklagte dazu in der Lage ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 138, Rn. 22).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte zu jedem einzeln durchgeführten „Live-Roulette“-Spiel bei der Beklagten konkret vorträgt unter Angabe seines jeweiligen Einsatzes. Dies ist schon bei lebensnaher Betrachtung nicht möglich. Eine weitere detaillierte Aufschlüsselung ist nicht erforderlich. Dies überspannt die Anforderungen. Die Beklagte hat eigene Wahrnehmungen. Sie könnte konkret dazu vortragen, welche Einzahlungen der Kläger getätigt hat, auch bei welchem Unternehmen der Beklagten. Die Buchungsliste wird von ihr selbst geführt. Die Tatsachen ergeben sich zwanglos aus den vorgelegten Anlagen K 2 und K 3. Dort sind konkrete Daten mit konkreten Beträgen belegt. Von daher hätte die Beklagte ihrerseits eine substanziiertes Sachverhaltsdarstellung abgeben können und auch müssen. Aus den eigenen Daten der Beklagten ergibt sich auch die Höhe der getätigten Einzahlungen. Die Angaben der Buchungsliste wären konkret zu bestreiten gewesen. Die Höhe der Einzahlungen entspricht auch der Klageforderung (Anlage K 3). Auch aus der vorgelegten Anlage K 18, Email der Beklagten vom 28.05.2020 ergibt sich, dass die Beklagte selbst über sämtliche Daten verfügt. Weiter ergibt sich aus der Anlage K 13, dass keine Auszahlungen an den Kläger durch die Beklagte erfolgt sind. Der Kontostand für den Account des Klägers bei der Beklagten beträgt Null (Anlage K 14).
Das Gericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Klägervertreters, Schriftsatz vom 19.01.2021, der Auffassung, dass die Beklagte den Vortrag des Klägers nicht pauschal bestreiten kann. Die Beklagte hat positive Kenntnis von den konkreten Umständen aus ihrer eigenen Sphäre. Insbesondere ist es der Beklagte ohne Weiteres möglich, dem Sachvortrag des Klägers substanziiert entgegenzutreten. Dies hat die Beklagte nicht getan, so dass der Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden ist.
Es steht mithin fest, dass der Kläger den geltend gemachten Betrag bei der Beklagten verspielte und die Beklagte diesen Betrag erlangt hat.
b) Ohne Rechtsgrund
Diese geleisteten Zahlungen hat die Beklagte auch ohne Rechtsgrund erlangt. Der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel ist nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV.
aa) Online-Glücksspiel
Der Kläger hat die geleisteten Zahlungen ausschließlich beim „Live-Roulette“-Spiel im Online-Ca- sino der Beklagten verloren. Sämtliche Chips wurden für das Live-Casino erworben. Aus den Einzahlungen (Anlage K 3) ergibt sich, dass der Kläger jedenfalls keine legalen Sportwetten durchgeführt hat. Insbesondere aus der Anlage K 3, in der die Transaktionsarten durch die Beklagte selbst näher spezifiziert werden, folgt, dass bei Sportwetten eine gänzlich andere Transaktionsart verbucht worden wäre, nämlich „Einsatz (Sport)“. Aus der Transaktionsliste der Beklagten ergibt sich aber, dass sämtliche Chips für das Live-Casino erworben wurden (Anlage K 2).
Das pauschale Bestreiten der Beklagten, wonach die Beträge bei verbotenen Glücksspielen eingesetzt wurden, insbesondere die Beklagte auch andere Spielangebote offeriere, die nicht verboten seien, ist unbeachtlich. Auf die obigen Ausführungen zum substanziierten Bestreiten wird Bezug genommen. Der Vortrag des Klägers ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden.
bb) Rechtsgrundlos
Das von der Beklagten angebotene Live-Roulette im Live-Casino stellt ein verbotenes Online-Glücksspiel dar. Der Vertrag ist daher nach § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig (so auch LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20). Nach § 4 Abs. 4 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist nach § 4 Abs. 4 GlüStV grundsätzlich verboten. Unstreitig verfügt die Beklagte auch nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 GlüStV. Nach § 134 BGB sind Verträge nichtig, die gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen, wonach das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt ist (beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Hager, Stand: 01.03.2021, § 134, Rn. 219;LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20; LG Ulm, Urteil vom 16.12.2019, AZ: 4 O 202/18; Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 183).
Damit ist § 4 Abs. 4 GlüStV ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.
Im Allgemeinen liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot schon dann vor, wenn die objektiven Merkmale der Norm verwirklicht sind. Dass die Parteien das Verbot gekannt oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gekannt haben, ist grundsätzlich nicht erforderlich (Heidel/Hüßtege/Mansel/ Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 51). Die Beklagte hat mithin gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Online-Angebot im Internet auch Spielteilnehmern aus Bayern, mithin dem Kläger, zugänglich gemacht hat.
Das Verbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, in dem der Kläger die Einsätze getätigt hat, auch anzuwenden (Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20; OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019, AZ: 6 U 196/18). Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht im Einklang mit dem Unionsrecht (so ausführlich OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019, AZ: 6 U 196/18; BVerwG, Urt. v. 26.10.2017, AZ: 8 C 18/16).
Das BVerwG führt in seiner Entscheidung vom 26.10.2017, AZ: 8 C 18/16, folgendes aus:
„Es steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang. Wie der Senat .... das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen §
4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten ... Den spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2
GlüStV 2012). So soll die in § 1 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2012 hervorgehobene Schwarzmarktbekämpfung unter anderem durch die teilweise Öffnung des Internets für erlaubte Lotterie sowie Sport- und Pferdewettangebote verwirklicht werden. Damit wird bezweckt, die Nachfrage spielaffiner Personen in Richtung der legalen Angebote und bei diesen wiederum in Richtung der, insbesondere aus suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefahrenträchtigen Spielformen zu lenken (amtl. Erl. S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53). Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die - wie die Klägerin - ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben ... Gleichwohl obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt ... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel.
Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen ... Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen.“
Die Einzelrichterin schließt sich der überzeugend begründeten Ansicht an. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht somit im Einklang mit dem Unionsrecht.
cc) Auch steht § 762 Abs. 2 Satz 1 BGB dem nicht entgegen. Die Unwirksamkeit des Spielvertrages führt dazu, dass § 762 BGB nicht anwendbar ist, da diese Vorschrift einen wirksamen Spielvertrag voraussetzt (Heidel/Hüßtege/ Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 184). Gemäß § 764 BGB begründen Spiel- und Wettverträge keine Verbindlichkeit sofern sie nicht aus anderen Gründen etwa wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig sind. Dann gelten die allgemeinen Regeln der § 812 ff. BGB (beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Hager, Stand: 01.03.2021, § 134, Rn. 219).
dd) Der Bereicherungsanspruch scheitert auch nicht an § 817 Satz 2 BGB.
Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt. Erste Voraussetzung für den Ausschluss der Kondiktion ist es demnach, dass jedenfalls dem Leistenden objektiv ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten ist, wobei die Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gerade im Zeitpunkt der Leistung gegeben sein muss. Diese Voraussetzung liegt vor, da dem Kläger durch die Teilnahme an dem Angebot der Beklagten ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetzte (§§ 284 ff. StGB) anzulasten ist.
Zudem müssen subjektive Voraussetzungen erfüllt sein. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte (Palandt, 79. Aufl. 2020, § 817, Rn. 24). Beweisantritt durch die Beklagte ist nicht erfolgt. Hierauf hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 05.05.2021 (Bl. 147 d.A.) auch hingewiesen. Der Kläger hat schon schriftsätzlich angegeben, dass er davon ausging, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele. Die Beklagte gebe an, über eine Lizenz zu verfügen und hat ihren Geschäftsbetrieb zudem gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet, indem die Internetseite auf deutsch verfügbar ist, die Vertragssprache deutsch ist, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf deutsch sind sowie durch die Verwendung der Endung „de“. Hierzu hat das Gericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2021 informatorisch angehört. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass er durch Fernsehwerbung und auch durch Werbung im Internet auf die Beklagte aufmerksam geworden sei. Er sei davon ausgegangen, dass das Spielen bei der Beklagten legal sei. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass schon jahrelang Werbung betrieben werde oder auch im Internet. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters hat der Kläger weiter angegeben, dass er auch schon in der Vergangenheit bei anderen Online-Anbietern gespielt habe, z.B. auf der Plattform „bwin“. Auch kenne er die TV-Werbung, wonach darauf hingewiesen werde, das Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Schleswig-Holstein haben müssen.
Insofern ist fraglich, ob sich der Kläger der Einsicht der Illegalität des Spiels leichtfertig verschlossen hat. Für einen nicht juristisch gebildeten Laien stellt sich die Gesetzeslage zu derartigen Glücksspielen jedenfalls völlig unübersichtlich dar. Insbesondere die vom Kläger schriftsätzlich als auch mündlich vorgetragenen Gründe, wonach die Beklagte im Fernsehen und im Internet werbe, sind für das Gericht nachvollziehbar.
Die Beklagte ist insoweit allgemein bekannt im Bereich Online-Gaming und Online-Sportwetten. Die bei der Beklagten dann tatsächlich vorliegende Aufspaltung, wie im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.12.2020 näher dargelegt, ist einem außenstehenden Dritten in dieser Form weder bekannt noch bewusst. Insoweit hat die Beklagte in Deutschland eine Konzession für Sportwetten erhalten. Darüber hinaus wirbt die Beklagte auf der streitgegenständlichen Internetseite damit, dass eine Konzession für Malta vorliegt. Einer Privatperson ist insoweit schwer möglich nachzuvollziehen, dass dies dann zu einem illegalen Glücksspiel führt, noch dazu, weil die Beklagte die gesamte Internetseite auf den deutschsprachigen Markt angelegt hat.
Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob sich der Kläger der Einsicht der Illegalität des Spiels leichtfertig verschlossen hat. Unabhängig hiervon ist nämlich die Kondiktionssperre teleologisch einzuschränken (so auch Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20). Die Kondiktion darf nicht gemäß § 817 Satz 2 BGB deswegen ausgeschlossen sein, soweit der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leisten bzw. diese geradezu erzwingen oder legalisieren würde. Die Kondiktionssperre würde ansonsten den Anreiz sittenwidriges Handeln bilden. Dies hat der BGH beispielsweise im Falle von sogenannten „Schenk-Kreisen“ (BGH, NJW 2006, 45 ff.) angenommen. Auch bei Einzahlung von Beiträgen in ein sogenanntes Schneeball-System wurde die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB schutzzweckorientiert eingeschränkt. Würde man die Kondiktionssperre anwenden, so würden die Initiatoren solcher Systeme zum Weitermachen geradezu eingeladen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer sich leichtfertig der Einsicht in die Sittenwidrigkeit eines solchen Spielsystems verschlossen haben, komme es nach Ansicht des BGH folglich nicht mehr an.
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere die zugedachte Präventionswirkung des § 4 Abs. 4 GlüStV macht die Einschränkung erforderlich (so auch Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20). Es ist hierbei maßgeblich auf den Zweck des Verbotsgesetzes abzustellen. Der Gesetzgeber hat sich mit § 4 Abs. 4 GlückStV bewusst für ein absolutes Verbot von Casino-Spielen im Internet entschieden. Angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und ihrem herausragenden Suchtpotenzial sowie ihrer Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche erscheint es nicht vertretbar, auch hier das Internet als Vertriebsweg zu eröffnen, so die Gesetzesbegründung.
Weiter wird ausgeführt, dass das Angebot solcher Spiele im Internet mit Nachdruck bekämpft werden soll, insbesondere auch durch Maßnahmen zur Unterbindung entsprechender Zahlungsströme. Die Beklagte hat aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU heraus ein nach Deutschem Recht nicht genehmigtes Casino-Spiel im Internet veranstaltet und damit gegen diese Vorschrift verstoßen. Würde die Kondiktionssperre greifen, würde die Initiatorin zum Weitermachen geradezu eingeladen. Es erfolgt eine „quasi“ Legalisierung. Die Regelungen des GlüStV sind insbesondere dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsform des Glücksspiels zu schützen. Diese Intension des Verbotsgesetzes würde jedoch vollständig unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivil- rechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20: Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 329).
Dies zeigt auch das vorliegende Verfahren. Der Kläger hat binnen weniger Tage einen Gesamtbetrag in Höhe von 61.987,00 € verspielt. Der Kläger hat hierzu sämtliche Ersparnisse, auch seine Altersvorsorge aufgelöst, wie dieser glaubhaft mitgeteilt hat. Anhand der vorliegenden Transaktionsliste wird deutlich, dass der Kläger zu jeder Tages- und Nachtzeit gespielt hat. So wird beispielsweise auch vorgetragen, dass er in der Mittagspause derartige Spiele betrieben hat.
Somit scheitert der Bereicherungsanspruch auch nicht an § 817 S. 2 BGB. Der Kläger hat mithin einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm Geleisteten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB.
Der Kläger kann seinen Anspruch auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV stützen.
§ 4 Abs. 4 GlüStV ist ein Schutzgesetz, das auch den Einzelnen gemäß § 823 Abs. 2 BGB schützen soll (LG Ulm, 16.12.2019, AZ: 4 O 202/18; Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 327). Maßgebend ist, ob die verletzte Vorschrift dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Dabei kommt es nicht auf das jeweilige Gesetz insgesamt, sondern auf die konkrete Einzelnorm an, die durch den Schädiger verletzt worden ist. Der Individualschutz darf kein bloßer Reflex der verletzten Verhaltensnorm sein, sondern muss bestimmungsgemäß eintreten, also im Aufgabenbereich der Norm liegen.
Dabei muss der Individualschutz nicht der ausschließliche Zweck des Gesetzes sein, sondern es reicht aus, wenn auch Individualinteressen geschützt werden sollen (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 823, Rn. 562). Auf einen solchen Zweck ist § 4 Abs. 4 GlüStV ausgerichtet, indem es das Angebot von Glücksspielen auf Spielbanken begrenzt. Nach der Gesetzesbegründung begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können. § 4 Abs. 4 GlüStV verfolgt somit auch den Zweck, illegales Glücksspiel zum Schutze der Spieler zu unterbinden (LG Ulm, 16.12.2019, AZ: 4 O 202/18; Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 327; Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 O 84/20).
Die Beklagte hat das Schutzgesetz, § 4 Abs. 4 GlüStV, auch schuldhaft verletzt. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Der beim Kläger eingetretene Schaden wurde durch das von der Beklagten angebotene, illegale Glücksspiel, mithin durch die Verletzung des Schutzgesetzes verursacht (Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 O 616/20). Dem Kläger ist durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten auch ein Schaden in Höhe von 61.987,00 € entstanden, da diesen Zahlungen keine Auszahlungen gegenüber standen. Diesen Schaden kann der Kläger ersetzt verlangen.
Der Kläger hat somit auch einen Anspruch aus § 823 Abs. BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV.
Der Kläger hat Anspruch auf Verzugszinsen seit dem 28.05.2020, §§ 286, 288 ZPO. Die Beklagte wurde durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 04.05.2020 zur Zahlung bis spätestens 27.05.2020 aufgefordert (Anlage K4). Die Beklagte lehnte mit E-Mail vom 27.05.2020 eine Erstattung ab (Anlage K5).
Der Klage war von daher vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den § 709 ZPO.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht Coburg Ketschendorfer Str. 1 96450 Coburg
einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Das elektronische Dokument muss
Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:
Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die
Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERW) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen.
gez.
Richterin am Landgericht
Verkündet am 01.06.2021
gez.
***
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Datum der Verkündung: 25.02.2021
Gericht: Landgericht Gießen
Spruchkörper: 4. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 O 84/20
ECLI: DE:LGGIESS:2021:0225.4O84.20.00
Vorinstanz: keine
Ein hessischer Spieler nahm in dem kurzen Zeitraum von etwa 17 Tagen an sogenannten „Live-Roulettes“ bei dem zu Bwin gehörendem Online-Casino „casinoclub.com“ der Beklagten teil und verlor in diesem Zusammenhang eine Summe von 11.758,50 Euro. Der Spieler klagte daraufhin vor dem Landgericht Gießen auf Rückzahlung dieser Summe. Das Urteil wurde von Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell von der Kölner Kanzlei Steinrücke Sausen erstritten und am 25.02.2021 verkündet.
Das Landgericht Gießen verurteilte die Beklagte mit Sitz in Malta in diesem zur Zahlung der 11.758,50 Euro an den Kläger. Gestützt wurde der Anspruch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB, sowie auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV.
Entgegen der Rüge der Beklagten, folge die internationale Zuständigkeit des Landgericht Gießens nach diesem aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der klagende Spieler erfülle zudem die Verbrauchereigenschaft im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO.
Den Anspruch aus der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB bestätigte die vierte Zivilkammer. Die Beklagte habe die Spieleinsätze ohne rechtlichen Grund erhalten, da der zugrundeliegende Spielvertrag nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV sei. Nach dem zum Zeitpunkt der getätigten Einsätze geltenden § 4 Abs. 4 GlüStV war das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
Dieses Verbot sei nicht europarechtswidrig gewesen, da es bereits an einem unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit mangele. Diese Ansicht teilte auch zuvor das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 10.05.2019 (Az. 6 U 196/18).
Eine Duldung des Hessischen Landesministeriums habe nach dem LG Gießen auf diesen Umstand keine Auswirkung.
Zudem finde ein Ausschluss der Rückforderung nach § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB keine Anwendung. Die Kondiktionssperre sei teleologisch zu reduzieren, da die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV primär dem Schutze der Spieler diene und ein Ausschluss in diesem Fall nicht mit dem Sinn des Bereicherungsrecht vereinbar sei.
Landgericht Gießen Aktenzeichen:
4 O 84/20
Verkündet am 25.02.2021
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
hat das Landgericht Gießen – 4. Zivilkammer – durch den Richter am Landgericht *** als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2021 für Recht erkannt:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.758,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.06.2020 zu zahlen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4) Der Streitwert beträgt bis zu 13.000,- Euro.
Die Parteien streiten um die Rückerstattung von verlorenen Glückspieleinsätzen des Klägers im Online-Glücksspiel der Beklagten. Die Beklagte ist eine Gesellschaft maltesischen Rechts mit Sitz in Malta. Sie betreibt mit einer Lizenz ihres Heimatlandes unter anderem die Internetseite ***.
Sie verfügt über keine Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspiel im Land Hessen. Der Kläger nutzte die genannte Internetseite im Zeitraum vom 02.02.2017 bis zum 19.05.2017 für das Spielen sogenannten „Live-Roulettes“.
In diesem Zeitraum verlor er nach Saldierung mit Spielgewinnen 11.758,50 Euro bei der Nutzung dieses Internetangebots. Vorsorglich hat der Kläger den Widerruf des der Nutzung zugrundeliegenden Vertrages erklärt (Bl. 115 d. A.). Der Kläger behauptet, spielsüchtig zu sein. Der Kläger beantragt gemäß Klageschrift vom 27.04.2020, zugestellt am 11.06.2020, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.758,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie rügt die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Gießen. Sie ist der Ansicht, dass maltesisches Recht anzuwenden sei. Danach sei der Glücksspielvertrag legal, da die Beklagte über eine maltesische Glücksspiellizenz verfügt. Sie ist der Ansicht, § 4 Abs. 4 GlüStV sei unter dem Aspekt des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht anwendbar wegen eines Verstoßes gegen Art. 56 AEUV. Sie macht geltend, dass die zuständigen Behörden die Praxis der Beklagten bis zur Vergabe einer Konzession aktiv dulden, unter anderem durch Ausgabe von Formblättern (Anlage B 19). Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Gießen international zuständig gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Kläger ist im Hinblick auf den hier gegenständlichen Sachverhalt Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Da hier unstreitig keiner dieser Zwecke einschlägig ist, ist der Kläger als Verbraucher zu behandeln. Ein nicht der Verbrauchereigenschaft zuzurechnender „Zeitvertreib, der von der Rechtsordnung nicht geschützt ist“ (S. 2 der Klageerwiderung) ist hingegen nach Auffassung der Kammer der dortigen Regelung grundsätzlich fremd.
