Der neue Glücksspielstaatsvertrag 2021 ist seit dem 01.07.2021 in Kraft. Anbieter von Online-Glücksspiel können nun eine Erlaubnis beantragen und so ihre Spielangebote - nach strengeren Regeln - erstmals legal in Deutschland anbieten. Doch eine solche Erlaubnis haben Wunderino & Co nach wie vor nicht.
Derzeit haben nur 15 Online Casinos eine Lizenz für Deutschland (Stand: Dezember 2022). Die für Lizenzerteilung und Überwachung in Sachsen-Anhalt neu gegründete “Gemeinsame Glücksspielbehörder der Länder” (GGL) befindet sich aktuell im Aufbau. Vorübergehend übernimmt das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt in Halle an der Saale (LVwA) ihre Aufgaben und vermeldet, dass zahlreiche Lizenzanträge eingegangen sind. Tiefere Einblicke gewährten beide Behörden im Rahmen des 19. Glücksspiel Symposiums der Universität Hohenheim.
Unser Update in Kürze:
Viel vorgenommen haben sich die Vorstände der neuen Glücksspielbehörde in Halle, Ronald Benter und Benjamin Schwanke. In Windeseile sollte in Sachsen-Anhalt eine neue, moderne und schlagkräftige Behörde geschaffen werden, die mit umfangreichen Aufgaben im Rahmen der Online-Glücksspiel-Aufsicht für ganz Deutschland betraut ist. Hierbei reicht das Spektrum der Behörde von Erlaubniserteilung und Aufsicht für eine Vielzahl von Spielarten, insbesondere Online-Automatenspiele und Online-Poker, die Bekämpfung von illegalem Online-Glücksspiel, sowie Beobachtung des Marktes und Förderung der Forschung.
Ronald Benter, einer von zwei Vorständen der GGL, war zuvor Leiter des Referats für Glücksspielwesen im Innenministerium von Schleswig Holstein. Auch sein Vorstandskollege Benjamin Schwanke bringt umfangreiche Erfahrungen aus seiner Zeit bei der Glücksspielaufsicht der Innenbehörde Hamburg in die neue Behörde ein. Doch der Aufbau dauert. Daher soll in der Übergangszeit das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (LVwA) in Halle bis zum 01.01.2023 die Aufgaben der GGL ganz bzw. teilweise übernehmen.
Wer versucht, die Behörde dieser Tage telefonisch zu erreichen, wird vertröstet. So teilte uns die Telefonzentrale des Landesverwaltungsamts Halle vor wenigen Wochen hierzu mit, dass zwar Durchwahlen für die zuständige Abteilung vergeben seien, dass die Telefone aus technischen Gründen jedoch noch nicht erreichbar wären. Die Behörde verwies auf eine allgemeine „automatenspiele@” E-Mailadresse.
Insbesondere gut ausgebildetes Personal am Standort in Halle zu gewinnen, scheint nach wie vor eine Herausforderung zu sein. Der Aufbau laufe schleppend ist aus Medien und Behördenkreisen zu hören. Zur Zeit habe die Behörde 16 Mitarbeiter, bis zum 01.07.2022 seien noch 60 Stellen zu besetzen, 32 von ihnen sollen von der Interims-Behörde LVwA wechseln.
Bis Ende 2022 sollen insgesamt 110 Mitarbeiter eingestellt werden. Benter sucht Experten für Glücksspielmarkt, Glücksspielrecht und Suchtforschung. Aufgrund der hohen Anforderung im Bereich der sogenannten technischen Aufsichtssysteme, die der Glücksspielstaatsvertrag 2021 vorsieht, werden zudem viele IT-Experten gesucht.
Der Aufbau der Behörde erfolge in drei Schritten. Los ging es ab dem 01.07.2021. “Wir hatten eine komplett grüne Wiese.”, sagt Ronald Benter, der als Vorstand die Behörde “von Null” aufbaut.
Inzwischen sei ein Bürogebäude in der Halleschen Innenstadt angemietet. Die Interims-Behörde des LVwA sitze dort ebenfalls, so dass man die LVwA-Mitarbeiter übernehmen könne. Man habe eine erste Struktur geschaffen, erste Mitarbeiter gewonnen und beginne mit der Beobachtung des Glücksspielmarktes.