Auf den Sachverhalt ist deutsches materielles Zivilrecht anzuwenden. Eine wirksame Rechtswahl im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Rom-I-Verordnung ist hier nicht ersichtlich, jedenfalls wäre diese – wie hier – in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen ohne Hinweis auf weiterhin anwendbare zwingende Vorschriften des deutschen Rechts unbeachtlich (vgl. BGH, Urt. v. 19. 7. 2012 – I ZR 40/11, GRUR 2013, 421.)
Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung des aus dem Tenor ersichtlichen Betrages gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m.
§ 4 Abs. 4 GlüStV verlangen.
Der Kläger hat seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel nichtig gemäß
§ 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV als dem entgegenstehenden Verbotsgesetz war. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
Das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV (G. v. 28.06.2012, GVBl. d. Landes Hessen S. 190) ist für die Zeit, in der die hier gegenständlichen Einsätze getätigt wurden, geltendes Recht. Es ist insbesondere weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des Bundesverfassungsgerichts, noch des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden.
Die Kammer hat grundsätzlich keine Verwerfungs- oder Nichtanwendungskompentenz betreffend gültiges Gesetzesrecht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Anwendungsvorranges des Europarechts ist § 4 Abs. 4 GlüStV uneingeschränkt anzuwenden, da das Internetverbot keinen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellt.
Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht im Einklang mit dem Unionsrecht, wie das OLG Köln erst jüngst in seinem Urteil vom 10.05.2019 (Az. 6 U 196/18) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 160, 193 - "Internetverbot für drei Glücksspielarten, juris - Tz. 30 ff. = NVwZ 2018, 895 ff.) bestätigt hat. (LG Köln, Urteil vom 18. Februar 2020 – 31 O 152/19 –, Rn. 43, juris) Die Kammer folgt dieses Rechtsprechung.
Auch eine etwaige Duldung des Angebots der Beklagten durch das Hessische Innenministerium setzt das genannte Verbotsgesetz nicht außer Kraft und ist mithin hier nicht erheblich.
Die Beklagte hat gegen die Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Hessen und mithin auch dem Kläger zugänglich gemacht hat.
Die Rückforderung ist auch nicht gemäß § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB ausgeschlossen. Zwar mag dem Kläger mit der Teilnahme an dem Angebot der Beklagten ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetze anzulasten sein. Teleologisch ist die Anwendung dieser Kondiktionssperre jedoch einzuschränken. Ein Ausschluss der Rückforderung wäre zumindest in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen.
So ist es hier. Die Regelungen des GlüStV sind ausweislich dessen § 1 Satz 1, insbesondere Ziff. 1, 3, und 4, dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glückspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm, also das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV, verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck, illegales Glücksspiel zum Schutze der Spieler zu unterbinden. (Heintz/Scholer, VuR 2020, 323)
Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Richter am Landgericht
Datum der Verkündung: 16.12.2019
Gericht: Landgericht Ulm
Spruchkörper: 4. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 O 202/18
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Nachdem Paypal Berufung gegen das Urteil des LG Ulm eingelegt hatte, gab das OLG Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2020 zu erkennen, dass es den EuGH zu Rate ziehen wolle. Das oberste europäische Gericht soll jedoch über eine rechtliche Frage entscheiden, die in der Eigenart des konkreten Falles begründet ist. Die erwartete Entscheidung des EuGH wird damit keine allgemeine Bedeutung für Rückforderungsansprüche gegen Online-Casinos haben.
Allerdings scheint das OLG Stuttgart zu erwägen, die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zuzulassen. Dieser könnte letztlich höchstrichterlich über die Frage entscheiden, ob § 4 des Glücksspielstaatsvertrags als Anspruchsgrundlage für die Rückforderung von Verlusten aus Online-Casinos gegen Zahlungsdienstleister taugt. Eine endgültige Entscheidung des OLG Stuttgarts steht allerdings noch aus.
Der Kläger gab im Sommer 2017 Zahlungen i.H.v. 9662,23 EUR über den Zahlungsanbieter PayPal an die Glücksspielanbieter bet-at-home.com International Ltd. (Sitz: Malta) und 888 Germany Ltd (Sitz: Gibraltar) in Auftrag. Die Firma „bet-at-home“ bietet sowohl Internet-Casinospiele als auch Online-Sportwetten an, die Firma “888” ist ebenfalls ein Onlinecasino. Der Kläger trug vor, er habe bei beiden Glücksspielportalen Poker und Blackjack gegen Wetteinsatz von Ulm aus gespielt. Das gesetzliche Verbot von Online-Glücksspiel sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe die gesamten Einsätze verspielt.
Das Gericht erkannte, dass gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV "das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten" seien. So sei PayPal als Zahlungsanbieter und sogenannter Handlungsstörer rechtlich verpflichtet, solche Zahlungen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nicht vorzunehmen. Dies war vorliegend jedoch der Fall, so dass das Landgericht Ulm PayPal aufgrund des Verstoßes gegen das Mitwirkungsverbot zur Rückzahlung in voller Höhe (9662,23 EUR) verpflichtete.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
PayPal (Europe) S.à.r.l. et Cie, S.C.A., gesetzlich vertreten durch PayPal (Europe) S.à.r.l., diese gesetzlich vertreten durch d. Geschäftsführer David Engel, David Ferri, Rupert Keely und Sean Byrne, 22-24 Boulevard Royal, 2449 Luxembourg, Luxemburg
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte CMS Hasche Sigle PS v. RA u. StB mbB, Kranhaus 1 / Im Zollhafen 18,
50678 Köln
wegen Forderung
hat das Landgericht Ulm - 4. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Ruß, den Richter am Landgericht Schlereth und den Richter am Landgericht Kettenbach am 16.12.2019 aufgrund des Sachstands vom 29.11.2019 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.662,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.09.2017 sowie weitere 887,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.07.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.662,23 € festgesetzt
Die Beklagte bietet Zahlungsdienstleistungen über das Internet an.
Der Kläger hat bei der Beklagten einen Gewerbeaccount, über den er seit Bestehen aus seiner Tätigkeit als Händler für Multimedia Zubehör Zahlungsabwicklungen über ca. 3.600.000 USD getätigt hat.
In den Nutzungsbedingungen der Beklagten ist in Ziff. 15.1. zum Gerichtsstand geregelt:
„Im Fall von Beschwerden, die nicht anderweitig beigelegt werden können, haben englische Gerichte eine nicht ausschließliche Zuständigkeit. Das bedeutet, Sie können in England und Wales klagen, können aber auch einen anderen Gerichtsstand wählen. Ihre deut-schen Verbraucherschutzrechte, sowie Ihr Recht, gerichtliche Verfahren vor luxembuger Gerichten einzuleiten, bleiben von dieser Regelung unberührt“.
Zwischen dem 23.6.2017 und 15.8.2017 gab der Kläger Zahlungen von zusammen 9.662,23 € an die Firmen bet-at-home.com International Ltd. (Sitz: Malta) und 888 Germany Ltd (Sitz: Gibraltar) bei der Beklagten in Auftrag. Bei Beauftragung der Zahlungen befand sich der Kläger in Ulm, wie die Beklagte wusste, da die Standortdaten bei Abgabe des Zahlungsauftrags der Beklagten übermittelt werden. Die Zahlungen an 888 Germany Ltd. hatten den Verwendungszweck „888Poker“. Die Firma „bet-at-home“ bietet sowohl Internet-Casinospiele als auch Online-Sportwetten an.
Die Beklagte führte die Zahlungen aus und zog die Beträge vom Girokonto des Klägers bei der Volksbank Aalen ein.
Die Beklagte hat mit den genannten Glücksspielanbietern sogenannte Akzeptanzverträge abge-schlossen. Durch diese ist geregelt, dass die Glücksspielanbieter Zahlungen über den Zahlungs-dienst der Beklagten akzeptieren. Die Beklagte lässt sich vor Abschluss eines Akzeptanzvertra-ges von den Glücksspielfirmen versichern, dass diese eine Lizenz zum Anbieten von On-line-Glücksspiel für Schleswig-Holstein haben und „rechtmäßig“ handeln.
Der Ablauf bei beiden Wettportalen ist der gleiche: Zuerst erfolgt das Aufladen des Wettkontos, bevor dieses „abgespielt“ wird. Gewinne werden dem Wettkonto gutgeschrieben. Es gibt keinen Zwang, das aufgeladene Geld sofort abzuspielen. Vom „Spielgeldkonto“ können wieder Auszahlungen vorgenommen werden.
Der Kläger trägt vor,
er habe bei beiden Glücksspiel Portalen Online-Casinospiele (Poker / Blackjack) gegen Wetteinsatz von Ulm aus gespielt. Das gesetzliche Verbot sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe die gesamten Einsätze verspielt.
Er ist der Meinung:
1. Das LG Ulm sei international zuständig, da
- er als Verbraucher gespielt habe und jede einzelne Zahlungsanweisung als Auftrag im Sinne des BGB zu sehen sei. Auf die Einordnung des Kontos als gewerblich komme es nicht an. Die Zuständigkeit ergebe sich damit aus Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO;
- eine Zuständigkeit nach dem Erfüllungsort gern Art 7 Nr. 1 a EuGVVO in Ulm be-stehe;
- die Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich vorsehe, man könne „einen anderen Gerichtsstand" als England oder Wales wählen, daher auch Ulm.
2. Die Beklagte habe ihre Kontroll- und Hinweispflichten aus dem Vertragsverhältnis verletzt, als sie an den Zahlungen mitwirkte, obwohl sie gewusst oder es jedenfalls als naheliegend erachtet habe, dass er in Deutschland und nicht in Schleswig-Holstein spiele. Damit habe sie erkennen können, dass die Zahlungsausführung gegen § 4 Abs. 1 S. 2 Glücksspielstaatsvertrag Baden-Württemberg (im Folgenden: GlückStV) verstoße.
3. Die Beklagte habe bei Abschluss der Akzeptanzverträge mit den in Gibraltar bzw. Malta ansässigen Glücksspielfirmen nicht sichergestellt, dass diese nicht für Zahlungen aus Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein gelten. Dies sei als Pflichtverletzung der Beklagten ihm gegenüber zu werten. Zudem mache dies die Akzeptanzverträge nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV unwirksam.
4. Der Anspruch ergebe sich auch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Beklagte gemäß §§ 675c Abs. 1 BGB i.V.m. § 670 BGB für die über die Beklagte angewiesenen Zahlungen eine Abbuchung in gleicher Höhe von seinem Girokonto vorgenommen habe. Da die Beklagte gem §§ 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV, 134 BGB die Zahlung an die Glücksspielunternehmen schon nicht hätte auszahlen dürfen, habe ihr auch kein Ausgleichsanspruch zugestanden. Die Abbuchungen von seinem Girokonto müssten daher nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB rückgängig gemacht werden.
5. Der Anspruch ergebe sich zudem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV.
Der Kläger beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.662,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.9.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor,
es werde bestritten, dass der Kläger auch die tatsächlichen Spieleinsätze und nicht nur das Aufladen des Kontos in Deutschland und nicht in Schleswig-Holstein getätigt habe. Zudem werde bestritten, dass der Kläger überhaupt illegal am Glücksspiel teilgenommen habe und nicht etwa legale Geschäfte, wie - nach Meinung der Beklagten - legale Online-Sportwetten getätigt habe. Außerdem werde bestritten, dass der Einsatz verspielt sei und nicht etwa zu Gewinnen geführt ha-be.
Die Beklagte ist der Meinung:
1. Das LG Ulm sei schon nicht international zuständig, da der Kläger den vertraglichen Anspruch auf den Zahlungsdienstrahmenvertrag bezüglich seines gewerblichen Kontos stütze. Der Verbrauchergerichtsstand sei daher nicht einschlägig. Es komme auf das Rahmenverhältnis und nicht auf die einzelne Zahlungsanweisung an.
Nach den vertraglichen Vereinbarungen seien zulässige Gerichtsstände nur Luxemburg, England, Wales und sonstige, welche die EuGVVO vorsehe. Da hier ein Zahlungsdienst-leistungsvertrag vorliege, liege der Erfüllungsort in Luxemburg. Selbst wenn man einen deliktischen Anspruch prüfen wollte, so läge ein internationaler Gerichtsstand auch nicht vor, wenn das Delikt im Zusammenhang mit einem Vertrag erfolgt sei. Ein Gerichtsstand in Deutschland bestehe nicht.
2. Sie habe keine Möglichkeit zu überprüfen, zu welchem Zeitpunkt und von welchem Ort aus der Kläger sein Spielguthaben einsetze. Somit könne sie auch nicht prüfen, ob das Glücksspiel illegal erfolge. Ansprüche gegen sie seien daher nicht denkbar.
3. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV sei so auszulegen, dass eine Mitwirkung an einer Zahlung nur dann verboten sei, wenn der Zahlungsdienstleister Kenntnis vom illegalen Glücksspiel ha-be. Es handle sich um eine Klarstellung zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlückStV, wonach erst nach Bekanntgabe einer Behörde, dass der Anbieter illegales Glücksspiel betreibe, die Zahlungsabwicklung zu unterlassen sei. Ohne Herbeiführung dieser „Störereigenschaft“ seien privatrechtliche Ansprüche ausgeschlossen. Andernfalls sei der Dienstleister in ei- ner mit Art. 56 AEUV nicht mehr zu vereinbarenden Weise in seiner Geschäftstätigkeit eingeschränkt. Er könne nur bei Verschulden haften, das eben hier nicht vorliege.
4. Einem etwaigen Anspruch stehe zudem § 254 BGB entgegen.
5. Eine deliktische Haftung liege zudem schon deshalb nicht vor, da „nach der Rechtsprechung des BGH im Fall von berufstypischen Handlungen“ ein bedingter Vorsatz nicht ausreiche.
Die Klage wurde der Beklagten am 06.07.2018 zugestellt. Nach mündlicher Verhandlung am 08.07.2019, bei welcher der Kläger angehört wurde, stimmten die Parteien dem schriftlichen Ver- fahren zu, das mit Beschluss vom 7.11.2019 angeordnet worden ist und der Entscheidung zu Grunde liegt.
Zum weiteren Vortrag wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
Das Landgericht Ulm ist das gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO (= Brüssel la VO) international und örtlich zuständige Gericht. Dies gilt jedoch ausschließlich für die Prüfung von Ansprüchen des Klägers auf Grund einer unerlaubten Handlung der Beklagten. Hinsichtlich vertraglicher Ansprüche, ist das LG Ulm international unzuständig.
1.
Das LG Ulm ist nicht nach den Vorschriften zum Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO international zuständig.
Der Verbraucherbegriff ist autonom und nicht nach § 13 BGB auszulegen. Es handelt sich um nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnde, private Endverbraucher (EuGH, Urt. 11. 7. 2002 -Rs. C-96/00, Tz. 38). Dabei kommt es darauf an, ob die Person gerade im Hinblick auf den konkreten Vertragsschluss Verbraucher ist. Zu prüfen sind die durch den Vertragspartner objektiv erkennbaren Umstände (EuGH, Urt. 20.1.2005 - Rs. C-464/01, Tz. 46). Bei gemischten Verträgen, die auch einem gewerblichen Zweck dienen, liegt keine Verbrauchereigenschaft vor, es sei denn, der gewerbliche Zweck tritt klar hinter den privaten zurück (EuGH, aao., Tz. 54). Ein einheitlicher Vertrag ist dabei nicht in einen gewerblichen und nicht gewerblichen Teil trennbar (EuGH, aaO., Tz. 44; Geimer/Schütze IntRechtsverkehr/Paulus, 56. EL September 2018, VO (EG) 1215/2012 Art. 17 Rn. 25).
Im Rahmen eines einheitlichen Zahlungsdienstrahmenvertrages ist die Zahlungsanweisung kein eigener Auftrag gemäß § 662 BGB. Die einzelne Weisung ist nur die Ausübung eines vertraglichen Rechts und kein eigener Auftrag:
"Ein Zahlungsauftrag ist, auch wenn dies nach dem Wortlaut der Definition in Artikel 4 Nr.16 der Zahlungsdiensterichtlinie zunächst nicht offensichtlich ist, daher immer (nur) die Weisung des Zahlers an seinen Zahlungsdienstleister (siehe dazu auch Erwägungsgrund 25, Artikel 4 Nr. 7, 64, 65 Abs. 2, 66 Abs. 5, 69 Abs. 3 der Zahlungsdiensterichtlinie [= Rtl 2007/64/EG])“
(BT-Drucks. 16/11643 S. 102; vgl. auch BeckOGK/Foerster, 15.4.2019, BGB § 675f Rn. 83; Köndgen JuS 2011, 481 (486)).
Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis ist ein Zahlungsdienstrahmenvertrag über E-Geld nach §§ 675c Abs. 2, 675f Abs. 2 BGB. Der Rahmenvertrag ist für das Gewerbe des Klägers abgeschlossen worden. Der Kläger nutzt den PayPal-Account für die Abwicklung seiner Geschäfte. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO nicht eröffnet.
2.
Eine Zuständigkeit ergibt sich auch nicht nach dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß Art. 7 Nr. 1 a, b EuGVVO.
Der Zahlungsdienstrahmenvertrag zwischen den Parteien verpflichtet die Beklagte allein zu Tätigkeiten von ihrem Geschäftssitz aus. Von hier aus werden die Zahlungsdienstleistungen ausgeführt (Abbuchungen vom Gegenkonto des Klägers vorgenommen, Gelder transferiert). Dass der Kläger die vertraglichen Handlungen von Deutschland aus auslöst, ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes ohne Belang. Es ist auf den Ort abzustellen, an dem der Verpflichtete auf Grund des Vertrages Handlungen erbringen muss (Geimer/Schütze IntRechtsverkehr/Paulus, 56. EL September 2018, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 99).
Hier hatte die Beklagte Buchungen vom PayPal Account des Klägers auf den Account der Glücksspielanbieter vorzunehmen. Diese Accounts werden aber am Geschäftssitz der Beklagten in Luxemburg geführt.
Selbst wenn man vertreten würde, dass auch die Zahlungsanweisung betrachtet werden muss, lägen wenigstens mehrere Orte vor, an denen die Dienstleistung erbracht wird. Ohne klare Zuordnung der Hauptleistung kann aber nicht vom Grundsatz des Art. 4 EuGVVO (Geschäftssitz der Beklagten) abgewichen werden (Geimer/Schütze IntRechtsverkehr/Paulus, 56. EL September 2018, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 126).
3.