Ab dem 01.07.2022 will die Behörde erste operative Tätigkeiten aufnehmen, insbesondere die Bekämpfung des illegalen Online Glücksspiels mit Maßnahmen des IP-Blockings, die Überprüfung von Werbung und der Möglichkeit der Zahlungsunterbindung. Auch sollen unerlaubte Online Glücksspielangebote an die Behörde online gemeldet werden können.
Bis zum 01.01.2023 soll der weitere Aufbau erfolgen, so dass die Behörde ab dem 01.01.2023 vollständig für alle Bereiche zuständig ist.
Noch im November 2021 ging die Sprecherin der zuständigen Behörde in der Wirtschaftswoche davon aus, dass “erste Erlaubnisse frühestens Ende des Jahres, sicher aber im ersten Quartal 2022 erteilt werden können”. Bei den meisten eingereichten Anträgen seien jedoch Nachforderungen und Erläuterungen notwendig.
Eine Erlaubniserteilung in den wenigen verbleibenden Tagen des ersten Quartals 2022 erscheint nicht mehr realistisch.
LVwA-Referatsleiter Sebastian Buchholz bestätigt, dass insgesamt 66 Lizenzen bei seiner Behörde beantragt wurden, davon 58 Lizenzen für Automatenspiele und 8 Lizenzen für Online-Poker (Stand März 2022).
Eine Erlaubnis wurde bisher nur an 15 Online Casinos erteilt (Stand: Dezember 2022). Als Gründe hierfür nennt Buchholz, dass die Anträge “selten bis nie” vollständig waren. Auch stehe einer Erlaubniserteilung aktuell im Wege, dass Spieleentwickler nicht kooperativ seien im Hinblick auf die Prüfung der einzelnen Spiele. Zudem sei die Prüfung der Zuverlässigkeit der Anbieter sehr aufwändig. Als weiteres Problem stellt sich heraus, dass die Online Glücksspielanbieter teilweise die Anbindung an die Zentraldatei LUGAS verweigern.
Als technisches Aufsichtssystem hat die Behörde eine sogenannte Zentraldatei namens LUGAS (Länderübergreifendes Glücksspielaufsichtssystem) geschaffen, die Aktivitäten und Limits der Spieler überwachen soll. Hierüber sollen beispielsweise das neue monatliche Verlust-Limit von 1000 Euro überwacht und das Spielen bei mehreren Anbietern zur gleichen Zeit verhindert werden. 11 Online Glücksspiel Anbieter nutzen diese Anwendung bereits, 100 Anbieter testen die Anwendung, mehr als 350.000 Spieler sollen registriert sein.
Viele Anbieter weigern sich jedoch, sich an LUGAS anzuschließen. 6 von ihnen klagen gegen das umstrittene System.
“Das ist viel zu wenig”, kommentiert Sebastian Buchholz, Referatsleiter der Übergangsbehörde im LVwA die geringe Anzahl der an LUGAS angeschlossenen Online-Glücksspiel-Anbietern. Der Anschluss sei jedoch laut Buchholz eine zwingende Voraussetzung für die Lizenzerteilung.
Auch GGL-Chef Ronald Benter ist die Anbindung an LUGAS wichtig. Dies sei „wichtig um zu zeigen, dass man gewillt ist, die Anforderungen zum Schutz der Spieler sicher zu stellen“.
Schwer vorstellbar erscheint, dass Anbieter, die aktuell ihre Glücksspiele illegal im Internet anbieten, nach Erteilung einer Erlaubnis “über Nacht” legal werden. Vom Schwarzmarkt soll es direkt in den regulierten, legalen und “weißen” Markt gehen. Eine Brücke wollte man im Oktober 2020 mit einer Duldung, dem sogenannten Umlaufbeschluss der Staatskanzleien der Länder schlagen. Nach diesem umstrittenen Beschluss sollen Online Glücksspielanbieter, die sich schon jetzt an die Regeln des neuen Glücksspielstaatsvertrag halten “geduldet” werden. Das Glücksspiel ist nach Meinung von Rechtsexperten weiterhin illegal, soll aber von den Behörden der Länder nicht mehr verfolgt werden.
Ob die Zuverlässigkeit, z.B. Rechtstreue der Anbieter in der Vergangenheit eine Auswirkung auf die Erteilung von Erlaubnissen in der Zukunft habe, beantworteten sowohl GGL-Chef Benter als auch LVwA-Referatsleiter Buchholz schmallippig: “Hier muss ich die unbefriedigende Antwort kundtun: Wir müssen uns das immer im Einzelfall ansehen.” so Buchholz.