Der Kläger behauptet zudem, dass die genannte Bestimmung in den Nutzungsbedingungen ihm freie Rechtswahl zwischen allen Gerichtsständen zubillige. Hierfür wären die Nutzungsbedingungen zu prüfen. Dies kann nur nach dem Recht erfolgen, welches auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien anzuwenden ist.
Dies ist mangels vorgetragener Rechtswahl nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I VO luxemburgisches Recht. Der Zahlungsdienstrahmenvertrag ist ein Dienstvertrag, es gilt daher Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I VO (Schimansky/Bunte/Lwowski, Schefold, BankR-HdB, 5. Auflage 2017, 20. Kap., § 116 Rn. 65).
Dabei ist die Nutzungsbedingung aber nicht so auslegbar, dass alle Gerichtsstände „der Welt“ gemeint sein können. Die Nutzungsbedingungen nehmen ersichtlich auf die „Gerichtsstände“ Bezug, die nach den anwendbaren Vorschriften, hier daher der EuGVVO, zwischen den Parteien bestehen und erweitert diese um alle Gerichte in England und Wales. Bei völlig unbeschränkter, weltweiter Gerichtsstandswahl würde es offensichtlich keinen Sinn ergeben „zusätzlich“ die Gerichte von England und Wales für zuständig zu erklären.
4.
Jedoch besteht die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.
Der Kläger stützt seinen Anspruch auch auf einen Verstoß gegen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV. Das schädigende Ereignis auf Grund dieser Anspruchsgrundlage war die Zahlungsanweisung des Klägers an die Beklagte. Diese gab er in Ulm ab.
a)
Nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO besteht ein Gerichtsstand sowohl am - nach der EuGVVO autonom zu bestimmenden - Handlungs- als auch am Erfolgsort (EuGH, Urt. 28.1.2015 - C-375/13, Tz. 45). Zur Bestimmung braucht nur der schlüssige Vortrag des Klägers gewürdigt zu werden (EuGH, Urt. 3.4.2014-C-387/12, Tz. 20).
aa)
Dabei ist es unerheblich, ob der Anspruch des Klägers konkurrierend auch auf eine vertraglicheAnspruchsgrundlage gestützt werden kann (BGH NJW 2008, 2344 (2345 Rn. 13)). Zwar hat derEuGH festgestellt, wie vom Beklagtenvertreter zitiert (Schriftsatz 5.11.2019, S. 2, Bl. 632), dass eine unerlaubte Handlung i.S. von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO vorliegt, wenn die Schadensersatzhaftung sich gerade nicht aus einer vertraglichen Verbindung ergeben soll (EuGH, Urt. 13.03.2014 - C-548/12, Tz. 18). Im gleichen Urteil stellt der EuGH aber ebenfalls fest - insoweit vom Beklagtenvertreter nicht zitiert-:
„Dass eine Vertragspartei eine Klage wegen zivilrechtlicher Haftung gegen die andere Vertragspartei erhebt, bedeutet aber noch nicht, dass diese Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" iSv Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 be-trifft.
Dies ist nur dann so, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstandes ermitteln lassen. “ (EuGH aao., Tz. 23, 24).
Somit kommt es darauf an, ob die Verpflichtung, gegen die verstoßen worden sein soll, sich aus dem Gesetz oder aus dem Vertrag ergibt. Hier ergibt sie sich gerade nicht aus dem Vertrag, sondern allein aus § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV. Der vertragliche Gerichtsstand ist hier daher nicht gleich zu bestimmen, wie der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.
bb)
Vom EuGH klargestellt ist weiter, dass bei einem Vermögensschaden nicht grundsätzlich der Wohnort des Geschädigten als Erfolgsort angenommen werden kann (EuGH, Urt. 28.1.2015 -C-375/13, Tz. 49). Eine Zuständigkeit am Wohnort besteht hingegen, wenn dieser „tatsächlich der Ort des ursächlichen Geschehens oder der Verwirklichung des Schadenserfolgs“ ist (EuGH, aaO., Tz. 50). Dies ist der Fall, wenn sich der Schaden „unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht" (EuGH, aaO., Tz. 55).
Allein der Ort des Bankkontos reicht aber dann nicht aus, wenn das sonstige Tatgeschehen vollständig einem anderen Land zugeordnet werden kann und keine weiteren „spezifische Gegebenheiten“ des Einzelfalls eine Zuordnung zum Land des Bankkontos ermöglichen (EuGH, Urt. 16.6.2016 - C-12/15, Tz. 34-39). Eine Partei kann nicht allein durch die Wahl, von welchem Konto sie eine Schuld begleicht, einseitig den Erfolgsort bestimmen und einen Gerichtsstand „schaffen“.
Weiterhin ist als Deliktsort der Ort anzusehen, bei dem das für den Schaden ursächliche Geschehen zu verorten ist (EuGH, aaO., Tz. 28). Als „ursächliches“ Geschehen ist dabei das Geschehen anzusehen, über das gegebenenfalls Beweis erhoben werden müsste (EuGH, aaO., Tz. 27). Beim Vermögensschaden ist der Ort zu betrachten, an dem die Vermögensdisposition (die Zahlungsverpflichtung und nicht die Erfüllung) vom Geschädigten getroffen worden ist (Dörner, Zu StVO, 7. Aufl. 2017, Art. 7 Rn. 32; Geimer/Schütze IntRechtsverkehr/Paulus, 56. EL September 2018, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 203).
Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist sodann auch für die örtliche Zuständigkeit bestimmend (Dörner, ZustVO, 7. Aufl. 2017, Art. 7 Rn. 32).
b)
Bei der Prüfung, ob vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV eine unerlaubte Handlung vorliegt, ist zu beachten, dass die Vorschrift die Geldbewegungen (Cash-Flow), die im Endeffekt zu illegalem Glücksspiel führen, verhindern soll (vgl. Rock, „Cutting the Cash Flow", ZfWG 2018, 20). Entscheidende Sachfrage und daher die Frage, über die gegebenenfalls Beweis zu erheben wä-re, ist daher der Ausgangspunkt des Zahlungsstroms. Nach obiger Definition ist dieser Ort daher als Ort des ursächlichen Geschehens zu werten.
Der Kläger hat die Überweisungen von Ulm aus veranlasst. Somit beginnt die „Cash Flow“-Bewe-gung vom Kläger zur Beklagten, die im Endeffekt zum Spieleinsatz führt, was gerade durch § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV verhindert werden soll, in Ulm. Abgesehen von rein internen Verbuchungen der Beklagten, über die eine Beweisaufnahme entbehrlich ist, ist der Anknüpfungspunkt der Prüfung die Auslösung der Zahlung durch den Kläger. Dies ist das „ursächliche Geschehen“, dessen Vorliegen mittelbar zu einer Zahlung an ein Glücksspielunternehmen und im Endeffekt zu einem Schaden des Klägers geführt haben kann. Dieses ist damit unter Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zu fassen.
c)
Die internationale Zuständigkeit des LG Ulm besteht somit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Nachdem jedoch keine internationale Zuständigkeit hinsichtlich eines vertraglichen Anspruchs gegeben ist, kann das LG Ulm ausschließlich deliktische Ansprüche prüfen (EuGH, Urt. 27.9.1988 - Rs. 189/87, Lts. 2 lit b)).
II.
Die Klage ist auch begründet.
A.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV.
1.
Die Haftung der Beklagten richtet sich nach deutschem Recht.
§ 823 BGB ist hier nach Art. 4 Abs. 1 Rom II VO anwendbares Recht. Zur Begründung kann auf die Ausführungen in Ziff. I. 4. verwiesen werden. Die Auslegung des Schadensortes nach Art. 4 Abs. 1 Rom II VO erfolgt analog zur Auslegung des Schadensortes nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO (vgl. Hüßtege/Mansel, Lehmann, BGB, Rom-Verordnungen, 3. Aufl. 2019, Rom II-VO Art. 4 Rn. 115d). Eine abweichende Vereinbarung haben die Parteien nicht vorgetragen.
2.
§ 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV ist ein Verbotsgesetz, das den Einzelnen schützen soll gemäß § 823
Abs. 2 BGB.
a)
Die Beklagte argumentiert hiergegen, dass § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV schon kein Verbotsgesetz sei, das sich zivilrechtlich auswirken solle. Es richte sich allein an die zuständigen Behörden, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlückStV den Zahlungsdienstleistern einzelne Buchungen verbieten können sollen. Bevor der Zahlungsdienstleister nicht auf die Durchführung von verbotenem Glücksspiel hingewiesen worden ist, bestehe auch keine zivilrechtliche Haftung. Nur wenn die Störereigenschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlückStV vorliege, komme diese in Betracht.
aa)
So sieht es auch das LG München bei der Prüfung, ob ein Verbotsgesetz iS. des § 134 BGB vorliegt:
„Ein solches Verbotsgesetz liegt nicht vor. (...) Es ist allerdings nicht Aufgabe des Kredit-unternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen BGH XI ZR 96/11). Nach § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist dies Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glückspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücks-spielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden.“
(LG München Urt. 28.2.2018, Az. 27 O 11716/17 (rechtskr.), juris Rn. 25)
Ein weiteres Indiz für diese Auffassung könnte sein, dass die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV lautet:
„Die Erweiterung in Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Die Regelung ist im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wur-den.“ (LT BW-Drucks 15/1570, S. 64).
bb)
Ein Schutzgesetz iS. des § 823 Abs. 2 BGB ist eine Norm, die Rechtsgüter des Einzelnen oder abgegrenzte Personenkreise schützen soll. Es kommt dabei auf die Zielsetzung des Gesetzgebers an. Dabei genügt es, dass die Norm zumindest auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, selbst wenn das Interesse der Allgemeinheit im Vordergrund steht, (zum
Ganzen: BGH NJW 2018, 1671 Rn. 27; NJW 2014, 64 Rn. 7; NJW 2012, 1800 Rn. 21; NJW 2010, 3651 Rn. 26).
cc)
Nach wörtlicher Auslegung des Halbsatzes die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten“ ist § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV eine eindeutige Verbotsnorm. Es besteht nicht nur eine Handlungsanweisung an eine Behörde. Der Wortlaut spricht für ein ipso jure Verbot, dessen Adressaten „an alle“ gefasst ist. Der BGH hat schon entschieden, dass ein landesrechtliches Verbotsgesetz in Bezug auf Spielhallen zur Unwirksamkeit des Spiel-vertrages nach § 134 BGB führt (BGH NJW 1962, 1671). Folglich muss es auch ein Schutzgesetz sein.
dd)
Auch wenn man die Systematik des Gesetzes betrachtet, so enthält § 4 GlückStV allgemeine Vorschriften, deren zivilrechtliche Wirkung zB bei § 4 Abs. 4 GlückStV unbestritten ist. Die zivilrechtliche Wirkung des Satzes „(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.“, die nicht noch einer Verfügung einer Verwaltungsbehörde bedarf, ist offensichtlich.
Es würde systematisch daher keinen Sinn ergeben, die Unterbindung der Zahlungsströme in § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV anzuordnen, wenn darauf allein Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlückStV gestützt werden sollen. Im Gegenteil würde § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlückStV hierzu allein völlig ausreichen. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV wäre rein deklaratorisch und wirkungslos. Dies widerspricht dem Charakter eines Gesetzes.
ee)
Auch nach teleologischer Auslegung ist von einem Verbotsgesetz auszugehen.
Entscheidend ist hierfür, ob der Gesetzgeber nur die Rahmenbedingungen eines Geschäftes regeln will, oder das ganze Geschäft an sich unterbunden werden soll. So ist ein Kaufvertrag, der entgegen dem Ladenschlussgesetz zu Stande kommt nicht unwirksam, da nur der Rahmen ge-regelt werden soll (vgl. MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, BGB § 134 Rn. 42).
Hier will der Gesetzgeber aber das Geschäft an sich verhindern. Zahlungsdienstleistungen in Bezug auf illegales Glücksspiel sollen ausnahmslos nicht stattfinden.
§ 4 Abs. 1 GlückStV soll Glücksspiel im Internet, das weitgehend nicht reguliert werden kann und durch die einfache Verfügbarkeit und den Ablauf „im Dunkeln“ nach Ansicht des Gesetzgebers ein
hohes Gefahrenpotential hat, verhindern (vgl. dazu auch EuGH, Urt. 8.9.2010 - Rs. C-46/08, Tz. 103). Aufgrund der internationalen Verfügbarkeit soll der Schutz nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV da-durch gewährleistet werden, dass dem Online Glücksspiel schon der „Cash Flow“ entzogen wird (“Financial Blocking" vgl. Rock, „Cutting the Cash Flow“, ZfWG 2018, 20). Damit stehen die Zahlungs-dienstleister in der Verantwortung die betreffenden Transaktionen nicht durchzuführen. Sie sind Adressat der Norm und nicht erst eines von einer Aufsichtsbehörde zu erlassenden Verwaltungsaktes. Dazu bräuchte es § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV gar nicht (s.o.).
Das LG München I, aaO., Rn. 27 argumentiert hingegen: „Dieses Ziel werde geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge. Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler sozusagen einen Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen.“
Dieses Argument betrachtet jedoch allein die Folgen eines Verstoßes. Auszugehen ist aber von dem Fall, dass der Finanzdienstleister diese Transaktionen gerade unterbindet. Nach dem Argument des LG München I müsste auch ein Casino, das einen Spieler trotz Sperrvertrag spielen lässt, den Einsatz nicht zurück gewähren, da dieser bei Umgehung der Sperre ja einen „Freibrief“ hätte. Der BGH hat logischerweise umgekehrt entschieden (BGH, Urt. 15.12. 2005, Az. m ZR 65/05). Denn der Gesetzgeber will die Finanztransaktion gerade von Anfang an verhindern. Dabei darf nicht der Fall betrachtet werden, was die Folgen sind, wenn diese doch, entgegen dem gesetzlichen Verbot, stattfindet. Denn das Gericht hat nicht zu beurteilen, ob der Gesetzgeber durch das Gesetz seine Zielsetzung erreicht. Vielmehr muss der Zweck des Gesetzes, also die Zahlungen zu unterbinden, erreicht werden. Das Argument des LG München I hätte zur Folge, dass die Finanztransaktion gerade wirksam sein soll, damit der Spieler sie nicht vom Finanzunternehmen ersetzt verlangen kann. Das Gesetz bestimmt aber, dass sie nicht wirksam sein soll. Das Argument des LG München I kann daher jedenfalls dann nicht gelten, wenn das Finanzunternehmen nicht gutgläubig ist (dazu im Weiteren). In diesem Fall ist die Auslegung des LG München I mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen.
ff)
Insgesamt folgt aus dem eindeutigen Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, Finanz-transaktionen schon im Vorfeld von illegalem Glücksspiel einzudämmen, und aus der Systematik des Gesetzes, dass § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV eine zivilrechtliche Verbotsnorm darstellt, die keine
weiteren Voraussetzungen auf Grund der öffentlich-rechtlichen Regelung in § 9 GlückStV hat (ebenso: AG Leverkusen, WM 2019, 1304; AG München, Urt. 21.2.2018, Az. 158 C 19107/17, Rn. 18 - juris; Maier, EWiR 2019, 451 (452); Rock, ZfWG 2019, 412 (413); a.A. OLG München, Verf. 6.2.2019, Az. 19 U 793/18, Rn. 6 - juris; LG Düsseldorf, Urt. 10. 10.2019, Az. 8 O 398/18 - juris; LG Wuppertal, Urt. v. 30.10.2019, Az. 3 0 384/18; Neuhof, WuB 2019, 546 (549)). Die Gesetzesmaterialien können dieses Ergebnis nicht in Frage stellen, insbesondere, da es sich um einen Staatsvertrag handelt, der keinen einheitlichen Gesetzgebungsprozess hatte. So weicht auch die Rechtsansicht der Landesregierung Niedersachsen von den Gesetzesmaterialien ab (vgl. LT(Niedersachsen)-Drucks. 18/3543, BI. 373f.).
3.
Ein Verbotsgesetz muss im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB zudem auch noch Schutzgesetz sein und daher die Rechtsgüter des Einzelnen im Blick haben.
Dabei definiert schon § 1 Nr. 3 und Nr. 4 GlückStV die Schutzvorschriften als spielerschützend.
Die Zulassung von im Grund wegen der Sucht- und Überschuldungsgefahr unerwünschten Glückspiels dient in erster Linie nur dazu, dies nicht in den unregulierten Graubereich zu verdrängen, sondern in regulierten Bahnen zu halten (BVerfG NVwZ 2001, 790 (793); NJW 1970, 1363). Es soll dabei die Gefahr der hoffnungslosen Überschuldung Einzelner gebannt werden, die dem Glücksspiel immanent ist und im weiteren zu Beschaffungskriminalität und dem Abrutschen von Familien in prekäre Verhältnisse führen kann (OLG Hamm, NJW-RR 2003, 971 (972); BGH NJW 2012, 48 (49 Rn. 10)). Somit ist ein Schutz des Spielers „vor sich selbst“ beabsichtigt (BGH NJW 2012, 48 (49 Rn. 11)).
§ 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV ist daher individualschützend.
4.
Die Beklagte hat gegen das Verbotsgesetz verstoßen.
Dabei ist es objektive Voraussetzung des § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV, dass illegales Glücksspiel stattgefunden hat. Online-Casinospiele sind nach § 4 Abs. 4 GlückStV in dessen Anwendungsbereich verboten.
Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger von Ulm aus online gespielt hat. Das tatsächliche Spiel läge erst mit dem Einsatz des zuvor erworbenen Spielgelds vor. Die Einzahlung von Geld auf einer Casino-Seite sei dabei nur eine rechtlich neutrale Vorabhandlung. Dabei sei auch noch nicht festgelegt, ob das Geld überhaupt zum Spielen verwendet werde und von wo das Spielen stattfinde.
a)
§ 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV verbietet hingegen die Mitwirkung an Zahlungen schon, wenn sie im „Zusammenhang“ mit illegalem Glücksspiel erfolgen. Dabei müssen Vorfeldhandlungen, wie der Erwerb der virtuellen „Chips“, umfasst sein. Andernfalls würde die Norm keinen Sinn ergeben. Es ist nämlich der Standardfall bei Casinospielen, dass zunächst „Spielgeld“ erworben wird, welches sodann eingesetzt wird. Eine Überweisung von Geld, um dieses direkt zu setzen, wird die Ausnahme oder gar nicht möglich sein. Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV ist es gerade diesen Kauf von Spielgeld zu unterbinden (“financial blocking“, vgl. Rock, „Cutting the Cash Flow“, ZfWG 2018, 20), so dass es gar nicht zum Geldtransfer kommen kann.
Nach Auslegung von Sinn und Zweck muss daher auch das vorbereitende „Einkaufen“ von Spielgeld in der Absicht, hiermit Online-Glücksspiel von Deutschland aus durchzuführen, von § 4 Abs.
1 S. 2 GlückStV umfasst sein. Anders wäre der Gesetzeszweck verfehlt und die Norm hätte keinen Anwendungsbereich.
b)
Richtig ist, dass der Spieler die Möglichkeit hat, das Spielgeldkonto z.B. in Ulm aufzuladen und die Spieleinsätze sodann in Schleswig-Holstein oder außerhalb Deutschlands zu tätigen. In Schleswig-Holstein war auf Grund des § 19 GlückSpG SH a.F. das Anbieten von Online-Glücks-spiel bei Vorliegen einer Konzession von Schleswig-Holstein legal. Schleswig-Holstein war dem Glücksspielstaatsvertrag nicht beigetreten. Die Konzessionen galten bis Dezember 2018 fort.
Somit liegt keine Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV vor, wenn das mit dem Spielgeld durchgeführte Glücksspiel nicht im Geltungsbereich des GlückStV stattfand.
Zahlungsabwicklungen zum Aufladen eines Spielgeldkontos sind nach dem Wortlaut von § 4 Abs.
1 S. 2 GlückStV dann nicht rechtswidrig, wenn das Glücksspiel nicht „unerlaubt“ ist. Online-glücksspiel in Schleswig-Holstein oder im Ausland wäre erlaubt gewesen. Daher ist eine Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV, dass das Aufladen eines Spielkontos schon rechtswidrig ist, wenn die Einsätze sodann legal sind, nicht möglich.
c)
Es ist unstreitig, dass der Kläger in mehreren Überweisungen 5.172,23 € an das Glücksspielportal „888 Germany Ltd.“ überwiesen hat. Der Verwendungszweck war bei jeder Überweisung „888 Poker“. Das Aufladen des Spielgeldes findet, nach den Darlegungen der Beklagten, durch Auswählen der Zahlungsart PayPal auf der Webseite des Glücksspielportals statt. Das Portal be-
stimmt daher den Verwendungszweck. Schon damit steht fest, dass das Spielgeld zur Verwen-dung beim Poker gedacht war. Der Kläger legt eine damit in Einklang zu bringende Einzelabrechnung als Anlage L 14 (BI. 421) vor, die bei Einsätzen von 45.413,19 USD für Onlinecasinospiele nur 39.168,44 USD Gewinn angibt. Die Aussage des Klägers bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung, er habe diese gesamten Einzahlungen verspielt und sei
dann auf eine andere Internetseite gewechselt (Protokoll 8.7.2019, S. 2, BI. 355), ist daher glaubhaft.
Ebenso konnte der Kläger einen Spielverlauf der Firma „bet at home“ vorlegen (Anlage L 21, BI. 615 ff.). Das Gericht konnte den Spielverlauf ebenfalls mit dem vom Kläger übermittelten Passwort von der Internetseite „https://ulng.bet-at-home.eom/s/tW8dnyYdtxjBmNQ“ ausdrucken (Ausdruck vom 17.10.2019, BI. 622 ff.). Der Spielverlauf stimmt mit den unstreitigen Zahlungen von 4.490,00 € an „bet-at-home“ überein. Aus diesem ergeben sich „BlackJack“ Spiele online und nach gewonnenen und verlorenen Spielen ein vollständiges „Leerspielen“ des Spielgeldkontos. Auch dies stimmt mit den Darlegungen des Klägers in seiner Anhörung überein.
Der Kläger gab weiter an, in unmittelbarem Zusammenhang mit den Einzahlungen, die von Ulm aus in Auftrag gegeben wurden, gespielt zu haben. Dies ist auch dem Spielverlauf (L 14, L 21) zu entnehmen. Es ist daher überzeugend, wenn der Kläger angibt, ebenfalls von Ulm aus gespielt zu haben. Es kann mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Kläger nach den Einzahlungen in Ulm am gleichen Tag von Ulm aus ins Ausland oder nach Schleswig-Holstein fuhr und anschließend für weitere Einzahlungen zurück nach Ulm, um sodann zum Spielen wieder ins Ausland oder nach Schleswig-Holstein zu fahren.
Somit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger von Ulm aus mit den Einzahlungen von 9.662,23 €, die er über den Zahlungsdienst der Beklagten vorgenommen hat, Online-Casinospiele vorgenommen hat, die nach § 4 Abs. 4 GlückStV verboten sind.
d)
§ 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV hat auch keine weitere, ungeschriebene Voraussetzung, dass der Geldtransfer analog § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlückStV erst „nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote“ durch eine Aufsichtsbehörde verboten wäre, wie die Beklagte argumentiert.
Die Beklagte ist der Meinung, das Bekanntgabeerfordernis sei auch in § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV hineinzulesen bzw. daraus zu folgern, dass Rechtsfolgen davon abhängig seien, dass der Zahlungsdienstleister die Illegalität des Glücksspiels kenne. Andernfalls sei für den Zahlungsdienst-
leister gar nicht bestimmbar, wann er eine Zahlungsverpflichtung, zu der er vertraglich verpflichtet sei, nicht ausführen dürfe. Dies würde einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des Zahlungsdienstleisters bedeuten (Art. 56 AEUV), der nicht zu rechtfertigen sei, wenn der Dienstleister verschuldensunabhängig haften müsse.
Jedoch weiß die Beklagte hier, dass die Glücksspielanbieter in Deutschland illegale Online Casino-spiele anbieten. Die Beklagte hat mit den Anbietern eigene Akzeptanzverträge. Es ist daher gar nicht erkennbar, wozu eine vorherige Bekanntgabe durch eine Aufsichtsbehörde noch notwendig sein soll. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass das zivilrechtliche Verbot in § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV von weiteren Voraussetzungen abhängen soll, die erst im öffentlich-rechtlichen Teil geregelt werden. Auch eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlückStV kommt nicht in Betracht, da die Regelungsbereiche der zivil- und öffentlich-rechtlichen Wirkung weder vergleichbar sind, noch eine Regelungslücke zu erkennen ist. Dem Gesetzgeber steht es frei, die Voraus-setzung der zivilrechtlichen Haftung oder Nichtigkeit von Verträgen anders festzulegen, als die Voraussetzungen für hoheitliche Maßnahmen (a.A. Neuhof, WuB 2019, 546 (549)).
5.
Die Beklagte führte diese Zahlungen auch schuldhaft aus, obwohl sie gegen § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV verstießen.
a)
Im Rahmen der Prüfung von § 823 Abs. 2 BGB ist Verschulden in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gesetzliche Voraussetzung. Daher muss die Beklagte zumindest fahrlässig auch in Bezug auf das Vorliegen von unerlaubtem Glücksspiel gehandelt haben.
Die Beklagte wendet gegen ihr Verschulden ein, dass sie nicht erkennen könne, von wo aus der Einsatz des Spielgelds wofür erfolgt. Unstreitig ist hingegen, dass sie erkennen konnte, dass das Spielgeld von Ulm aus erworben wurde und die Zahlungsempfänger ein Onlinecasino (888 Germany für 888Poker) bzw. ein Casino und Sportwettenanbieter (bet-at-home.com) waren.
Wie bereits festgestellt, ergibt die Regelung in § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV nur Sinn, wenn bereits Vorfeldhandlungen, wie das Aufladen von Spielgeld, von dem gesetzlichen Verbot erfasst sind. Wollte man dies anders sehen, wäre die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV wir-kungslos und das Ziel den „CashFlow“ zu unterbinden, könnte gerade nicht erreicht werden.
Trotzdem kann es theoretisch Fälle geben, in dem mit dem aufgeladenen Geld kein illegales Glücksspiel vorgenommen wird. Was genau mit dem aufgeladenen Betrag passiert, kann der
Zahlungsdienstleister nicht erkennen. Im Fall von legalem Glücksspiel ist der Zahlungsdienstleister hingegen vertraglich verpflichtet, die Einzahlung vorzunehmen. Im Fall von illegalem Glücksspiel ist der Zahlungsdienstleister gesetzlich verpflichtet, die Zahlungsanweisung abzulehnen.
In Abwägung der vertraglichen Verpflichtung und der Dienstleistungsfreiheit des Zahlungsdienstleisters und des legitimen Interesses des Gesetzgebers Onlineglücksspiel schon durch Unterbinden der Zahlungsströme zu bekämpfen, ist ein Ausgleich dadurch möglich, dass vom Zahlungsdienstleister eine Kontrollpflicht auf Zahlungen besteht, die im Zusammenhang mit Glücksspiel stehen können. Dies ist der Beklagten hier unstreitig möglich, da sie eine Zahlung nicht an eine anonyme Kontonummer sendet, sondern den Zahlungsempfänger und dessen Geschäftsfeld kennt, da sie mit diesem einen Akzeptanzvertrag geschlossen hat.
Bei Zahlungen, bei denen die Umstände sehr für einen Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel sprechen, z.B. der Zahlung eines Kunden mit deutscher Adresse außerhalb von Schleswig-Holstein, muss die Beklagte Vorsorge zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten treffen. Denn der Zahlungsdienstleister hat eine Pflicht nach seinen Möglichkeiten zu überprüfen, ob die Zahlung abgewickelt werden darf, oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (BGH NJW 2002, 3698 (3699 unter II. 3. b.); vgl. auch zur Pflicht nahe liegende Kontrollmechanismen zu implementieren: BGH, Urt. 13.01.2004, Az. XI ZR 479/02 Rn. 26 - juris). Zwar muss und darf er den Zahlungsauftrag nur ablehnen, „wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht“ (BGH NJW 2002, 3698 (3699 unter II. 3. b.) mit zahlreichen weiteren Nennungen). Der Zahlungsdienstleister darf jedoch vor einem nahe liegenden Gesetzesverstoß die Augen nicht verschließen (vgl. BGH NJW 2002, 2234 (2237 unter II. 2. b) aa)). In diesen Fällen sprechen aber so gut wie alle Umstände dafür, dass vom Ort der Aufladung auch ein Einsatz des Geldes erfolgen soll. Die Möglichkeit, das Spielgeld in Ulm aufzuladen und dieses sodann erst später im Ausland (oder Schleswig-Holstein) einzusetzen, ist nur theoretischer Natur.
Der Zahlungsdienstleister darf sich auch nicht sicher sein, ob der Anweiser die gesetzlichen Vorschriften zum Verbot von Online-Glücksspiel kennt. Er muss daher davon ausgehen, dass regelmäßig gegen § 4 Abs. 4 GlückStV verstoßen wird. In diesem Fall wird er nachzufragen haben, ob ein Fall des illegalen Glücksspiels vorliegt (so auch: Rock, ZfWG 2019, 412 (414)). Dieser Fall ist auch leicht zu bestimmen. Glücksspiel im Internet von Deutschland aus (außer Schleswig-Holstein) ist illegal. Glücksspiel definiert sich nach § 3 Abs. 1 S. 1 GlückStV.
Eine solche Bestätigungspflicht wäre auch nicht wirkungslos. Der Zahler könnte so von der Straf-
barkeit (§ 285 StGB) der Online-Glücksspiels und der Nichtigkeit des Glücksspielvertrages erfahren. Damit muss er damit rechnen, theoretisch einen erzielten Gewinn nicht ausbezahlt zu bekommen, jedenfalls nicht einklagen zu können und eventuell bei einer Strafverfolgung wieder zu verlieren (§§ 286, 74a StGB).
In diesem Fall hat die Beklagte aber gar keine Instrumente geschaffen, um eine Zahlung, die mit größter Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel steht, was für die Beklagte erkennbar war, zu verhindern. Sie hat nicht überprüft oder sichergestellt, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit von Onlineglücksspiel bekannt ist. Dabei profitiert sie von der Zahlung durch Provisionen. Sie kann dieser Verpflichtung auch nicht entgegenhalten, dies würde zu einer zu großen Belastung des Zahlungsdienstleisters führen, denn es ist die wirtschaftliche Entscheidung der Beklagten mit Online-Glücksspielanbietern Akzeptanzverträge zu schließen. Sie kann das Entgelt für diese Zahlungen frei bestimmen und Risikozuschläge verlangen. Den Aufwand zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen hat sie daher zu tragen (so auch BGH NJW 2002, 2234 (2237), a.A. Neuhof, WuB 2019, 546 (549)).
Die Beklagte hat vielmehr sehenden Auges in Kauf genommen, dass die Zahlung, wie sie sich der Beklagten darstellt, mit großer Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel steht. Dabei kann sie sich auch nicht damit entlasten, dass die Zahlung jedenfalls soweit sie an „bet-at-home" ging, auch für Sportwetten hätte verwendet werden können. Denn die Beklagte hat jedenfalls trotz der Möglichkeit des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV keinerlei wirksame Maßnahmen zur Erreichung des Gesetzeszweckes getroffen. Die Versicherung der Glücksspielanbieter die „gesetzlichen Vorschriften“ einzuhalten, reicht hierfür nicht aus, nachdem die Illegalität von Onlinecasinospielen nach § 4 Abs. 4 GlückStV eindeutig ist.
b)
Es kommt auch nicht darauf an, wie die Beklagte meint (Klageerwiderung S. 39, BI. 111), dass bei berufstypischen und damit „neutralen“ Handlungen vom BGH eine Strafbarkeit erst angenom-men wird, wenn der Schädiger es wenigstens für überwiegend wahrscheinlich hält, dass sein Tun eine Straftat fördert (BGH NStZ 2017, 337 (338)). Denn die Beklagte musste es hier für überwiegend wahrscheinlich halten, dass der Kläger den aufgeladenen Einsatz sogleich vom Auflade-/Wohnort einsetzt.
Somit hat die Beklagte erkannt, dass die Zahlung wahrscheinlich im Zusammenhang mit Glücksspiel steht und vorsätzlich keine Vorkehrungen getroffen, um vom Kläger Klärung zu verlangen, ob Onlineglücksspiel beabsichtigt ist, um ggf. den Zahlungstransfer zu unterbinden.
Sie handelte daher schuldhaft.
6.
Der Kläger hat auch einen Schaden erlitten.
Nach § 249 Abs. 1 BGB ist nach der Differenzhypothese die tatsächliche Vermögenslage des Klägers mit der Vermögenslage zu vergleichen, die ohne das schädigende Ereignis bestanden habe. Die Beklagte argumentiert, dass allein durch die Aufladung von Spielgeld der Kläger keinen Schaden erlitten hat. Das folgende Glücksspiel ist aber ebenfalls adäquat kausal auf den Aufladevorgang zurückzuführen. Mittelbare Kausalität reicht aus (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 142). Der folgende Spielvorgang stellt kein Ereignis dar, das den Kausalzusammenhang völlig unterbricht. Dies gilt für den Spielvorgang in seiner Gesamtheit. Es kann nicht auf das einzelne „BlackJack-“ oder Pokerspiel abgestellt werden, sondern auch auf folgende, in unmittelbarem Zusammenhang stehende weitere Spiele, bei denen der Einsatz und Gewinn des Vorspiels weiter gesetzt wird. Erst nach einer Auszahlung wird man den Kausalzusammenhang als beendet ansehen können. Eine solche Auszahlung fand hier nicht statt.
Nach der Differenzhypothese ist durch Zahlung von 9.662,23 € der Zustand ohne schädigendes Ereignis herzustellen.
7.
Ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB kommt nicht in Betracht.
Ein solches ist ausgeschlossen, wenn durch den Mitverschuldenseinwand der Schutzzweck der Norm entwertet werden würde (BGH, Urt. 15. 12. 2005, Az. III ZR 65/05 Rn. 20 - juris). Dies wäre hier der Fall. Da der Zahlungsdienstleister keinerlei Ersatzpflichten nach der Durchführung einer Transaktion fürchten müsste, wenn diese regelmäßig nach § 254 BGB ausgeschlossen wären, wäre die zivilrechtliche Schutzkomponente des § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV entwertet. Dies gilt in gleichem Maße, wenn die Beklagte sich durch ihren Vortrag, der Kläger hätte ohne die Nutzung des PayPal-Dienstes eben ein anderes Zahlungsverfahren benutzt, entlasten könnte.
Somit kann der Zahlungsdienstleister dem Anweisenden nur ein „qualifiziertes“ Mitverschulden entgegenhalten (BGH, Urt. 15. 12. 2005, Az. III ZR 65/05 Rn. 18 - juris). Dies wäre eventuell der Fall, wenn der Anweisende z.B. trotz Nachfrage des Zahlungsdienstleisters bewusst der Wahrheit zu-wider versichert, dass er nur legale Zwecke mit der Überweisung beabsichtige. Somit würde sich auch ein geschlossenes Schutzkonzept ergeben, das sowohl dem Gesetzeszweck des § 4 Abs.
1 S. 2 GlückStV gerecht wird, als auch die Dienstleistungsfreiheit des Zahlungsdienstleisters be-rücksichtigt. Denn der Zahlungsdienstleister wäre davor geschützt verschuldensunabhängig auf den Ersatz von Zahlungen an Onlinecasinos zu haften, wenn er zuvor den Anweisenden darauf hinweist, dass das Spielen aus Deutschland (ohne Schleswig-Holstein) illegal, strafbar und ohne Rechtsanspruch auf Auszahlung eines Gewinnes ist. Versichert der Spieler der Wahrheit zuwi-der, dass er dies nicht beabsichtige, liegt ein qualifiziertes Verschulden vor, das nach § 254 BGB einen Ersatzanspruch ausschließt.
In diesem Fall ist eine solch qualifizierte Pflichtwidrigkeit aber nicht festzustellen. Dass der Kläger im „Kleingedruckten“ der Onlinecasinos hätte feststellen können, dass die Teilnahme nur im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein erlaubt ist, kann hierzu nicht ausreichen.
8.
Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen Art. 56 AEUV. Zwar liegt eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit schon vor, wenn eine Leistungserbringung weniger attraktiv gemacht wird (Streinz/Müller-Graff, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 56 Rn. 87). Unabhängig davon, ob der Eingriffsbegriff für reine Ausübungsregelungen, die diskriminierungsfrei erfolgen, abzuschwächen ist (so für die Wa-renverkehrsfreiheit: EuGH, Urt. 24.11.1993 - Rs. C-267/91; Rs. C-268/91 (Keck), Tz. 16), wäre ein Eingriff jedenfalls gerechtfertigt. Denn das Verbot von Glücksspiel im Internet ist ein geeigneter Rechts-fertigungsgrund. Die besonderen Gefahren der Spielsucht und damit einhergehenden Überschul-dung sind auf Grund der Anonymität und fehlende soziale Kontrolle des Internets begünstigt (EuGH, Urt. 8.9.2010 - Rs. C-46/08, Lts. 3). Selbst wenn dies wissenschaftlich nicht belegt sein sollte, reicht der weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers aus, diese Maßnahmen zu treffen.
B.
Die Beklagte kam mit der Zahlung nach der Mahnung des Klägers mit Schreiben vom 22.08.2017 und Fristsetzung bis 08.09.2017 zum 09.09.2017 in Verzug, § 286 Abs. 1 BGB. Der Kläger kann ab diesem Zeitpunkt die Verzinsung gemäß § 288 Abs. 1 BGB verlangen. Vom Anspruch des Klä-gers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV ist nach § 249 BGB ebenfalls die Er-stattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren umfasst (Palandt, Grüneberg, 78. Aufl., § 249 Rn. 56, 57), die sich bei einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 887,03 € belaufen. Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ist nach §§ 291, 288
Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbar-
keit ergeht nach § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Oberlandesgericht Stuttgart
Olgastraße 2
70182 Stuttgart
einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelas-sen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht Ulm
Olgastraße 106
89073 Ulm
einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mit-teilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist
ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.eiustice-bw.de beschrie-ben.
Ruß
Vorsitzende Richterin
am Landgericht
Schlereth
Richter
am Landgericht
Kettenbach
Richter
am Landgericht
Verkündet am 16.12.2019
Böhm, JSekr'in
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beglaubigt
Ulm, 17.12.2019
Böhm
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt
- ohne Unterschrift gültig-